Dienstag, 21. Januar 2025

Schwierige Zeiten


"Es sind keine dunklen Zeiten. Es sind schwierige Zeiten." (Margrethe Vestager)

Vielleicht ist dieser 20. Januar 2021, der Tag der neuerlichen Vereidigung Donald Trumps, der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung, die am 9. September 2016 begonnen hat. Bis dahin war das Rennen zwischen Trump und Hillary Clinton einigermaßen offen. An jenem 9. September aber hat Hillary Clinton auf einer Wahlkampfveranstaltung der Demokraten Teile von Trumps Wählerschaft als "basket of deplorables" bezeichnet, frei übersetzt einen "Sack voll Abgehängter/Überflüssiger". Das war vermutlich der Tag, der Trump ins Amt brachte. Trump hatte begriffen, was Clinton vielleicht noch nicht verstanden hatte: Wie fundamental der Wandel im US-amerikanischen Parteigefüge war. 

Seit dem Bürgerkrieg waren die Republikaner immer die Partei der reichen gebildeten Eliten, während die Demokraten eher auf Seiten der Arbeiterklasse und der Minderheiten standen. Das hat sich während der letzten Jahrzehnte grundlegend geändert. Nachdem Reagan die bis dahin eher unpolitischen evangelikalen Christen für die GOP mobilisierte, gelang es Trump 2016, die Arbeiter und Teile der Minderheiten für sich zu gewinnen (nicht zuletzt dank Hillary Clintons Diktum). Den Demokraten bieiben die liberalen Eliten an den Küsten und der großer Teil der Kulturszene. Wie wenig politisches Gewicht deren Prominenz wirklich hat, ließ sich am deutlichen Ausgang der Präsidentschaftswahl ablesen.

Und dass die Silicon Valley-Aristokraten zu den liberalen Eliten gehören, dürfte sich auch erledigt haben. Ebenso das Vertrauen in die oft bemühten Selbstreinigungskräfte des Systems:

"Trump wurde beim ersten Mal, 2016, ordentlich gewählt und er wurde jetzt sogar mit Mehrheit ordentlich gewählt. Aber dass er noch einmal antreten durfte, obwohl er Gesetze gebrochen und einen Angriff auf das Parlament angestachelt und hinterher entschuldigt hat, darin liegt ein Elitenversagen. [...] Es hätte nur eine Verurteilung im Senat gebraucht, 67 Stimmen, statt der 57, die es wurden, um im Impeachment-Verfahren dafür zu sorgen, dass er nie wieder für ein öffentliches Amt kandidieren kann. Zehn Republikaner mehr hätten dem Spuk ein Ende machen können." (Jonas Schaible)


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Und bei uns so? Seit Kohl haben die Bürgerlich-Konservativen sich mit dem neoliberalen Kapitalismus verbündet, die nicht nur bürgerliche Linke hat daraufhin aufgehört, Klassenfragen zu stellen, sich mit den privilegierten ('woken'), im Kern erzbourgeoisen Neopuritanern verbündet und zerfleischt sich lieber über Unisex-Toiletten und propagiert feministische Außenpolitik (wogegen ich übrigens gar nichts habe, wenn man sie einfach machen würde, anstatt nur davon zu reden). Die Folge: Wer Konservative und Sozialdemokraten wählt, bekommt bloß Neoliberalismus in verschiedenen Schärfegraden. In dieses Vakuum stoßen die Rechten seit einigen Jahren mitten hinein. Haben sowohl Patriotismus und Tradition (rechts/konservativ) als auch Freiheit (links) gekapert. 

(Kleines fun fact am Rande: Wo Linke sich wirklich um die Probleme der Menschen kümmern -- und das ist zuvörderst gar nicht mal Sorge wegen Migration, sondern bezahlbarer Wohnraum und andere Grundbedürfnisse -- ist sie auch erfolgreich, wie die KPÖ in Österreich vormacht.) 

Hinzu kommt: Jetzt, da die letzten, die den zweiten Weltkrieg und die NS-Zeit bewusst mitbekommen haben, von der Bühne abtreten, verblasst auch der Schrecken der Nazizeit. Sie taugt nicht mehr zum Popanz oder zur Abschreckung. So gab es bis vor einiger Zeit genügend die sagten, mögen die Probleme noch so groß sein, ist das absolut keine Rechtfertigung, sein Kreuz bei einer Partei zu machen, die offen mit Neonazis herumkuschelt bzw. welche in ihren Reihen hat. 

Was immer jetzt zu tun ist, eines wäre völliger Quatsch: Mehr Populismus wagen. Die Rechten auf ihrem eigenen Spielfeld schlagen wollen. Wer das tut, unterschreibt sein politisches Todesurteil. Das funktioniert nicht, weil man rechts die Strategie des Outcrazying perfektioniert hat: Egal, was der Gegner Verrücktes macht, man wird immer noch verrückter sein und von den Fans dafür gefeiert werden. Clinton hat 2016 ihr "deplorables"-Ausrutscher vielleicht die Wahl gekostet. Das mag arrogant und ignorant gewesen sein. Trump hat gefallene Soldaten und Veteranen "suckers and losers" ("Trottel und Verlierer") genannt, für einen US-Spitzenpolitiker bis dahin undenkbar, und es hat ihm nicht weiter geschadet. Mit Logik braucht man da nicht zu kommen

Wahrlich, wir leben in schwierigen Zeiten!





1 Kommentar :

  1. Danke für diesen guten Text. Nicht, dass er mir irgendwie Mut machen würde, aber dafür wurde er ja wohl auch nicht geschrieben. Immerhin hat er mich dazu gebracht, noch einmal darüber nachzudenken, ob ich in einem Monat nicht vielleicht doch wählen gehen sollte. Obwohl es ja eigentlich Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

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