Freitag, 3. November 2023

Vermischtes und Zeugs (LXVI)


Dass sich bei uns auch ein Friedrich Merz zur Mittelschicht zählt, ohne schallend ausgelacht zu werden, liegt unter anderem an der höchst schwammigen Definition des Begriffes. Zur Mittelschicht könnte man grob all jene zählen, die die für ihren Lebensunterhalt nötigen Mittel überwiegend aus durch Arbeits-, Werk- und Dienstverträge geregelter selbstständiger oder nichtselbstständiger Tätigkeit beziehen (müssen), aus der sie wiederum so viele Einnahmen generieren, dass noch irgendeine Form von Vermögensaufbau möglich ist. Umkehrschluss: Wer am Ende des Monats keinen Cent übrig hat, ist so wenig Mittelschicht wie einer, der so viel hat, dass er von heute auf morgen das Erwerbsarbeiten komplett sein lassen könnte, ohne sich irgendwo einschränken zu müssen.

Donnerstag, 2. November 2023

Fast fertig


Was 1989 bei der IBA Emscherpark erstmals vorgestellt wurde, der ökologische Rückbau und die Renaturierung der Emscher, nähert sich der Vollendung. Hier in der Gegend gibt es seit einigen Monaten das Emscherland, einen hübschen Naturpark um das renaturierte Flüsschen, das für meine Generation noch gleichbedeutend war mit 'stinkender Abwasserkanal'. Wer in Emschernähe wohnen musste, hatte es nicht gut getroffen im Leben. Weil die ursprünglich määandrierende Emscher mit Beginn der Industrialisierung als Kloake genutzt wurde, grassierten bald Seuchen im Emscherbruch. Dann kanalisierte man den Fluss. Die Krankheitsfälle gingen zurück, was allgemein begrüßt wurde. Jetzt lässt sich an den lieblichen Gestaden lustwandeln.

Dienstag, 31. Oktober 2023

Erschlagen

 
Der neue 'Asterix'-Band 'Die weiße Iris' ist mehr als gelungen. Endlich!

Seitdem ich die 'Asterix'-Renaissance hier begleite, bin ich der Meinung, die Geschichte ist nicht das Problem, das Gerede, 'Asterix' sei "ein auserzählter Witz" (Arno Frank) habe ich immer für Blabla gehalten. 'Asterix' hat auch zu Réne Goscinnys Lebzeiten diverse gesellschaftliche Umbrüche verkraftet, eine wilde Zeit wie diese sollte eigentlich genügend Themen liefern. Das Problem trug für mich immer den Namen des Texters Jean-Yves Ferri. Der konnte mit dem ganzen Stoff sichtlich nichts anfangen, verhob sich ein ums andere Mal und machte hanebüchene handwerkliche Schnitzer. Hatte kein Gespür für Timing und Komposition, ihm unterliefen immer wieder derbe Logikfehler (ein aufmerksames Lektorat sollte so was eigentlich im Blick haben und korrigieren).

Sonntag, 29. Oktober 2023

Löchriges

 
Für das weitere Verständnis des folgenden ist es nötig zu wissen, dass ich beim Verrichten gewisser fäkaler Geschäfte gern für mich bin. Der Idee, dass gemeinsames Scheißen, am besten im Freien über einem offenen Erdloch und möglichst viele auf einmal, irgendwie gut für den Zusammenhalt und die seelische Entwicklung sei, habe ich nie viel abgewinnen können. Wenn möglich, suche ich mir Fazilitäten auf, in denen ich meine Ruhe habe. Von fremden Plätscher-, Plumps- und Furzgeräuschen fühle ich mich belästigt, vom Geruch ganz zu schweigen.

Samstag, 28. Oktober 2023

Vermischtes und Zeugs (LXV)


Ärztefortbildungen haben ja so einen gewissen Ruf weg. Auf Kosten eines Pharmaunternehmens ein Wochenende all inclusive im Wellnesshotel, zwischen zwei Golfründchen ein Stündchen Fachvortrag für die Fortbildungspunkte. Nein, nicht beleidigt sein, liebe Weißkittel, ich weiß, dass das Stereotype sind, die mit eurem harten Alltag nix zu tun haben. Andererseits: Lehrer hören sich auch seit Jahrzehnten an, im Prinzip bloß staatlich alimentierte Faultiere zu sein, die zwölf Wochen Urlaub im Jahr haben und wenn gerade keine Ferien sind, vormittags recht und nachmittags frei. Ist auch Quatsch.

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Vanity Fair


Um mich mal selbst zu zitieren. Im März schrub ich über Sahra Wagenknecht:

"Vielleicht ist es hilfreich, sich klar zu machen, dass Sahra Wagenknecht keine Politikerin ist. Also in dem Sinne, dass sie tatsächlich konkret Politik machen will. Sie ist seit Jahren auf eigene Rechnung unterwegs. Als ewige Rebellin bespielt sie Talkshows, schreibt Bücher, hält Vorträge und kuschelt auch mit Rechten. Das Schlimmste, was ihr passieren könnte, wäre wirklich politische Verantwortung übernehmen zu müssen, etwa als Ministerin. Da wäre, wie einst bei Gatte Oskar, der Lack ganz schnell ab und der Job bald futsch. Und damit das auch bloß nicht passiert, hat sie sich ein cleveres Instrumentarium zurecht gelegt. Wann immer die Linke in den letzten Jahren auch nur in die Nähe von Sondierungen für eine Koalition geriet, verlautete aus ihrer Ecke sinngemäß so was:

Sonntag, 22. Oktober 2023

Jenseits der Blogroll - 10/2023

 
Es sind Zeiten, die einen an der Welt verzweifeln lassen. Da tötet eine Organisation, die sich explizit die völlige Auslöschung der Juden aufs Tapet geschrieben hat ("From the river to the sea"), über 1000 israelische Juden, und alles, was welchen, die ihren Zynismus vermutlich mit Abgeklärtheit verwechseln, dazu einfällt, ist: "Ja, aber die Israelis..." Es gab im 20. Jahrhundert schon einmal jemanden, der mehrfach ganz offen die Vernichtung der Juden in Europa als sein politisches Ziel verkündete. Damals soll in einigen Kreisen sehr gelacht worden sein. "Haha, wie soll das denn gehen? Der Komiker mit seinem lustigen Bärtchen wieder! Der macht bestimmt nur Spaß, der kleine Schreihals." Tja, dumm gelaufen, hat doch keinen Spaß gemacht, der Typ mit der Rotzbremse.

Samstag, 21. Oktober 2023

Wieder ganz Ohr


Die von 1993 bis 2004 produzierte, in Deutschland von 1995 bis 2004 ausgestrahlte Serie 'Frasier' bescherte mir einst viele frohe Stunden und belehrte mich Ignoranten darüber, dass Sitcoms mitnichten seichter Quark sein müssen, sondern höchst geistreiches, clever gemachtes Kunsthandwerk sein können. Ich kaufte DVDs, ich besitze sie heute noch.

Donnerstag, 19. Oktober 2023

Vermischtes und Zeugs (LXIV)


Die AfD gibt gerade eine allererste Kostprobe ihrer Regierungskunst: Hannes Loth, Bürgermeister von Sonneberg und erster AfD-Bürgermeister überhaupt, hatte im Wahlkampf kostenlose Kitas versprochen. Jetzt wurde ruchbar, dass die Kita-Gebühren in Sonneberg um 60 Prozent steigen werden. Auch weitere groß angekündigte Investitionen wie Sanierung von Feuerwehrhäusern und großzügige finanzielle Unterstützung von Vereinen fallen aus. Loths Begründung: "Rein finanziell sind wir pleite".

Sonntag, 15. Oktober 2023

Vorlesungen, Chuzpe, Lippenbekenntnisse

 
Dass ich die einst durchaus respektablen Nachdenkseiten schön länger nur mehr am Rande verfolge, sollte bekannt sein. Ich habe den Feed nach wie vor im Reader, aber meistens vergeht mir schon bei den reißerischen Überschriften die Lust aufs Weiterlesen. Jetzt aber stieß ich auf das Lesestück eines gewissen Jürgen Hübschen, das sogar für NDS-Maßstäbe ein Tiefpunkt ist. (Wer Hübschen so ist und was er so macht, erfahren wir übrigens nicht. Wer weiß, vielleicht ist er ja ein "ausgewiesener Nahost-Experte" oder hat sich "lange intensiv mit der Thematik befasst".) Schauen wir uns ein paar Schlüsselstellen seines Aufsatzes mit dem Titel 'Der neue Krieg in Nahost: Eine vorhersehbare Katastrophe' einmal genauer an: