Montag, 1. August 2022

Da hört sich doch...

 
"Umso bedauerlicher ist daher das Schauspiel, das die Engländerinnen vor allem in den letzten Minuten des Finales aufgeführt haben: Zeitspiel bis zum Äußersten. Sei es beim Ausführen von Ecken, wo die Lage des Balles nur millimeterweise korrigiert wurde, sodass die Linienrichterin drei Mal eingreifen musste. Oder die Torhüterin Mary Earps, die auch nach einfachsten Paraden erst einmal vornüber kippte, um noch mit dem Ball in den Armen liegen zu bleiben: Hauptsache, wieder ein paar Sekunden von der Uhr nehmen. Hinzu kommt Einwechselspielerin Jill Scott, die nach einem Zweikampf mit Sydney Lohmann aufsprang und die Deutsche mit »Fuck off, you fucking prick!« beschimpfte, zu deutsch etwa: »Verpiss Dich, Du Idiotin!« – und dafür in sozialen Medien von England-Fans gefeiert wird." (Thomas Krause)

Ja Potzdonner! Da wurde uns wochenlang rauf und runter erklärt, Frauenfußball sei der reinere, edlere Fußball, ja, der 'echte' Fußball, der noch vieles hat, das bei den Männern verloren gegangen ist. Und sogar die Mannis und Helmuts jubeln jetzt. Warum? "Weil sie [die Fußballerinnen] so schön fair sind [...], weil sie nicht so viel auf den Rasen rotzen, weil sie sich nicht mit schmerzverzerrtem Gesicht über den Platz wälzen, wenn sie den Windhauch einer vorbeilaufenden Gegenspielerin gespürt haben." (Rüttenauer) -- und dann trickst das perfide Albion im Finale schnöde rum als wären Y-Chromosomen im Spiel gewesen. Frechheit!

Wahrlich, dem Männerfußball ist so einiges verloren gegangen: 140 Kilo-Torleute, die gegnerische Stürmer einfach wegboxten etwa. Verteidiger, deren Spielweise heute als gefährliche Körperverletzung durchgehen würde. Dass jeder Spieltag im Besäufnis und einer zünftigen Rauferei endete. Nach Verlängerung unentschiedene Spiele, die per Münzwurf entschieden wurden. Lederbälle, die sich bei Regen mit Wasser vollsogen und dann acht Kilo wogen, wodurch beim Schuss *klump* die Kniescheibe auch ganz ohne Feindeinwirkung ins Flattern geriet. Koksende Spieler, die ganze Seitenauslinien wegschnorchelten. Kettenrauchende Alkoholiker mit hochroten Birnen auf der Trainerbank, die die Kabine in der Halbzeit zuverlässig in einen Kasernenhof verwandelten und und und.

Nun haben wir ja Kapitalismus im fortgeschrittenen Stadium. Und da ploppt dann dieser fiese Gedanke im Zwischenhirn auf: Könnte es sein, dass der ganze Hype der letzten Wochen der Tatsache geschuldet ist, dass man im Frauenfußball vor allem eine noch unerschlossene Einnahmequelle sieht? Dass Mädchen und Frauen genauso die Fanshops stürmen sollen, absurd teure Trikots, Fanartikel, Dauerkarten und Sky-Abos kaufen sollen wie ihre männlichen Pendants? Wenn es aber irgendwann im Frauenfußball um genausoviel Geld geht wie bei den Männern, dann wird auch das Spiel genau so rabiat und schmutzig werden, jede Wette. Damit wäre dann Gleichstellung erreicht. Frauenfußball wird den Fußball also nicht retten. Wembley war da schon mal ein Vorgeschmack.

Trotz alledem: Super gespielt gestern, Ladys. Respekt!






4 Kommentare :

  1. Dieses Ecken provozieren zum Schluss fand ich auch kacke. Ich hab' mich mehrmals rufen hören "So'n Scheiß´habe ich bei den Männern nie gesehen. Noch niiiiieeee" Ich hab' mich praktisch nicht wiedererkannt.

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    1. Kompetente Schiedsrichter:innen ahnden Zeitschinden mit Verwarnungen und gelben Karten. Eine kompetente Schiedsrichterin hätte auch den klaren Handelfmeter gesehen. Oder zumindest einen Videobeweis angefordert. Was solls.

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  2. Ich denke, dass es schon klar war, dass England endlich einen Titel holen musste;(

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  3. Siewurdengelesen3. August 2022 um 11:14

    Ach herrje - Fußball;-)

    Mit dem Unterschied Männlein-Weiblein ist es vermutlich wie im Business. Da wird oft mehr hineingedichtet, als am Ende wirklich ist. Und im "Wettbewerb" sind die Unterschiede der Geschlechter zweitrangig, ergo wird es da sowohl als auch im Dogfight zu unschönen Szenen kommen. Wobei Fußball jetzt m.E. noch nie für besondere Grazie und Anmut gedacht war und im "Premiumbereich" und bei großen Meisterschaften das Geholze und Schauspieltalent einiger Athleten schon häufig Spiele entschieden haben. Auch da bleibt die Frage, warum das anders sein soll, nur weil die Spieler Spielerinnen sind?

    Und das Kommerzielle? Sobald es sich lohnt, etwas zu verwursten, sind die Verwerter eben da, ob es dabei Bionade ist oder Frauenfußball, spielt keine Rolle. Es muß nur genug Marge abwerfen.

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