Samstag, 13. Mai 2023

Schmähkritik des Tages (66)


Heute: Bernhard Torsch über den Kampf der Rechten gegen angebliche 'Frühsexualisierung'
 
"Lange hatten rechte und rechtsextreme Kräfte nach einem Thema gesucht, mit dem sie die gesellschaftliche Liberalisierung skandalisieren können - in der herbeiphantasierten »Frühsexualisierung« unschuldiger Kinderlein haben sie es gefunden. Das Geraune von der »Frühsexualisierung« entpuppt sich oftmals als projektiver Ausdruck der eigenen Phantasien. An einer Lesung von Männern und Frauen in Drag vor Kindern ist objektiv nichts sexuell oder gar erotisch. Kinder ab vier Jahren, an die sich die Münchner Lesung richten sollte, betrachten Trans-Personen nicht mit der verklemmten Geilheit erwachsener rechter Politiker, sondern eben mit Kinderaugen.

Was die Rechten in Wahrheit ablehnen, ist nicht die »Frühsexualisierung« von Kindern, sondern die Normalisierung und Akzeptanz gesellschaftlicher Minderheiten dadurch, dass Kinder Vielfalt früh und angstfrei erleben. Wer als Kind erlebt, wie eine Drag Queen spannende und schöne Geschichten vorliest, wird später vielleicht weniger anfällig dafür sein, Menschen in Drag zu fürchten. Wo keine Furcht, da kein Hass, und wo kein Hass, da kein Erfolg minderheitenfeindlicher Demagogie." (jungle World, 11.05.2023)


Anmerkung: Wie immer, kann man auch hier versuchen, das Positive zu sehen. Offenbar haben Teile des bürgerlichen Konservatismus inhaltlich inzwischen so wenig Themen, dass sie auf die Kulturkampf-Schiene einbiegen müssen, um überhaupt noch was zu sagen zu haben. Also Schutz der Kinder vor der Indoktrination durch die Globohomo-Weltverschwörung. Von Putin, De Santis und Orbán lernen, heißt siegen lernen! Da ist es dann nicht mehr weit zur ‚globalistischen Agenda‘, mit der - zwinker, zwinker - Manweißschonwer Kinderherzen vergiften will, um die traditionelle Familie auszulöschen.

Und natürlich ist allen an so was beteiligten sonnenklar, dass sie mit solchen Aktionen Zielmarkierer für rechtsbraune Horden sind, die dann mit Morddrohungen und Gewaltphantasien zur Stelle sind. Ließ sich kürzlich erst studieren an der Kindergarten-Aktion des Ex-JU-Vorsitzenden Tilman Kuban, der im Geiste vermutlich noch nie jünger war als 60. Pardon, aber wer mir im Jahr 2023 erzählen will, das sei ein Versehen gewesen und man habe gar nicht gewusst, was das auslöst, soll bitte jemand anderen verarschen gehen.

(Fun fact: Die Lesung in der Münchner Stadtbibliothek war eine freiwillige Veranstaltung, zu der niemand gezwungen wurde. Aber wen interessieren schon lästige Details?)

Zumal Torsch hier völlig recht hat. Der Anblick einer Drag Queen bzw. eines Drag Kings ist für halbwegs unverplemmte Kinder in der Regel nichts Furchterregendes oder Ekliges, sondern vor allem etwas Buntes und Exotisches. Ein bisschen wie Karneval. Die Angst davor muss ihnen erst beigebracht und als 'natürlich' geframt werden. (Merke: Menschen, die keine Angst haben, sind schwerer manipulierbar.) Perfid, wie so oft bei Rechtskonservativen, die Doppelmoral dahinter. Liegt die eigentliche 'Frühsexualisierung' nicht gerade darin, dass Erwachsene kindliche Wahrnehmung derartig mit Sexuellem aufladen, dass sie befürchten, Kinder könnten allein durch den bloßen Anblick queerer Menschen bereits vom rechten Wege abkommen?

Die Kinder erscheinen permanent bedroht durch seltsame Gestalten von außen, vor denen sie beschützt werden müssen. Zu unserer Zeit waren das unter anderem Einflüsterungen (angeblich) linksextremer Lehrer und Sozialarbeiter und der 'Böse Onkel', der uns am Spielplatz auflauerte, um sich an uns zu vergehen, die Familie war heilig. (Nun ist Kindesmissbrauch durch Fremde natürlich keineswegs zu verharmlosen, aber man sollte schon erwähnen, dass die meisten Fälle von Kindesmissbrauch im sozialen Nahfeld passieren und durch Vertrauenspersonen verübt werden.)

Es geht nicht allein um das Bekämpfen von Vielfalt. Es geht darum, unter dem verlogenen Rubrum des 'Kinderschutzes' ein antimodernes, reaktionäres Familienbild von der Familie als Bollwerk aufrecht zu erhalten bzw. wieder zu etablieren. Dann kann man endlich wieder jene sanktionieren und ausgrenzen, die da aus der Reihe tanzen.






4 Kommentare :

  1. Fürs Protokoll:
    Als neuerdings 61jähriger verwahre ich mich heftig gegen den Anwurf, aufgrund meines Alters mit dieser schwafelnden Fleischkässemmel vom Amigonachwuchs irgend etwas oberhalb der biologischen Grundlagen gemein zu haben, und schon gar nicht irgend welche Geistesinhalte (sofern der Mann so etwas besitzen sollte).

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  2. Guten Tag,
    zu der Kindergartenaktion von Herrn Kuban gibt es doch nur zwei mögliche Ursachen:
    a. der Mann ist unglaublich doof — im Wortsinne ein sehr dummer Mensch.
    b. der Mann ist eine rechte Drecksau, die jeden mit anderer Meinung sofort verunglimpft.

    Gruß
    Jens

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    1. Ich glaube, es ist noch viel schlimmer. Diese Leute scheinen in ihrer grenzenlosen Selbstüberschätzung zu meinen, sie könnten die Rechten irgendwie einhegen und kontrollieren. Das hat bei Hugenberg/Papen et al. schon einmal hervorragend funktioniert.

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  3. "Rechte einhegen" ... habe vergangenen Donnerstag eine solche Diskussion gehabt: Ex CDU, jetzt Impfgegner, Esoteriker, Ausländerhasser, Querdenker-Demo-Organisator. Irgendwann fiel dann das Wort Schlafschafe. Die sind für die Demokratie verloren — definitiv!

    Gruß
    Jens

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