Mittwoch, 30. November 2022

Jobs, Jobs, Jobs...


Ein Problem in Deutschland ist ja, dass es einen Arbeitskräftemangel vor allem in jenen Tätigkeitsfeldern gibt, in denen er nicht ohne weiteres auszugleichen ist. Gut, Qualifizierungen nach § 34a GewO für das Sicherheitsgewerbe, welche zum Sicherungsposten, Hygieneschulungen o.ä. sind in der Regel leicht realisierbar. Werden von Arbeitsagenturen und Jobcentern bevorzugt per Bildungsgutschein finanziert. Ist schnell gemacht, vergleichsweise günstig und bringt auch Arbeitslose in Jobs. Bei Umschulungen, die bis zu 30 Monaten dauern, liegt die Latte aus Kostengründen schon deutlich höher.

Gebraucht werden aber vor allem Kräfte, die bereit und willens sind, Dinge zu tun, die sonst keiner machen will. Schlecht bezahlte, oft prekäre Tätigkeiten, die den Maschinenraum am Laufen halten. Küchenhilfen, Pflegehelfer, Produktions-/Bau-/Erntehelfer. Zerleger bei Westfleisch. Das wollen (oder können) viele Hiesige nicht machen, sodass in diesen Branchen Migranten überdurchschnittlich vertreten sind. Und wenn dann zum Beispiel in den Herkunftsländern dieser Menschen die Löhne steigen, wie im Fall von polnischen Spargelstechern, sodass Arbeitsmigration unattraktiv wird, dann wird es schnell heikel, wenn das Geschäftsmodell auf billiger Arbeit beruht.

Wenn dann noch um die 50 Prozent der deutschen Schulabgänger pro Jahr an die Unis strömen, handelt es sich dabei überwiegend um welche, die keine Handwerksjobs und auch sonst keine schlechter bezahlten Jobs machen wollen, und man hat das nächste Problem. Von dem Bewusstsein allein, dass Handwerk angeblich goldenen Boden habe, kann man sich leider nichts kaufen. Man kann dann auch gerne moppern über Kuschelabitur und "Also, muss denn heute wirklich jeder auf die Uni?", aber das wird nicht viel ändern.

Dann fehlen da noch Hochqualifizierte, vor allem im Bereich MINT/IT. Die sind top ausgebildet, haben das in der Regel selbst finanziert und suchen sich weltweit unter mehreren Angeboten in mehreren Ländern das attraktivste aus. Wenn diesen Leuten in Deutschland die Einbürgerung unnötig schwer gemacht wird, sie Rassismus erfahren, sich unwillkommen fühlen, sie Sprachkurse teilweise selbst bezahlen müssen etc. dann gehen diese Leute eben nicht nach Deutschland. Und nein, für diese Arbeiten gibt es eben nicht massenhaft Deutsche, die nur so Schlange stehen. Und nein, der Bedarf lässt sich nicht mal eben per Bildungsgutschein beheben.

Entgegen im konservativen/rechten Lager verbreiteten Selbstzuschreibungen, erleben diese Menschen Deutschland auch nicht als properes Superwirtschaftswunderland und vergehen nur so vor Dankbarkeit für das Privileg, hier leben oder, gruseliger noch, "zu Gast" sein zu dürfen. Sie erleben oft bloß schlechtes Wetter, unfreundliche Menschen, Anfeindungen oder Gewalt, verrottende Infrastruktur, verkrustete Verwaltung, 20 Jahre hinterherhinkende Digitalisierung etc. Sie warten ewig auf Sprachkurse, die dann von prekär Beschäftigten übernommen werden und machen sich so ihre Gedanken.

"Und warum will die Koalition die Neuen so schnell zu Deutschen machen, fragt man sich in der Union. Warum hängen die Ausländer so an ihrem alten Pass, wenn die deutsche Staatsbürgerschaft doch die allerbeste auf der ganzen Welt ist, übertroffen höchstens noch von der bayerischen? Wollen wir hoffen, dass die High Potentials erst nach ihrem Umzug nach Stuttgart oder Düsseldorf deutsche Medien verfolgen." (Melanie Amann)

Vor diesem Hintergrund ist es völliger, rational in keiner Weise mehr begründbarer Kokolores, Zuwanderern das Leben noch schwerer zu machen, so wie das die CDU getreu ihrem alten Mottos (Motti? Motten?) "Deutschland ist kein Einwanderungsland!“ und "Kinder statt Inder!" gerade wieder versucht. Weil man sich von der Tatsache, dass ein paar immer noch geistig in den 1950ern stecken und "Deutschland zuerst!" quaken, ein paar Wählerstimmen verspricht. Wer nicht glaubt, dass das Kokolores ist, möge bitte nach Großbritannien schauen, wo der xenophobe Klogriff namens 'Brexit' gerade seine volle Wirkung entfaltet.



 

 

6 Kommentare :

  1. Ich fürchte, wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem auch die Einwanderung die Pflege nicht mehr retten, sondern allenfalls den Zusammenbruch hinauszögern kann. Ich arbeite in einem Pflegebereich, der traditionell eher unbeliebt ist, weil er besonders viel Arbeitsaufwand mit prekäreren Bedingungen mit sich bringt (Innere Geriatrie - nur in die klassische Altenlangzeitpflege wollen noch weniger Leute hinein).
    Die meisten meiner Kollegen aus anderen Ländern wollen aber nicht mehr - gerade aus den Gründen, die du genannt hast. In den skandinavischen Ländern, in den Benelux-Staaten, in der Schweiz und in Ösitanien gibt's nicht nur mehr Geld bei geringerer Pflegekraft-Patienten-Ratio, die Wertschätzung durch Staat und Gesellschaft ist auch eine andere. Da gelten Pflegekräfte nicht grundsätzlich als dumme Arschabwischer vom Dienst, die nur zu blöd für's Medizinstudium gewesen sind. Es vergeht keine Woche, an dem sich meine Kollegen nicht beklagen, dass sie fremdenfeindlich angegangen werden: Ihnen wird generell unterstellt, keine Ahnung zu haben und zu faul zu sein. Sie werden einfach geduzt (wir Deutschen aber nicht) oder grundsätzlich der Diebstahlabsicht bezichtigt. Irgendwann können und wollen die Leute nicht mehr und so freuen sich dann andere europäische Staaten über diese zuwandernden Pflegekräfte.
    Und ganz ehrlich? Ich kann es verstehen und mache da niemandem einen Vorwurf. Hätte ich keine Familie, ich würde auch "rübermachen".
    Vielen Leuten scheint nicht bewusst zu sein, wie massiv schlecht die Pflegesituation in D-Land sich entwickelt hat. Hätte unser Fachbereich keine zugewanderten Kräfte, wir hätten schon vor Corona alles komplett dichtmachen müssen. Zum Dank werden die Leute, die den Laden irgendwie am Kacken halten, auch noch verächtlich gemacht. :(

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  2. Für Wertschätzung ist in Herrenrasseland kaum Platz, auf dem Balkon klatschen (in der Bingewatching- Pause) ist doch auch ein Zeichen und Bekenntnis, vielleicht gibt es ja auch mal Lichterketten wie seinerzeit nach den rassistischen Morden. Aufmerksamkeitsökonomie ist das Zauberwort guter Manipulation. Seit der BTW2021, dem 100.000.000.000 €uro Sonderfonds für neue Tötungsmaschinerie und (mal wieder) deutschen Panzern in der Ukraine bin ich durch mit Germoney. Handke hat Ende der 80er im Skript für Wenders „Himmel über Berlin" folgendes geschrieben:
    „Die deutsche Seele der Gegenwart erobert nur der und kann nur der führen, der jedem einzelnen Kleinstaatler mit dessen paar Losungswörtern kommt. Zum Glück ist gegenwärtig niemand in der Lage dazu. So schwärmt jeder für sich ins Ausland und läßt in allen Himmelsrichtungen seinen Einmannreichswipfel flattern. Auch seine Kinder schütteln schon die Nase und ziehen ihre Scheiße in Kreisen um sich.“
    Da sind wir drüber fürchte ich.

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  3. Die Fachkräfte stimmen mit den Füßen über Deutschland als Ziel für Migration ab. Die Expats sehen in einem aktuellen Ranking mit fünfzig Städten Berlin auf Platz 31, Düsseldorf auf 33, München auf 38, Hamburg auf 45 und Frankfurt auf 49.

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    1. Man sollte es den Münchnern schonend beibringen. Die glauben ja wirklich, in der schönsten Stadt der Welt zu wohnen..

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  4. ... das Thema wird zuwenig kommuniziert. Man sollte es jeden Tag einmal in den Nachrichten finden, bis es auch der Letzte begreift: Die AfD und hintendran die Neonazis bedrohen massiv unseren Wohlstand.

    Gruß
    Jens

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    1. Deswegen müssen Nazis ja welche zu Untermenschen und Zwangsarbeitern erklären. Freiwillig würde doch niemand für die arbeiten.

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