Sonntag, 29. Oktober 2023

Löchriges

 
Für das weitere Verständnis des folgenden ist es nötig zu wissen, dass ich beim Verrichten gewisser fäkaler Geschäfte gern für mich bin. Der Idee, dass gemeinsames Scheißen, am besten im Freien über einem offenen Erdloch und möglichst viele auf einmal, irgendwie gut für den Zusammenhalt und die seelische Entwicklung sei, habe ich nie viel abgewinnen können. Wenn möglich, suche ich mir Fazilitäten auf, in denen ich meine Ruhe habe. Von fremden Plätscher-, Plumps- und Furzgeräuschen fühle ich mich belästigt, vom Geruch ganz zu schweigen.

Noch mehr zuwider sind mir welche, die zu mehreren scheißen gehen und sich dann auch noch darüber austauschen müssen. "Ahhh, herrlich!" (knatter, koffer, pladder) "Mal wieder richtig schön einen abseilen!", "Jau," (mocker, pup, stink) "gibt nix schöneres, ne?"

Tiefenpsychologisch Versierte werden da jetzt vielleicht Gott weiß was bei mir diagnostizieren, aber ich stehe im fünften Lebensjahrzehnt, da wird mir sowas zunehmend egaler. Ist ja auch nicht so, dass ich dann nicht könnte, aber ich fühle mich nun einmal wohler, wenn ich das Gefühl von Privatsphäre habe. Und wenn ich die Wahl habe, dann entscheide ich mich fürs Wohlfühlen, so einfach.

Und so war ich vor Jahrzehnten hoch erfreut, an der Massenveranstaltung namens Universität ein wahrhaft stilles Örtchen aufgetan zu haben, auf das sich außer mir nur sehr selten jemand verirrte. Lag vielleicht daran, dass das in einer Ecke der Bibliothek gelegen war, die nur von jenen aufgesucht wurde, die es ernst meinten mit dem Studieren. Zwar war der Weg dorthin lang, aber normalerweise war das kein Problem. Einmal jedoch, da pressierte es. Ein pikantes Chili con Carne vom Vortag forderte seinen Tribut. Es pressierte dergestalt, dass ein Fünfmarkstück, hätte ich eines in der Kimme gehabt, wohl die Prägung verloren hätte.

Da also kein Zaudern galt, suchte ich notgedrungen und versammelten, gleichwohl schnellen Schrittes die nahe gelegene Großentsorgungsanlage im Hörsaalzentrum auf. Und wie ich, gerade noch rechtzeitig auf einer Brille gelandet, fürs erste durch war (arglose Passanten mögen sich gefragt haben, ob wohl eine Gewitterfront aufzöge), hielt jenes Gefühl aus Leichtigkeit und Muße Einzug bei mir, das einen sich mal umschauen lässt in der Lokalität.

Blick nach links: sauber ausgefrästes Loch in der Trennwand, paar Zentimeter Durchmesser, etwa Genitalhöhe.

Blick nach rechts: Dito. 

Seltsam.

Nun war ich als argloses Provinzlandei mit vielem nicht recht vertraut, aber als ich gewahr wurde dass die Wände übersät waren mit teils höchst detaillierten, teils bebilderten homophilen Kontaktanzeigen, da dämmerte es mir, dass die ominösen Löcher vermutlich nicht allein der besseren Luftzirkulation dienten. Also erstmal reichlich Klopapier reingestopft. Sicher ist sicher, der kluge Mann baut vor.

Später in der Cafeteria berichtete ich davon. Meine Schilderung sorgte bei einem schwulen Kommilitonen für große Heiterkeit. Er klärte mich ignorante Klemmhete auf, dass der Fachbegriff für solche Vorrichtungen Glory Hole lautete, die Dinger anonymen Sexualkontakten dienten und dass genau diese Toilette in vielen einschlägigen Magazinen als entsprechender Treffpunkt gehandelt würde. Woraufhin ich entgegnete, woher ich das denn bitte wissen solle, da ich dergleichen Fachliteratur schließlich nicht läse und außerdem nicht gern das Gefühl hätte, Menschen beim Spaßhaben zu stören.

Warum ich das alles erzähle? Diese launige Episode kam mir in den Sinn, als ich las, dass an der Uni Augsburg jüngst die offizielle Einrichtung solcher Löcher im Hörsaalzentrum gefordert wurde.

„Auf dem Modularfestival wurde sich an der Wünschewand des AStA zehn mal ein Gloryhole im Hörsaalzentrum gewünscht. Dieser Wunsch wurde am häufigsten (!) gelistet. Somit sehen wir es als Imperativ, diesen Wunsch in der Studierendenvertretung zu beschließen. Ein Gloryhole würde zur Diversifizierung am Campus beitragen, da Kink so auch an der Uni er- beziehungsweise gelebt werden könnte. Außerdem kann Sex eine entspannende Tätigkeit sein, was im oft anstrengenden Universitätsalltag sehr sinnvoll sein kann. Die damit verbundene Stressreduktion würde für eine positivere Arbeitsatmosphäre auf dem Campus sorgen. Zusätzlich würden fremde Menschen zusammen kommen, um einen gemeinsamen Erlebnis- und Lebensraum zu schaffen und sich auf einer dem Alltag fernen Ebene verbinden. Diese Form der Verbindung kann zu einem besseren Verständnis verschiedener Körper(lichkeiten) sorgen und auch empowernd wirken, in dem der eigene Körper nicht nur als Grenz- sondern auch als Möglichkeitenraum erlebt werden kann. Das Erbauen der Gloryholes erlaubt es der Universität, sich als heteronormativitätskritischen Raum zu verstehen zu geben, da Kink als nicht heteronormative Praxis zu verstehen ist. Diese deutliche queere Positionerung würde Potentiale für die verbesserte Teilhabe am Universitätsalltag von queeren Studierenden entfesseln und damit deren Alltag, das Sicherheitsgefühl sowie das Wohlbefinden ebenjener erhöhen."

Eine - hihi - Nummer für sich, die Begründung. Formulierungen wie "heteronormativitätskritischer Raum", "nicht nur als Grenz- sondern auch als Möglichkeitenraum", "würde Potenziale für die verbesserte Teilhabe am Universitätsalltag ... entfesseln." lassen bereits die künftigen - huhu - Bürokratenärsche erahnen.  Ich vermute ja, die haben das vor allem gemacht, um die RCDS-Fuzzis im AStA zu provozieren. Bei uns damals hieß es - siehe oben - noch: Selbst ist der Mann.










6 Kommentare :

  1. .... ähm — wie soll denn da der Ablauf bei der Nutzung sein?
    Ich geh da rein, und fummel meinen Penis durch das Loch und warte bis jemand nebenan anfängt dran zu lutschen?

    Ratlos
    Jens

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    1. Oder sich sonstwie dran zu schaffen macht (vgl. 'Irina Palm'). Ich denke, so muss man sich das wohl vorstellen.

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    2. Versteh ich auch nicht: welchen Gewinn hätte der anonyme andere (der die 'Irina Palm'-Rolle einnimmt) bei dieser Nummer?

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  2. ... "Spooky Hole" ...

    Gruß
    Jens

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  3. > Ich vermute ja, die haben das vor allem gemacht, um die RCDS-Fuzzis im AStA zu provozieren.

    Das denke ich auch. Außerdem scheint mir offensichtlich, dass man sich mit der Aktion über die eigene Bubble lustig macht.

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    1. "RCDS-Fuzzis im AStA zu provozieren."
      Aha — und deshalb begebe ich mich als angehender Akademiker auf das Kaka-Fikkifikki-Abspritz-Niveau?

      Mannmannmann.
      Gruß
      Jens

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