Freitag, 14. April 2023

Das Tupperwunder

 
Wer wie ich eine kleine Küche hat, kennt das: Man kommt gar nicht erst in Versuchung, platzraubenden Tünneff anzuschaffen, den man angeblich unbedingt braucht, ja, ohne den sich's eigentlich gar nicht leben lässt. Thermomixe, Brotbackautomaten, Sandwichtoaster, George-Foreman-Grills, Fritteusen Dämpfgeräte, Standmixer, Küchenmaschinen. (Nein, stopp. Ich bekenne, Besitzer einer selten genutzten Fritteuse und eines oft und gern benutzten Reiskochers zu sein.) Vor allem aber hatte ich immer eine Ausrede, dass mir eines definitiv nie-niemals-nicht ins Haus kommt: Tupperware.

Natürlich will ich nicht bestreiten, dass da einiges Praktische darunter ist. Hat man kein Problem mit Kunststoff in der Küche, ist der Kram angeblich zweckmäßig, stabil und auch lange haltbar, was die Ökobilanz wieder ein wenig aufzubrezeln vermag. Das Problem liegt woanders. Nämlich darin, dass viele, die einmal an den Tupperkram geraten sind, eine Art Sucht zu entwickeln scheinen, die sie zwanghaft immer neues Gerümpel anschaffen lässt.

Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Menschen unter einem Berg pastellfarbener Plastikpötte begraben wurden, weil sie die Tür des Wandschranks etwas zu ruckartig geöffnet hatten. Ein Jahr zuvor noch hatten sie noch gesagt, wirklich nur diese sechs wahnsinnig praktischen Boxen kaufen zu wollen. Ich habe erlebt, wie Menschen, die großzügige Einfamilienhäuser bewohnen, darüber klagten, ja sooo wenig Platz zu haben für den ganzen Plunder. Ich habe gesehen, wie ganze Keller, Dachböden und Garagen vollgetuppert wurden. Dabei kauften sie doch immer nur das, was sie wirklich unbedingt bräuchten, sagten sie. Da kauften welche Ananasausstecher, Melonenteiler und Zoodle-Schneider, die weder Ananas noch Melonen mochten und Zucchini hassten. Na ja, aber sie wollten doch eh mehr Obst und Gemüse essen, da sei ist das doch sooo praktisch, hieß es dann.

Dafür gab es natürlich Gründe. Einmal die so geniale wie abgefeimte Idee, das Zeugs ausschließlich im Direktvertrieb im Rahmen von so genannten 'Tupperpartys' über die Freundschaftsschiene zu vermarkten. Der freundlichen Nachbarin, der alten Freundin (zuletzt auch immer mehr Freunden und Nachbarn) vertraut man eben mehr, als wenn einen im Laden ein mehr oder minder fremder Verkäufer berät. Dann war da das Problem mit der sagenhaften Haltbarkeit der Kistchen. Wenn die ewig hielten, dann musste ab einer gewissen Marktsättigung zwangsläufig Stagnation eintreten. Und so entwickelte sich der einstige Frischhaltedosen-Fabrikant zum Küchenvollsortimenter, spezialisiert darauf, Menschen davon zu überzeugen, auch Dinge zu brauchen, von denen sie noch nie zuvor gehört hatten.

Jetzt ist bald wohl Schluss. Der Plastikgigant steuert, wie zu hören ist, geradewegs auf den Konkurs zu. Und der Generation Golf wird nach 'Wetten, dass...' eine weitere Ikone der Kindheit genommen. "Ganze Familien könnten ihren sozialen Kitt verlieren", so wird bereits gebarmt. Mal ehrlich: Eine Familie, deren sozialer Kitt droht abhanden zu kommen, bloß weil es keine Tupperware mehr zu kaufen geben könnte, hat ganz andere Probleme und sollte sich dringend professionelle Hilfe suchen.

Doch gibt es Trost. 'Tupperdose' ist in der deutschen Sprache längst etabliert als Sammelbegriff für Aufbewahrungsboxen aus Kunststoff, auch von anderen Herstellern. Ein Portemanteau wie 'Tempo(s)' für Papiertaschentücher, 'Tesafilm' für Klebeband oder 'Legosteine' bzw. 'Legos' für Klemmbausteine aus Plastik. Siehe, die Tupperware, sie mag vom Antlitz der Erde verschwinden, die Tupperdose aber, sie wird ewig leben im deutschen Wortschatz. Wenn das kein spätes Osterwunder ist. Halleluja!







9 Kommentare :

  1. Direktvertrieb (meist mit Pyramidensystem): Wenn Freunde und Bekannte zu Kunden werden...

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  2. Lang haltbar ist das Zeug allerdings - wir haben einen Mehlbehälter aus den 70ern (was auch an der etwas schrillen Farbe zu erkennen ist), der bis heute hält. Nur der Deckel ging mal flöten, also wird der Behälter für was anderes verwendet.

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    1. Hält ewig, aber Essen kommt mir da nicht mehr rein, als formschönes Gefäß für Spülmaschinenpulver steht hier eine original 70er-orangefarbene Riesendose. Aus was sind die Dinger? Weltraumforschungsplastik?

      Gruß Magda

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  3. ... ich kenne die Details ja nun nicht, würde allerdings vermuten, dass hier mal wieder ein (ehemals innovativer) Hersteller an asiatischen Billigplagiaten scheitert.
    BTW: ist schon aufgefallen, dass gefühlte 50 Prozent der Aldifilialen mit schnell drehenden Billig-Nonfood-Artikeln gefüllt sind, wegen deren Erwerb man damals ins Kaufhaus in der Stadtmitte ging?
    Das Kaufhaus hatte für diese Dinge ne Extraabteilung — 12 Monate im Jahr konnte man das da kaufen — die Tuperwareplagiate und die Gartensachen, Fahrradsachen und Fitnesssachen gibts bei Aldi und Konsorten immer nur zum passenden Zeitpunkt zum günstiege Preis und danach nicht mehr ...

    Gruß
    Jens

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  4. Das sinnloseste Tupper-Dings in unserem Haushalt war: eine Bananen-Box. Natürlich gelb und irgendwie gebogen und es passte eine Banane rein. Warum? Man weiß es nicht. Vielleicht weil manche Menschen Bananen schälen und dann, ihrer natürlich Hülle beraubt, in eine Plastik-Hülle legen? Wir hatten mehrere davon, und ja, sie flogen einem immer aus dem Schrank entgegen, wenn man ihn aufmachte. Irgendwann kamen sie uns abhanden, und immerhin: Es hatte keine Auswirkungen auf den sozialen Kitt in der Familie …

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    1. So ein Teil hatte eine ehemalige Kollegin auch. Sie meinte, das bewahre ihre Pausenbanane davor, in ihrer riesigen Handtasche zerquetscht zu werden. Aha.

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    2. Klappt tatsächlich gut, nicht nur bei Handtaschen, auch in Schulrucksäcken überlebt die Banane so - auch unter allen Heften und Büchern... unsere Box ist aber keine Tupper.

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  5. Meine Meinung: Mit dem Reiskocher wird der Reis tatsächlich schmackhafter!
    Die meisten Reiskocher sind jedoch viel zu gross dimensioniert für einen Zweipersonenhaushalt. Ich habe nun einen idealen Reiskocher für bis drei Personen gefunden und gekauft: Steba Mini-Reiskocher. Meine Frau und ich sind begeistert von dem Ding.

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  6. Zoodle - Schneider: Bildungslücke geschlossen. You made my day. - Wissen, das die Welt nicht braucht.

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