Freitag, 3. Juli 2020

Programmatik, nostalgisch


Wem ein wenig nach Nostalgie ist, dem sei die Lektüre des Erfurter Programms der SPD von 1891 hiermit anempfohlen. Keine Sorge, es dauert nicht lange. Wer es liest, begreift auf einmal, wieso diese Spezialdemokratie einst eine geachtete, von einigen geradezu gefürchtete Partei war.

Diese kraftvollen Worte! Diese glasklaren Forderungen! Überhaupt, diese Klarheit in der Sprache! Sätze wie geschmiedet. Vor allem aber diese genau richtige Ansprache der Arbeiter (die oft gerade mal lesen und schreiben konnten): Kein paternalistisches Betütern, keine verschwurbelte Herrschafts- aber auch keine ('einfache') Quasi-Kindersprache. Und wie kurz das war! Konnte sich noch der müdeste Malocher nach Feierabend draufschaffen. Kein Zweifel, hier waren echte Könner am Werk.

Dienstag, 30. Juni 2020

Privilegien checken


Jajaja, ich weiß, derartige Videos werden auch gern genommen, um Panik zu machen über die Schrecken des PC-Regimes in der linksgündurchgegenderten NWO und dagegen zu agitieren. Ist mir aber egal. Denn ich finde, das hat durchaus eine gewisse Aktualität, angesichts des grassierenden, unhinterfragten Ikonoklasmus, der inzwischen kindische Züge annimmt (PoC-Charaktere bei den 'Simpsons' werden jetzt von PoC synchronisiert, die bisherigen Sprecher gefeuert, Johnny Depp darf nicht mehr bei 'Fluch der Karibik' mitmachen - einer Filmreihe übrigens, die mir egaler kaum sein könnte - weil er beschuldigt wird, gegen seine Ex-Frau gewalttätig geworden zu dein, obwohl einiges darauf hindeutet, dass es genau umgekehrt war etc.).

Montag, 29. Juni 2020

Eins, zwei, Polizei


"Man kann übrigens gleichzeitig gegen den Text und gegen dessen Verbot sein. Möge schlichteren Gemütern der Kopf implodieren." (Robert von Cube)

Weil der 'Social' Media-Pöbel als Reaktion auf diese taz-Kolumne exakt das macht, was er als einziges wirklich beherrscht und gelernt hat im ganzen verpfuschten Leben, beleidigen, Gewalt androhen und einschüchtern nämlich, und zwar nicht nur die Autor*n der Kolumne, habe die taz-Redaktion sich jetzt gezwungen gesehen, Kontakt zur Polizei aufzunehmen und um Unterstützung zu bitten, wie es heißt. Womit sie im übrigen nichts weniger tut als das, was ein verantwortungsvoller Arbeit-/Auftraggeber in so einem Fall zu tun hat.

Samstag, 27. Juni 2020

Der Müll, die Stadt und die Polizei


Ein Versuch in v Teilen.

i. Der Müll

Noch jemand keine Tube Sempf draufgegeben auf die Causa taz/Yaghoobifarah vs. Seehofer? Mag ich eigentlich gar nicht tun, aber ein, zwei Aspekte kommen mir einfach zu kurz. Zum einen sollte man lobend erwähnen, dass die heftig umstrittene Kolumne in der taz für den feministischen Diskurs geradezu ein Quantensprung in Differenziertheit ist. Erinnern wir uns, dass noch im August 2018 Sibel Schick alle Männer rundheraus als Müll bezeichnete. Und jetzt, keine zwei Jahre später, engt Hengameh Yaghoobifarah den Blick so weit ein, dass sie zu dem Schluss kommt, die Polizei gehöre auf den Müll. Das betrifft rein zahlenmäßig schon mal deutlich weniger.

Mittwoch, 24. Juni 2020

Not a bug


Der 'Skandal' um Großabstecher und -zersäbler Tönnies ist nicht Ursache, sondern bloß Symptom

Wie Globalisierung funktioniert, wurde mir mal während der Neunziger klar, als ich als Student in einer Druckerei jobbte. Jeden Mittwochabend, kurz vor Feierabend, kam ein Vierzigtonner auf den Hof mit den Werbebeilagen eines großen Verbrauchermarktes. Jedes Mal 11 bis 13 Paletten, vor Weihnachten schon mal bis zu 15. Die wurden immer dem Gratis-Anzeigenblatt beigelegt, das freitagnachts gedruckt wurde. Zwar ist Abladen Aufgabe des Fahrers, doch die Paletten mussten noch in den Korridor gefummelt werden. Dort wurden sie zwischengelagert, damit man sie nicht extra aus dem Lager holen musste. Eine lästige Arbeit, denn eigentlich war man im Geiste schon zu Hause. Manchmal verspätete sich die Lieferung, dann hieß es warten.

Sonntag, 21. Juni 2020

Jenseits der Blogroll - 06/2020


Mit Anbruch des letzten Drittels des Monats wird es wie immer Zeit für die allmonatliche Link-Sammlung. Kurz in eigener Sache: Einigen ist bereits aufgefallen, dass es rechts unten eine neue Rubrik gibt mit einigen YouTube-Kanälen, die mir gefallen und bei denen ich regelmäßig vorbeischaue. FB goes Web 2.0 – endlich! Es ist auch beabsichtigt, die Liste auszuweiten. Nur gibt es bei einigen Kanälen leider Probleme mit dem RSS-Feed, sodass welche, in denen neue Videos erschienen sind, nicht automatisch nach oben rücken. Ich arbeite dran.

Donnerstag, 18. Juni 2020

Schmähkritik des Tages (39)


Heute: Der Bücheronkel über den Beitrag 'Corona-Panikmache – Die Hintergründe'

Vorbemerkung: Die hier öfter vorbeischauen, wissen, dass in dieser Rubrik normalerweise ein Zitat vorangestellt wird, das sich mit irgendwas irgendwie kritisch und/oder humorvoll auseinandersetzt. Dazu gebe ich dann in Form einer Anmerkung mehr oder minder Senf von meiner Seite dazu. Das ist heute anders. Ich bin da nämlich auf einen Beitrag gestoßen von einer gewissen BeaTe. Auf dem Portal bewusstseinsreise.net klärt sie die Welt über die wahren Hintergründe der, wie sie es nennt, 'Corona-Panikmache' auf. Als ich das las, dachte ich: Boah! Dem wird man schriftlich doch gar nicht gerecht! Da müsste man doch… ein Video müsste man da doch… müsste man da... Und  wie‘s nun der Beelzebub will, hat Frank Schmelzer alias 'Der Bücheronkel' das bereits erledigt:

Montag, 15. Juni 2020

Too much love


Letztens gab ich schon mal meiner Sorge Ausdruck, dass auch ich ganz bald schon so ein Alter Weißer Mann werden könnte. Verknöchert und verhärtet. Der glaubt, alles schon gesehen zu haben, alles zu wissen. Nur mehr vor dem Computer hängt und ellenlange Hasspostings tippt, es der verpeilten Jugend mal so richtig zu zeigen. Gibt so Momente, da flackert das mitunter auch bei mir auf. Zum Beispiel dann, wenn ich mit diversen Phänomenen von Identitätspolitik im weitesten Sinne konfrontiert bin.

Samstag, 13. Juni 2020

Gegenaufklärung im Biomarkt


Gegen ökologischen Landbau und dessen Erzeugnisse ist nichts zu sagen. Auch ich konsumiere zum Teil bio, wenngleich nicht aus ethischen, denn aus pragmatischen und kulinarischen Gründen. Mich interessiert vor allem, ob es besser schmeckt, und das tut es oft. Ist pure Physik. Ein Koch verriet mir mal den Trick, bei Gemüse immer nach möglichst kleinen Exemplaren Ausschau zu halten, denn die schmeckten konzentrierter. Bei ertragsoptimierten, gedopten Großgemüse bestünde das zusätzliche Volumen nur aus Wasser. Ein Prinzip, das auch jeder Winzer kennt, der aus Qualitätsgründen seine Reben zurückschneidet. Dass die sprichwörtliche schrumpelige Bio-Möhre oder der deutlich kleinere Bio-Apfel besser schmecken, ist also keine Esoterik.

Mittwoch, 10. Juni 2020

Ronny des Monats - Juni 2020


Wenn man mag, dann kann man auch der momentanen Situation Positives abgewinnen. So könnte man beispielsweise sagen, das zunehmend hysterische Fingerzeigen diverse Rechter ("Die Antifa! Die Antifa!") sei ein einigermaßen sicheres Zeichen dafür, dass es vermehrt Gegenwind gibt für sie und sie nicht mehr nach Belieben die Deutungshoheit beanspruchen können. Wobei das natürlich mit Vorsicht zu genießen ist: Die momentan niedrigen Umfragewerte für die AfD haben auch damit zu tun, dass gerade in ihrem Sinne Politik gemacht wird: Grenzen dicht und die einzig wohlgelittenen Ausländer sind die Ernteheloten auf unseren Feldern.