Montag, 3. August 2015

In der Nudgokratie


Mein ehemaliger Adoptivhund, ein freundlicher Boxer, hatte mich schnell durchschaut. Er wusste, dass ich morgens nach dem Aufstehen meist noch einen Moment auf der Bettkante sitzen bleibe. Genau dann kam er, drängelte sich sanft zwischen meine Beine und setzte sich, den Rücken zu mir, vor mich auf den Boden. Wink mit dem Zaunpfahl: Ausgiebig kraulen bitte, sonst kommst du hier nicht weg, Kollege. Kein Zweifel, das Tier hatte begriffen, was Nudging ist. Hunde können das eh gut. Ein sozialisierter Hund weiß, dass er nicht in der Position ist, Befehle zu erteilen, also versucht er, auf die nette Tour seinen Willen zu kriegen. Etwa, indem er mit seinem Spielzeug im Maul ankommt und einen vorsichtig anstupst oder so.

Samstag, 1. August 2015

Reiseimpressionen (5)


TraumWerk, Anger


Längst nicht allen, die gern ihrem Stolz auf deutsche Wertarbeit Ausdruck verleihen, oft, ohne je selbst einen Handschlag dafür getan zu haben, ist bewusst, dass die Familie Porsche mitnichten aus Deutschland, sondern aus Österreich stammt. Auch die Familie Piëch haust hier in der Gegend. Gut, wir wollen nicht pingelig sein. Als der alte Ferdinand Porsche noch im Auftrag des Gröfaz KdF-Wagen und Panzer entwarf, war er zwangsläufig Deutscher, weil der Staat Österreich da gerade Pause hatte, aber das nur am Rande. Ist zwar unwichtig, mag aber die Frage beantworten, warum der Porsche-Spross Hans-Peter ausgerechnet in Anger bei Ainring ein Privatmuseum namens TraumWerk errichtet hat (man beachte übrigens die originelle Binnenmajuskel - ich sag's ja, Profis eben).

Freitag, 31. Juli 2015

Reiseimpressionen (4)


Rupertus-Therme, Bad Reichenhall

Die Gegend hier nennt sich Rupertiwinkel. Diese alte, auf den heiligen Rupert bzw. Rupertus zurück gehende Bezeichnung wurde irgendwann für das Tourismusmarketing entdeckt. Alleinstellungsmerkmal, Baby! Daher bekommt hier so ziemlich alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist oder sich mit Händen und Füßen wehrt, das Präfix 'Rupertus-' bzw. 'Ruperti-' vorn dran getackert.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Reiseimpressionen (3)


Vorder- und Rückseiten

Eigentlich gibt es einiges, das die Altstadt von Salzburg für mich zu einem höchst unsympathischen Fleckchen Erde machen müsste. Fängt damit an, dass hier zu Festspielzeiten einer der größten Promi- Wichtig- und Adabei-Auftriebe des Planeten herrscht. Geht damit weiter, dass die Weltkulturerbe-Altstadt vielerorts aussieht wie ein auf Hochglanz poliertes Touristen-Disneyland. Und ist mit Phänomenen wie dem, dass um die proppenvolle Getreidegasse herum an gefühlt 80 Prozent der Lokale und anderen vom Fremdenverkehr lebenden Betrieben 'Nepper, Schlepper, Bauernfänger' als unsichtbare Leuchtschrift zu prangen scheint ("Authentic Austrian/Bavarian food!"), noch lange nicht zu Ende. Außer Venedig und Schloss Neuschwanstein gibt es wohl nur wenige andere Orte, an denen sich solche Touristenmassen, vornehmlich aus Fernost, Italien und den USA, so klischeehaft benehmen wie hier.

Sonntag, 19. Juli 2015

Wir bloggen Food


Ich auch Essen fotofieren! Heute: Vom Einerlei des Frühstückengehens und einer rühmlichen Ausnahme

Frühstücken gehen, geplant und im Rudel (in der Anglizismenhölle auch brunchen genannt) - das Wochenendvergnügen jener Ältergewordenen, deren Schlafbedürfnis oder deren familiäre Verpflichtungen durchfeierte Nächte und ähnliche Exzesse nicht mehr zulassen. Man kann das verspotten als Kaffeekränzchen für junge Spießer, die bloß noch nicht wahrhaben wollen, dass sie welche sind. Ab einem gewissen Alter aber, let's face it, ist so ein gemeinsames Sonntagsfrühstück oft die einzige Möglichkeit, ein paar alte Freunde und Bekannte mal an einen Tisch zu kriegen, denn am Sonntagvormittag haben viele noch am ehesten Zeit, seitdem der sonntägliche Kirchgang eher zum Event einer Minderheit geworden ist.

Montag, 13. Juli 2015

Eine Nacht mit Folgen


Warum leider einiges dafür spricht, dass Europa seit heute offiziell am Arsch ist

Es ist mehr ein Gefühl, und es ist kein gutes. Normalerweise neige ich so wenig zum Unken und Schwarzsehen wie dazu, hier mehr als einen Text pro Tag zu veröffentlichen. Ich versuche normalerweise immer, einer Sache irgendwie noch etwas Positives abzugewinnen. Heute hingegen, wie gesagt, beschlich mich ungewohnt intensiv ein höchst ungutes Gefühl. Als ich von der sogenannten Einigung mit Griechenland erfuhr, dachte ich spontan: Das geht nicht gut aus, das wird uns in nicht allzuferner Zeit noch bitter auf die Füße fallen. Schuldenlogik hin oder her, aber so sollten befreundete Staaten nicht miteinander umgehen.

Freitag, 26. Juni 2015

Rettet die Bundesjugendspiele!


Da hat doch eine gewisse Christine Finke, allein erziehende Mutter und Bloggerin eine Petition ins Leben gerufen, die Bundesjugendspiele abzuschaffen. Interessanter, wenn auch befremdlicher Gedanke. Begründung? Finke kann "... nicht verstehen, warum es heute noch für gut befunden wird, Kinder zu zwingen, sich in eine sportliche Wettbewerbssituation zu bringen, die mit Demütigung und Ohnmachtsgefühlen vor der Peer Group verbunden ist."

Weiter meint sie: "Sport sollte Spaß machen und ein positives Körpergefühl vermitteln. Aber die Bundesjugendspiele leben von Wertung: Aufwertung und Abwertung einzelner auf Kosten anderer. Oft ist das Lehrpersonal auch noch so unsensibel, die Unterschiede zwischen den Kindern besonders herauszustellen bei der anschließenden Vergabe der Urkunden in der Klasse. Bei einem Wettkampf gehöre es dazu, heißt es dann. Aber welchen Sinn hat ein Wettkampf, dem man sich nicht freiwillig stellt und bei dem Einzelne schon vorher wissen, dass sie am unteren Ende der Leistungsskala sein werden?"

Freitag, 12. Juni 2015

James, at last


Na, wer erinnert sich noch an Partykeller? Diese Räuberhöhlen des Frohsinns begannen sich westdeutsche Wohlstandsfamilien vermehrt ab den Sechzigern unter ihren Eigenheimen einzurichten (wie das im Osten war, weiß ich nicht, ich glaube, da war’s eher die Datsche, oder?). Die gab es nicht allein aus Spaß, sondern auch, weil genau der Platz im Keller frei war, den die vorige Generation noch zum Einlagern von Vorräten genutzt hätte, für schlechte Zeiten. In den Achtzigern wurde der Partykeller dann zunehmend von der Heimsauna verdrängt, danach von Fitnessgeräten. Seither verzichten immer mehr Häuslebauer gleich ganz auf einen Keller. Aus Kostengründen

Dienstag, 9. Juni 2015

Dresdner Phantasmagorie


"Im richtigen Leben können Nerds manchmal lästig werden, weil sie monomanisch Kommunikation auf einen Gegenstand konzentrieren oder ansonsten vollständig verweigern. Der Nerd wird indes ernsthaft dekultivierend, wo er den Geltungsbereich seines Kultes militant ausdehnen will." (Georg Seeßlen)

Von Vorzeigedemokrat Lutz Bachmann (der glaubt immer noch, für die Mehrheit zu sprechen und wollte daher den gewählten Dresdner Stadtrat per Unterschriftensammlung auflösen, bis man ihn darüber aufklärte, dass das so ohne weiteres nicht geht), war die bei der Hamburger AfD gescheiterte Tatjana Festerling ins Rennen um das Dresdner Oberbürgermeisteramt geschickt worden, um die dank Pegida strumreif geschossene reparierte Elbmetropole endgültig zu nehmen. Jetzt ist die Kampagne des Westimports gescheitert, Frau Festerling abgeschlagen hinter Eva Maria Stange (SPD), Amtsinhaber Dirk Hilbert (unabhängig) und Markus Ulbig (CDU) gelandet und sie tritt zum nächsten Wahlgang nicht mehr an. Haben sie jetzt wieder was zum Rumjammern übers Mundtotgemachtwerden und über Kampagnenjournalismus gegen sie. Einer außer ihnen selbst muss ja schließlich schuld sein.

Dienstag, 26. Mai 2015

Ich will doch nur gutes Brot!


Oder: Was mein Brot inzwischen mit der Esoterikszene zu tun hat.

Die Welt der Esoterik gilt ja gemeinhin als Nische. Gibt es, hat ihre Anhänger, sollte man nicht allzu ernst nehmen. Sollte man vielleicht doch. Der österreichische Psychologe und Autor Johannes Fischler hat hautnah miterlebt, wie ein Paar, mit dem er viele Jahre gut befreundet war, mehr und mehr in die Szene abdriftete, immer stärker in eine Parallelwelt geriet, sich dabei wirtschaftlich komplett ruinierte und schließlich jeden Kontakt zu ihm abbrach. Für ihn der Auslöser, sich näher mit der Szene zu befassen.

Sonntag, 17. Mai 2015

Neues vom Protestantismus (2)


Dass hier länger als üblich nichts erschienen ist, liegt daran, dass ich letzte Woche einen völlig unerwarteten Todesfall zu verdauen hatte und daher den Kopf einfach nicht frei hatte. Ein ehemaliger Chef und vor allem ein wunderbarer Mensch, der bald auch zu einem Freund geworden war, ist mit nicht einmal sechzig Jahren verstorben. Er hinterlässt eine Ehefrau, vier erwachsene Töchter und seinen im Januar geborenen ersten Enkel, auf den er mächtig stolz war. Zwar bin ich selbst als katholisch sozialisierter Agnostiker unterwegs, doch war es natürlich Ehrensache, den Trauergottesdienst zu besuchen, denn der Verstorbene war tief gläubig, übrigens weitgehend ohne missionarischen Eifer (sonst wären wir vermutlich auch keine Freunde geworden).

Mittwoch, 13. Mai 2015

Deutschlands Next Nichtzicke


Vor einiger Zeit habe ich mich hier für sauberen Trash im Fernsehen ausgesprochen und mich selbst zu gelegentlichem Konsum bekannt. Dafür habe ich teils Zuspruch erhalten, teils Kritik eingesteckt. Alles in Ordnung für mich, denn so lange man miteinander redet, ist alles gut. Trotzdem bleibe ich dabei, dass Fernsehen die Klugen klüger und die Dummen dümmer machen kann und dass es guten und schlechten Trash gibt. Guter erhebt lediglich den Anspruch, zu unterhalten und ein wenig abzulenken. Schlechter Trash manipuliert heimlich, hat miese Subtexte, pflanzt Menschen böse Narrative und destruktive Wertvorstellungen ein.

Sonntag, 3. Mai 2015

Bildungsfernsehen


Herr Pispers in Hochform. Immer, wenn ich fürchte, der Mann wird langsam alt und verliert sich in Redundanzen, dann dreht er erst so richtig auf. Immer wieder. Diese höchst erhellende halbe Stunde Aufklärung hatte die Tage schon Kollege Klaus Baum bei sich eingestellt. Für alle, die für sich beanspruchen, ein wenig durchzublicken und es noch nicht gesehen haben sollten, ergeht hiermit die als freundliche Empfehlung getarnte Anordnung: Ansehen, begreifen, lernen!

Montag, 13. April 2015

Aus der Welt der Wirtschaft


Endlich mal eine gute Nachricht für die noch junge Branche der Mindestlohn-Panikmacher. Bislang wollte ja auch nach 100 Tagen Mindestlohn keine ihrer Schreckensvisionen so recht eintreffen und von großen Jobverlusten ist bislang nicht viel zu spüren. Vielleicht zahlen viele Leute sogar brav etwas mehr für den Haarschnitt oder akzeptieren moderate Preiserhöhungen im Restaurant, wenn sie nicht das Gefühl haben, dreist über den Leisten gezogen zu werden. Jetzt aber könnte es doch noch knüppeldicke kommen, denn: Der Spargel wird teurer! Und da muss der Spaß sich doch endlich mal aufhören. Denn frischer Spargel aus der Region während der Saison hat in Deutschland mittlerweile fast schon Menschenrechtsrang.

Freitag, 10. April 2015

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (8)


"Der Deutsche bastelt gern und der Schwede hat's herausgefunden." (Jochen Malmsheimer)

Natürlich hätte ich es wissen müssen. Jeder Dödel mit mehr als einer Handvoll halbwegs normal vor sich hin tuckernder Gehirnzellen unter der Schädeldecke weiß das. Ist ein Besuch im bekanntesten schwedischen Möbelhaus der Welt zu normalen Zeiten schon nichts für jene, die eine Abneigung gegen Menschenaufläufe haben, so ist das zu gewissen Zeiten im Jahr eine noch schlechtere Idee als sonst. Zum Beispiel vor Weihnachten oder während der Ferien. Da haben nämlich nicht nur alle Lehrer Zeit, nein, auch die Eltern schulpflichtiger Kinder genießen bei vielen Arbeitgebern Vorrang bei der Urlaubsplanung. Deswegen haben auch sie Zeit und Gelegenheit, dem Laden einen Besuch abzustatten. Und zwar alle wie sie da sind. Mit der ganzen Familie. Mit Oma und Opa. Aber die sind Rentner und haben eh immer Zeit.

Montag, 6. April 2015

Die verschiedenen Gesichter des Mobs


Sicher, man sollte im Hinterkopf behalten, dass noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Brandstiftung in einem als Flüchtlingsunterkunft vorgesehenen Haus in Tröglitz einen rechtsextremen Hintergrund hat. Wenn nur Teile der Bevölkerung des sächsischen Kaffs im Verein mit einigen Zugereisten in der jüngeren Vergangenheit nicht so vieles dafür getan hätten, dass dieser Verdacht so plausibel erscheint. Die Fairness gebietet natürlich trotz allem, viel Konjunktiv zu verwenden. Nach wie vor ist es sehr wohl möglich, dass das Feuer von einem durchgeknallten Einzeltäter ohne jeden politischen Hintergrund gelegt worden ist.

Freitag, 27. März 2015

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (7)


Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich in bestimmte Situationen gerate, passiert es mir manchmal, dass mir Szenen aus Filmen und oder Comics in den Sinn kommen, die aus irgendwelchen Gründen einmal auf meiner körpereigenen Festplatte gelandet sind, weil sie einfach passen wie Arsch auf Eimer. Weil mich das, was ich da gerade erlebe, mich so daran erinnert und man das einfach nicht besser sagen kann.

In Ralf Königs modernem Klassiker 'Der bewegte Mann' zum Beispiel kommt folgende, gleichermaßen zeitlos gültige wie hochkomische Episode vor: Die Co-Hauptfigur Norbert Brommer möchte sich gemeinsam mit zwei Freunden einen schönen Abend machen und sich in einem Programmkino die Visconti-Verfilmung von 'Der Tod in Venedig' ansehen. Als die drei vor Ort ankommen, stellt sich heraus, dass es sich um ein stinknormales 08/15-Kino handelt, von dem mit Rigipsplatten ein kleines, hellhöriges Nebengelass mit winziger Leinwand fürs ambitionierte Minderheitenprogramm abgetrennt ist. Dort läuft 'Tod in Venedig', während im Hauptkino das heute völlig zu Unrecht vergessene Meisterwerk 'Ruckzuck ist die Fresse dick' von und mit Sylvester Stallone gegeben wird.

Sonntag, 22. März 2015

Tölen und Trottel reloaded


Einem verbreiteten Vorurteil zum Trotze, ist es nicht so, dass Fanatiker grundsätzlich humorlos wären, doch ist ihr Humor in der Regel ein armseliger und hinterhältiger. Lachen können sie wohl, aber nur dann, wenn es ihren Gegnern an den Hals geht. Sind sie hingegen qua Humor gefordert, auch mal über sich zu lachen, kann es schlimmstenfalls zu Aggressionen kommen. Das liegt, klar, an ihrer einseitigen Wahrnehmung der Welt, dass sie sich, resp. ihre Sicht auf selbige für die einzig Maßgebliche halten und daran, dass sie sich prinzipiell in der Defensive fühlen. Eine Zeit lang musste ich es beruflich mit einem Ultrafan des anderen, des königsblauen Vereins aushalten. Gewann sein Verein und verlor meiner, dann schien ihm die Sonne aus dem Hintern und alle mussten seine schalen Scherzchen ertragen. War es umgekehrt, dann kam man ihm besser nicht zu nahe.

Sonntag, 15. März 2015

Seltsamkeiten


"Schön ist wüst, und wüst ist schön.", so sagen's die Hexen beim ollen Shakespeare. Und in der Tat, manchmal scheint es, als ob die Dinge sich tatsächlich in ihr jeweiliges Gegenteil verkehren. Durchaus oft zu hören ist ja die Klage, der Jugend von heute fehle es eklatant an Allgemeinwissen. Nur scheint das inzwischen längst nicht mehr auf schluffige Youngster beschränkt zu sein. So hätte ich etwa nie gedacht, dass ich als kompletter unternehmerischer Laie und notorisch abhängig Beschäftiger mich einmal bemüßigt fühlen würde, Unternehmern etwas über elementarste marktwirtschaftliche Grundbegriffe beibringen zu müssen, weil diese offenbar immer weniger beherrscht werden.

Samstag, 21. Februar 2015

Bücher für den Neurotischen


Was für eine schöne Überraschung am Samstagvormittag! Den einzig wahren, von mir sehr geschätzten kiezneurotiker interessiert offenbar, was ich so zu lesen beabsichtige und schmeißt darob mit Stöckchen nach mir. Und dann noch mit einem, das mir deutlich sympathischer ist als das vorherige (nicht persönlich nehmen, Roger). Fünf Bücher soll ich aufzählen, die ich im Laufe dieses Jahres lesen möchte und dann fünf bei mir verlinkte Blogger nominieren, es mir gleichzutun. Das ist doch schon eher meine Welt! Finde ich eine schöne Idee, mache ich sehr gern.

Freitag, 13. Februar 2015

Sissi mit Handschellen


Unter der (vernichtenden) Kritik über den Film 'Fifty Shades Of Grey' im Guardian schrieb eine Kommentatorin, sie sei seit über 15 Jahren in der Fetisch-/BDSM-Szene unterwegs und niemals, nicht ein einziges Mal, sei ihr dort jemand begegnet, der versucht habe, einen Menschen, der nicht von sich aus Zustimmung, Interesse oder zumindest Neugier signalisiert habe, zu solchen Praktiken zu bekehren bzw. dazu zu manipulieren. Wer so etwas täte, betriebe nichts anderes als Missbrauch.

Mittwoch, 11. Februar 2015

Was kann man eigentlich noch tragen?


Gar nicht so recht mitbekommen, aber die tollen Tage nahen sich schon wieder. Dass ich das nicht so recht mitbekommen habe, könnte daran liegen, dass die närrischen Tage sich dieses Jahr überschneiden mit dem Valentinstag - einem Anlass, der mich ähnlich brennend interessiert. Erst recht verschone man mich mit der allgemeinen Kostümiererei. Habe ich als Kind noch ganz gern gemacht, wie die meisten Kinder. Inzwischen finde ich das, wie den ganzen übrigen Faschingszinnober nebst seinen Begleiterscheinungen, anstrengend und überdies entbehrlich. Mich zu einem Anlass mitzuschleppen, auf dem Kostümzwang herrscht, zieht normalerweise den sofortigen Abbruch aller freundschaftlichen und sonstigen Beziehungen nach sich. Wer Spaß an so was hat, bitte gern, doch wünsche ich, wie gesagt, in Ruhe gelassen zu werden damit.

Sonntag, 8. Februar 2015

Hattrick in Meckpomm


Seien Sie bloß vorsichtig! Sie alle. Rufen Sie diese Seite bitte nicht auf, wenn Sie nicht genau wissen, was Sie tun. Hier werden nämlich manchmal Dinge veröffentlicht, die einem woanders in den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz bringen können.

In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel, jenem Bundesland, das nicht nur den längsten Namen von allen hat, sondern auch dafür bekannt ist, neben schönen Ecken an der Küste ziemlich viel Gegend mit derart niedriger Menschenbesatzdichte zu haben, dass saufen dort zur Wissenschaft wird. Jetzt hat das sympathische Ländchen an der Ostseeküste eine weitere Attraktion zu bieten: Nirgendwo anders ist es einfacher, in den wachsamen Blick der Verfassungsschützer zu geraten.

Samstag, 24. Januar 2015

Einer weniger auf Achse


Zuweilen ist es, wie ich finde, äußerst wichtig, sich mit Standpunkten und Meinungen auseinanderzusetzen, die einem so gar nicht in den Kram passen. Einer Freundin, die in einer Band singt, gab in ihren Anfangszeiten ein Produzent einmal einen Stapel CDs mit, damit sie ihren musikalischen Horizont erweitere. Als sie protestierte und sagte, diesen Soul-/R'n'B-/HipHop-Kram höre sie sich bestimmt nicht an, meinte er: Hör mal, wenn du professionelle Musikerin werden willst, solltest du auch eine Menge Musik hören, die dir überhaupt nicht gefällt. Wie willst du jemals von dir behaupten, dich auszukennen, wenn du dir immer nur die Sachen antust, die du magst? Dem gibt ich bis heute wenig hinzuzufügen, denke ich.

Samstag, 27. Dezember 2014

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (6)


Alle Jahre wieder über den vorweihnachtlichen Konsumterror herumzumosern, mag verständlich sein und Spaß machen, ist aber auch nicht eben originell. Ich mache lieben Menschen gern eine Freude und finde diese immer allgegenwärtigeren Geschenkgutscheine zunehmend blöder (außer, es handelt sich um Einladungen zu wirklich schönen Dingen). Wenn ich weiß, dass sich jemand über das Erstandene ehrlich freut, dann nehme zuweilen das Konsumgetümmel auf mich. Ich hatte so weit alles beisammen fürs Fest, doch die liebe Frau M. drängte auf einen Besuch des neuen Riesenkonsumtempels, der vor kurzem in der Stadt eröffnet hatte.

Sonntag, 21. Dezember 2014

Der Wikinger an der Ecke


Wie bei uns in der Provinz doch einmal etwas Weltbewegendes passierte und niemand es bemerkte.

Bekanntlich komme ich aus und lebe in der Provinz. In der Provinz ist das so: Die was reißen wollen im Leben, sind schon als Kinder quasi permanent auf dem Sprung und hauen bei erster Gelegenheit ab in die große Welt. Die fängt bei uns in Münster oder Bochum an, je nach Richtung. Die, die bleiben, verinnerlichen schnell, dass im heimatlichen Kaff, allen Träumen und Ambitionen zum Trotze, höchstwahrscheinlich niemals etwas passieren wird, das irgendjemanden interessiert außer örtlichen Honoratioren und dem Redakteur des Lokalblättchens, der jeden Tag ein paar Seiten vollkriegen muss, und erwarten daher nicht viel. Und groß fragen tut man da auch nicht. Normalerweise ist das eine einigermaßen gesunde Einstellung, manchmal aber ist es ein Fehler.

Samstag, 22. November 2014

Mr Pickup im Anmarsch


Es ist ein schwer auszurottendes Missverständnis, dass die Befreiung unserer Sexualität in die allgemeine, frisch-fromm-fröhliche freie Liebe geführt hat. Sie hat lediglich neue Zumutungen geschaffen, die es zuvor so nicht gegeben hat. Michel Houellebecq hat schon 1994 scharfsichtig erkannt, dass es sich mit einer weitgehend liberalisierten Sexualität in etwa so verhält wie mit einer weitgehend liberalisierten Wirtschaft: Sie schafft Gewinner und Verlierer. Gewinner profitieren von der Lockerung moralischer Standards, indem sie eine Menge Spaß und Abwechslung haben können, ohne deswegen gesellschaftlich geächtet zu sein. Verlierer bleiben auf der Strecke, manchmal ein Leben lang, und bekommen von einer Begehrten allenfalls das Kompliment zu hören, ein echt netter Kerl zu sein. So was kann auf Dauer frustrieren.

Dienstag, 11. November 2014

Da geht was!


Kartoffelchips meide ich normalerweise. Nicht, weil ich sie nicht mag, sondern weil ich sie zu sehr mag. Einmal angefangen, kann ich meist nicht aufhören und schwuppdiwupp ist die ganze Tüte leer. Ich bin weiß Gott kein manischer Kalorienzähler, aber so eine große Tüte Chips hat leider nun einmal einen Energiegehalt wie ein frischer Uranstab und man muss ja nicht alles übertreiben. So habe ich nur welche im Haus, wenn ich mal ein paar Leute einlade. Eine Ausnahme von der Regel gibt es: Wenn ich in einer Stadt bin, in der englische Lebensmittel zu haben sind, sehe ich zu, dass ich einen großen Sack Walker's bekomme. Am liebsten die heilige Dreieinigkeit der Klassiker: Salted, Cheese & Onion, Salt & Vinegar.

Samstag, 8. November 2014

Opa Drachentöter


Es ist verbreitet und geht selbstverständlich völlig in Ordnung, ein Lebensthema zu haben und sich daran abzuarbeiten. Haben viele. Nur sollte man sich einen klaren Blick für die Dinge bewahren und nicht verkrampfen dabei. Bekommt man nämlich vor lauter Abarbeiten nicht mehr mit, dass die Welt sich weiterdreht, kann es überaus peinlich werden. Wie peinlich das werden kann, offenbarte Wolf Biermanns gestriger Auftritt vor dem Bundestag. Wer in den Achtzigern in Westdeutschland aufwuchs, erlebte Biermann als eine Art hauptberuflichen Ausgebürgerten, der sich vom Establishment als Paradeflüchtling herumreichen ließ. Sieh her, Bevölkerung der freien Welt! So geht man in dem Land, dessen Namen wir nicht nennen und das wir deswegen in Anführungsstriche setzen, mit Künstlern um.

Sonntag, 28. September 2014

Ich glotz' TV!


Irgendwann muss es ja raus. Wir haben schließlich alle so unsere Spleens, Macken und schwachen Seiten. Außerdem sind öffentliche Geständnisse ja sehr angesagt seit einiger Zeit. Also könnte ich zur Abwechslung auch mal was öffentlich gestehen. Und weil Sonntag ist, mache ich sogar zwei Geständnisse.

Geständnis Nummer eins: Ich besitze einen Fernseher und gucke tatsächlich noch Fernsehen. Auf dem Sofa, wie früher. Nicht dauernd, aber durchaus gern. Ich habe die Kiste nicht abgeschafft und werde es auch nicht tun. Seinen Fernseher abgeschafft zu haben, oft gepaart mit missionarisch vorgetragener Pauschalablehnung des Mediums, gilt in gebildeten Ständen ja als Zeichen besonderen Gebildetseins. Ist natürlich Quatsch, denn so ein Gepluster ist kein Zeichen von Bildung, sondern von Dünkelhaftigkeit und dafür, es aus irgendwelchen Gründen gewaltig nötig zu haben.

Montag, 22. September 2014

Kein Verlust


Bei der 'Süddeutschen Zeitung' darf nicht mehr kommentiert werden. Na und? 

Nach dem stern hat auch die 'Süddeutsche Zeitung' vor einiger Zeit ihre Kommentarfunktion abgeschafft und man kann nur noch zu wenigen, ausgewählten Fragen Stellung nehmen. Ich finde das - ausgesprochen erholsam. Im Falle vieler besonders breitärschig und beleidigend auftretender Zeitgenossen kann ich mir, um ehrlich zu sein, auch eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen. Eine Zeitung ist ein asymmetrisches Medium mit nur minimaler Interaktivität. Man liest sie, bildet sich seine Meinung und fertig. Die Möglichkeit, mit einer Zeitung irgendwie in Dialog zu treten, gab es lange nur in Form von Leserbriefen, deren Auswahl und Kürzung die Redaktionen sich vorbehielten.

Samstag, 20. September 2014

Endlich. Shoppen. Können.


Seit ein paar Jahren gibt es in Dortmund ein Einkaufszentrum namens Thier-Galerie (der Name rührt daher, dass es auf dem Gelände der ehemaligen Thier-Brauerei steht). Dortmund hat gut eine halbe Million Einwohner, in der Galerie gibt es insgesamt 117 Geschäfte. Jetzt hat auch in meiner Heimatstadt nach gut zweijähriger Bauzeit ein nicht minder klotziger Konsumtempel eröffnet. Zum Vergleich: Mein Heimatstädtchen hat gut 115.000 Einwohner und in dem neuen Shoppingghetto befinden sich nicht weniger als 120 Geschäfte. Kawumm! Die umliegenden Städte können sich warm anziehen.

Sonntag, 14. September 2014

Tölen und Trottel


Immer wieder reizend, was aus Menschen wird, die so von der Menschheit enttäuscht sind, dass sie sich in eine absurde Liebe zu Tieren hineinsteigern, zum Beispiel zu Hunden. Dabei habe ich mit Hunden in der Regel kein Problem und komme mit fast allen zurecht. Gut, als ich zehn Jahre alt war, hat mich einmal ein Schäferhund, der im Park unserem Fußball hinterherjagte, versehentlich am Bein erwischt, weil das kleine Mädchen am anderen Ende der Leine nicht in der Lage war, ihn noch zu kontrollieren. Danach begegnete ich größeren Hunden ein paar Jahre lang eher reserviert, aber das ist längst überwunden. Sicher war es verantwortungslos, ein Kind einen so starken und offenbar kaum erzogenen Hund führen zu lassen, aber auf die Idee, alle Hundebesitzer deswegen über einen Kamm zu scheren, bin ich schon damals nicht gekommen.

Sonntag, 31. August 2014

Zur Verteidigung des Trolleykoffers


Zum Abschluss der Urlaubssaison eine kleine Apologie

Rollkoffer, auch Trolleys genannt, haben einen schlechten Ruf. Die Teile sind während der letzten Jahre zum Standardaccessoire jener Schlips-, Kragen- und Kostümbratzen geworden, die die ICEs und Flugzeuge dieser Welt in Legionsstärke bevölkern und die Nerven ihrer Umwelt nicht selten mit ihrem penetranten Wichtigsein maximalst strapazieren. Auch das Geräusch, mit dem er verzweifelt Schlaf suchende Anwohner von selbigem abhält, wenn er nächtens von vom Wochenendtrip heimkehrenden Partytouristen über das Katzenkopfpflaster Berliner In-Kieze gezerrt wird, ist für den Leumund des Trolleys nicht gerade hilfreich. Wer mit Trolley unterwegs ist, gilt entweder als karrierefixierter Schweinekapitalist oder als asozialer Ruhestörer.

Sonntag, 24. August 2014

Sendungsbewusst und von sich ergriffen


Gewiss, Typen, die vor Dummheit nur so stinken, die permanent auf Opiaten sein müssten, wenn Dummheit weh täte, weil sie sich sonst die ganze Zeit vor Schmerzen auf dem Boden wänden und sich auch keine Hemmungen auferlegen, die Welt daran teilhaben zu lassen, sind ärgerlich. Zwar gelten Jähzorn und Rachsucht als schwere Sünden, doch ist es selbstredend verzeihlich, wenn jemand Gewaltphantasien bekommt, der es mit einem dieser Intelligenz- und Empathieallergiker zusammentrifft - so lange es bei Phantasien bleibt, versteht sich. Doch so nervig solche Typen sein können, sie stechen vielleicht am unangenehmsten ins Auge, sind aber nicht das größte Problem. Man kann ja bekanntlich auf viele verschiedene Arten Unterschicht sein.

Sonntag, 17. August 2014

Reiseimpressionen (2)


Dachau

Wer nach Dachau kommt, will meist zur KZ-Gedenkstätte. Damit haben die Bewohner der Stadt sich inzwischen arrangiert. Sie ist weiträumig ausgeschildert, wie es im Verkehrsfunk immer heißt. Vor knapp 25 Jahren war ich schon einmal dort. Ein ehemaliger Schulfreund studierte damals in München und als ich ihn dort besuchte, sind wir mit der S-Bahn da hin gefahren. Es war ein trüber Wintertag, der Wind pfiff über das verlassene, weitläufige, verschneite Areal, auf dem wir fast die einzigen Besucher waren und die Krähen krächzten dazu. Die erhaltenen Gebäude waren so grau wie der Himmel und die Farbe blätterte ab. Die Ausstellung im Haupthaus war bescheiden und sah aus, als sei sie seit den Sechzigern nicht mehr überarbeitet worden. Trotzdem, die stille, ein wenig unheimliche Atmosphäre hat sich mir nachhaltig eingeprägt.

Reiseimpressionen (1)


Salzburg

Markartsteg, Fußgängerbrücke über die Salzach. Beim Bau haben sie damals einen Riesenfehler gemacht und für das Geländer eine Art Maschendrahtzaun verwendet. Nun konnten die Planer damals auch nicht ahnen, dass die Kombination Brücke plus gemeinhin als romantisch geltendes Ambiente von verliebten jungen Menschen irgendwann dafür genutzt werden würde, ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen, indem sie namentlich gravierte oder bemalte Vorhängeschlösser an Brückengeländer hängen und den Schlüssel in den Fluss werfen. In Paris ächzen viele Brücken mittlerweile derart unter dem tonnenschweren Ballast, dass die eine oder andere einzustürzen droht und die Stadtverwaltung an die Vernunft des über alle Ohren verliebten Jungvolks appelliert. Man kann nur viel Erfolg wünschen.

Dienstag, 29. Juli 2014

Chronik einer Netzabstinenz (2)


Dienstag, 29. Juli

Am Ende ging es schneller als erwartet und ich will auch nicht unnötig langweilen. Nur froh, wieder online zu sein, tiefgründigeres alsbald wieder. Tja, sie haben es doch nicht geschafft. Die magische Marke von einer Woche Netzausfall haben sie um nur einen Tag gerissen. Wie der schon genannte Nachbar erzählte, waren heute zwei Techniker am äußeren Kabelschacht des Hauses zugange, weil der Anschluss, der ins Haus hineinführt, nicht richtig lag, fehlerhaft oder sonstwas war.

Sonntag, 27. Juli 2014

Chronik einer Netzabstinenz (1)


Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass sich hier seit einigen Tagen nichts mehr getan hat und ich auch nicht auf freundliche Kommentare reagiert habe. Keine Sorge, es ist alles in Ordnung und mir geht es gut. Es liegt an meinem Internetprovider. Seit Mittwoch ist hier nämlich tote Hose. Weil die unendlichen Ressourcen des Netzes mir zurzeit nicht zur Verfügung stehen und ich von vielen Nachrichten abgeschnitten bin, fehlt es daher ein wenig an Aufhängern und Quellennachweisen für Postings zu aktuellen Themen. Interessant übrigens zu merken, wie sehr man mittlerweile am Netz hängt, wenn es mal nicht zur Verfügung steht, aber das ist ein anderes Kapitel.

Was ich tun kann, ist, den unterhaltsamen Gang der Ereignisse zu protokollieren, das ganze auf einem USB-Stick zu speichern und über andere Rechner ins Netz zu stellen. Mir ist klar, dass solche Chroniken meist selbstreferentielle Frustbewältigung sind. Wen so was nervt, soll's halt nicht lesen. Es ist ein Lebenszeichen.

Mittwoch, 16. Juli 2014

Doch ein Nachklapp: Kirchen und Dörfer


Auch ich war Täter

Das kommt davon, wenn man immer alles groß und gigantomanisch haben will. Bis jetzt wurden Siegesfeiern des DFB grundsätzlich am Sitz des Verbandes in Frankfurt am Main zelebriert. Die siegreichen Helden präsentierten die errungene Trophäe auf dem Römerbalkon, ließen sich von den auf dem Römerberg versammelten Fans huldigen und feierten ein wenig mit ihnen. Dann ging es rein ins Rathaus, Eintrag ins goldene Buch, kurzes geselliges Beisammensein, Gläschen Sekt und aus die Maus. Draußen gab es Bratwurst, Bier und Ebbelwoi fürs Volk, eventuell noch ein wenig Partybeschallung. Gemessen an der Monstersause vom Montag, war das so rührend provinziell wie die alte westdeutsche Bundesrepublik eben war. Es gibt Momente, da sehnt man sich danach zurück.

Dienstag, 15. Juli 2014

Abschließendes zur WM


Stolz? Worauf?

Was der WM-Titel mit mir zu tun hat? Nichts. Ich habe nicht den geringsten Anteil daran, dass am Sonntag 14 von 23 Jungmillionären mit 1:0 gewonnen haben. Worauf sollte ich also stolz sein? Eine Nationalmannschaft ist streng genommen nichts weiter als ein Allstar-Team aus jenen, die in der Liga am besten gespielt haben, gerade fit sind und einen deutschen Pass haben. Während eines Turniers ist es die Mannschaft, die ich anfeuere, wenn sie schön spielt und vielleicht auch gewinnt und über die ich mich ärgere, wenn sie verliert bzw. sich mit unbeholfenem Gemauer zum Sieg wurstelt. Alles weitere, zum Beispiel jetzt auf die Idee zu kommen, stolz zu sein, weil die Kicker einen Bundesadler auf dem Leibchen haben, scheint mir absurd.

Samstag, 12. Juli 2014

Die geplatzte Blase


Fußballbegeisterte sind sich uneins, an welchem Tag der brasilianische Fußball starb, der einmal der Goldstandard für die Welt war. Der 8. Juli 2014 war es jedenfalls nicht. Jener Abend, an dem eine respektabel und diszipliniert, keineswegs entfesselt auftretende deutsche Mannschaft, die nach einer halben Stunde selbst nicht mehr wusste, wie ihr geschah, die Seleção im heimischen Stadion in ihre Einzelteile zerlegte, war bloß der traurige Endpunkt eines langen Siechtums. Sterbehilfe, vielleicht gar Leichenfledderei. Der Niedergang hatte viel früher eingesetzt. Man kann streiten, wann genau. Für die einen am 5. Juli 1982, an dem Paolo Rossi im letzten Spiel der Zwischenrunde der besten Mannschaft aller Zeiten drei Tore verpasste. Für die anderen, zu denen ich mich zähle, am 21. Juni 1986.

Freitag, 11. Juli 2014

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (5)


Sondernummer: Ach, Karstadt!

Ist es bloß der Lauf der Dinge? Führt der Weg mich einmal zu Karstadt, dann denke ich ein wenig wehmütig daran, dass der Laden früher fast immer meine erste Anlaufstelle war, wenn ich irgendetwas brauchte und wie wenig das jetzt noch der Fall ist. Meine Besuche während der letzten zehn Jahre lassen sich fast an den Fingern einer Hand abzählen. Der Alternativen sind inzwischen viele: Allein auf dem Heimweg von der Arbeit komme ich auf gerade drei Kilometern an einem wohlsortierten Verbrauchermarkt, einem Baumarkt, meinem Leib-und-Magen-Asia-Laden und an drei Discounterfilialen vorbei. Da lassen sich fast alle Notwendigkeiten des Alltags besorgen, alle haben massig kostenlose Parkplätze direkt vor der Tür, keine Rolltreppen und sind übersichtlich aufgeteilt.

Mittwoch, 2. Juli 2014

Liberale Namenssuche


Man mag sie ja für tot erklärt haben, aber die FDP gibt es tatsächlich noch. Momentan kursieren im Lande Liberallala Überlegungen, sich eventuell einen neuen Namen zu verpassen, um gleichsam noch einmal neu durchzustarten. Zu Recht, ventiliert Roland Nelles, denn: "Viele Wähler sehnen sich nach einer starken liberalen Partei." Hm, tja, mag sein. Vielleicht sogar auch ich. Ein wenig schon. Käme halt unter anderem darauf an, wie man Liberalismus so definiert in diesen Zeiten anlassloser Totalüberwachung. Debatten über klassisch liberale Themen wie etwa Bürgerrechte und Freiheit des Einzelnen in Zeiten der totalen Digitalisierung des Lebens, des entfesselten Kapitalismus und der Globalisierung wären schon wünschenswert.

Montag, 30. Juni 2014

Unterwältigt und genervt


Selbst schuld, ich hätte es wissen können. Nein, wissen müssen hätte ich es. Schließlich habe ich die Erfahrung schon gemacht. Extraschicht bei schönem Wetter kann toll sein, Extraschicht bei schlechtem Wetter ist Mist, immer. Habe mich trotzdem breitschlagen lassen mal wieder. Bin weich geworden, weil es Menschen gibt, die einem, wenn man es wagt, abzusagen, ihnen somit seine Gesellschaft für den Abend zu verweigern, die tellergroßen, tränenumflorten Kuhaugen zeigen und menschlich ganz doll enttäuscht sind. Also dackelte ich mit durch den Nieselregen, der zum Glück irgendwann aufhörte. Weil mein Idol Albert Schweitzer ist und mein Hobby Gutes tun.

Samstag, 28. Juni 2014

Vorrundenbilanz und kleine Presseschau


So, die Gruppenphase, die mit bis zu vier Spielen pro Tag auch beim ärgsten Fußballfan gewisse Ermüdungserscheinungen hervorzurufen vermochte, wäre überstanden und die Achtelfinals stehen an. Jetzt geht’s also richtig los, ohne Punkterechnerei, hopp oder topp. Zeit also für eine erste Zwischenbilanz, zumal ich mich ja letztens ein wenig festgelegt habe.

Freitag, 20. Juni 2014

Kabinenwanzen


2003 sind wir ja bekanntlich erstmals Weltmeister geworden. Genauer gesagt, die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen. Ein kleiner Denkanstoß fürs Wochenende: Wie wären wohl die Reaktionen ausgefallen, was hätte der politische Gegner gesagt, wenn Kanzler Schröder sich damals in ähnlicher Weise zu den Damen in die Umkleide gedrängelt hätte wie das seine Nachfolgerin bei den Männern tut? Man weiß es natürlich nicht, aber ich vermute, der Vorwurf, er sei ein schlabbriger alter Saftsack, der sich nicht nur am Anblick junger, trainierter weiblicher Hardbodies ergehen, sondern das auch noch schamlos politisch ausnutzen wolle, dürfte hier und da zumindest im Raum gestanden sein. Das muss dieses berühmte Genderdings sein. Außerdem gab es damals noch so was wie einen politischen Gegner.

Sonntag, 15. Juni 2014

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (4)


Obwohl dem Fußball durchaus zugetan, frage ich mich bekanntlich schon des Längeren, was Leute dazu treibt, anlässlich von Fußball-Welt- und Europameisterschaften ihre Autos mit diesen über die Maßen albernen Devotionalien in Landesfarben zu behängen wie nicht gescheit. Eigentlich wollte ich mich zu dieser Unsitte ja nicht mehr weiter äußern, denn ich glaubte, alles Nötige gesagt zu haben. Überflüssig zu sagen, dass ich eher meine rechte Hand in einen mit Volldampf laufenden Häcksler hielte, als meinem Auto so was anzutun. Wie dem auch sei, seit gestern weiß ich, was Menschen so tief sinken lässt. Es ist nicht etwa Patriotismus, wie man vielleicht meinen sollte, weit gefehlt! Es ist vielmehr weibliche List und Tücke, es sind jene Waffen der Frauen, gegen die kein entsprechend veranlagter Mann mit einem schlagenden Herzen in der Brust etwas auszurichten vermag.

Donnerstag, 12. Juni 2014

Lasset das Ausblenden beginnen!


So, das Bier kaltgestellt, den Grill angeworfen, alle, die lächerliche Fanartikel am Körper tragen und auf einmal zu großen Fans mutieren, des Umfeldes verwiesen, das Gehabe der FIFA-Bonzen gnädig ignoriert - es geht lo-hos! Wie immer die große Frage: Wer wird es denn nun? Im festen Bewusstsein, dass Tipps eigentlich nie eintreten, lege ich mich dennoch mal ein wenig fest:

Samstag, 7. Juni 2014

Ausblenden ist alles


Mit dem Fußball ist es wie mit allen schönen Dingen, die irgendwann von Geschäftemachern zum Produkt geadelt werden, das es möglichst gewinnbringend zu verkaufen gilt. Es wird größer, härter, bunter, marktschreierischer und es zieht Korrupte an wie das Licht die Motten. Die FIFA war bis in die Achtziger eine größtenteils namenlose Ansammlung älterer Herren, die vielleicht käuflich waren, aber wenigstens nicht weiter störten. Man veranstaltete alle vier Jahre eine WM, schraubte gelegentlich ein wenig am Regelwerk herum und der Präsident saß beim Eröffnungs- und Endspiel auf der Ehrentribüne neben dem Staatsoberhaupt, um die Spiele für eröffnet zu erklären. Ansonsten begegnete einem der Verein noch in Sportgeschäften, wenn offizielle FIFA-Bälle feilgeboten wurden.