Montag, 21. Oktober 2019

Jenseits der Blogroll - 10/2019


Wie immer, wenn eine 2 die erste Datumsziffer ist, die Fundstücke und Links des Monats:

Politik. Stefan Sasse über den strategischen Totalbankrott, den die USA und 'der Westen' in Syrien angerichtet haben. In einem ebenfalls lesenswerten Beitrag vom letzten Jahr geht es um die Frage, wieso Verhandlungen leider kein diplomatisch-weltpolitisches Wundermittel sind, sofern man keine militärische Drohkulisse im Rücken hat und dass es ein Irrtum ist zu glauben, die Welt würde friedlicher, wenn man komplett auf Militär verzichtet.

"Es gibt nämlich Konflikte, in denen sind Verhandlungen einfach keine Option; stattdessen gibt es dann 'Verhandlungen'. […] Das ist im Übrigen kein Aufruf zur Kriegstreiberei. Zwischen Verhandlungen und offenem Krieg gibt es eine ganze Bandbreite von möglichen Lösungen, manche besser, manche schlechter." (Sasse, a.a.O.)

Lässt man persönliche Wertungen einmal außen vor, muss man konstatieren, dass das Brexit-Referendum eines der größten politischen Husarenstücke der letzten Jahrzehnte war. Mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln wurde die Stimmung der Bevölkerung so manipuliert, dass das als eigentlich unmöglich Gedachte am Ende möglich wurde. Boris Johnsons engster Berater Dominic Cummings war der Mastermind hinter der Kampagne und gilt momentan als eine Art Graue Eminenz von Westminster. 2017 hat er selbst ausführlich aufgedröselt, wie er die 'Leave'-Bewegung zum Sieg geführt hat. Keine sonderlich angenehme, aber eine ungemein lehrreiche Lektüre. (Englisch)

Leo Fischer rechnet mit dem Mythos Ehrenamt ab.

Wissenschaft/Netz. Patrick T. Brown über die Frage, wieso Rechte und Linke sich beim Klimawandel nicht einigen können. (Englisch)

Apropos. (Facebook)

Endlich enttarnt! Die finsteren Machenschaften der Hintermänner von psiram. Nur so viel: Sie schreddern süße Welpen! Ehrlich. Muss man wissen!

Holla, wer hätte das gedacht? Das Internet ist gar kein Paradies für Schnäppchenjäger mehr.

Feuilleton/Gesellschaft. Dass man alt wird, erkennt man unter anderem daran, dass die Menschen um einen herum irgendwann anfangen, 'vernünftig' zu werden (betrifft meiner höchstpersönlichen Erfahrung nach vor allem Männer). Leute, die vor kurzem noch fröhlich einen draufgemacht haben, mutieren quasi über Nacht zu verbissenen Temperenzlern, quetschen sich in hässliche Funktionswäsche und sporteln wie nicht gescheit. Vor allem aber: Die meisten dieser 'Vernünftigen' entwickeln eine geradezu manische Naturversessenheit. Scheint kein rein hiesiges Problem zu sein. Der norwegische Comedian Are Kalvø hat darüber eine hübsche Polemik verfasst.

"Ich habe in den letzten Jahren so viele Freunde an die Natur verloren. Gute Leute. Patente Leute. Lustige Leute, die früher gern mit in die Kneipe gegangen sind, um Stuss zu reden. Was machen sie jetzt? Sie stehen früh auf, fotografieren eine Skispur, posten das Bild auf Facebook und Instagram und schreiben dazu: »Super Tag im Freien.« Leute, die ich früher als gute Freunde betrachtet habe. Und als geistreich. »Super Tag im Freien.« Das ist das Beste, was sie jetzt hinkriegen. Vielen geht es an einem bestimmten Punkt im Leben so: Du fängst an, den Humor zu verlieren. Und die Haare. Oft passiert es gleichzeitig. Ich befürchte inzwischen, dass der Humor womöglich in den Haaren sitzt." (Kalvo, a.a.O.)

Konrad Lehmann über das Elend der aktuellen Populärmusik.

Simone Kosog interviewt Zoë Readhead, die Leiterin des Internats Summerhill. Unter anderem zu Missverständnissen über 'antiautoritäre Erziehung' (A.S. Neill lehnte diesen Begriff immer ab). Fun fact: Summerhill ist das am häufigsten von staatlichen Kommissionen geprüfte Internat der britischen Inseln. Die Schüler schneiden nicht besser oder schlechter ab als der Rest. Vielleicht sollte man lieber genauer hinschauen, was 'Eliteschulen' wie Eton College so an Geistesadel hervorbringen (man lese nach unter Boarding School-Syndrom).

Roman Jones lässt Dr. Carmella erklären, wieso introvertierte Menschen sich so verhalten wie sie sich verhalten und wie man damit umgeht.

Sport. "Einen Ultramarathon zu laufen ist eigentlich ganz einfach", meint Nils Thies. Klar -- jetzt, da jeder zweite moderat übergewichtige Schlipsmichel sich durch diverse Marathons hechelt, muss man sich als komplett selbstoptimierter Leistungsdocht schließlich wieder irgendwie abgrenzen vom trägen Minderleister-Pack. Und wieder heißt es: Jeder kann es! Ja, auch du, wenn du nur mal deinen faulen Arsch hochkriegen würdest.

Essen/trinken/gut leben. Warum ist diese Hipster-Kultur vielen, darunter mir, eigentlich so suspekt? Weil sie in Teilen gewaltig tümelt, darum.

Ein älterer Arbeitskollege erzählte letztens, sie hätten früher in der WG immer ein Trinkspiel gemacht. Wenn 'Dallas' im Fernsehen lief, versammelte man sich zum gemeinsamen Gucken und immer, wenn jemand einen Drink nahm, musste die Runde ebenfalls einen nehmen. (Aus Preisgründen meist irgendeinen Partyfusel, der ordentlich dröhnte.) Und weil in dieser Serie bereits am Morgen fleißig dem Bourbon zugesprochen wurde, ohne das jemand Anstoß daran genommen hätte, sei das meist recht feuchtföhliche ausgeartet. Richtig anstrengend sei die Sache immer geworden, wenn Sue Ellen alias Linda Gray die Szenerie betrat. Simone Buchholz mit einer Hommage an die Figur der Sue Ellen Ewing, in den frühen Achtzigern zeitweise die berühmteste Trinkerin der westlichen Welt.

Wieso ist auf Speisekarten in letzter Zeit eigentlich immer von 'Bio-Ei' zu lesen, und bei allem anderen wird darauf nicht eigens hingewiesen? Weil nur die Eier bio sind, alles andere immer noch möglichst billig eingekauft wird, das 'Bio-Ei' somit quasi als Nachhaltigkeits-Feigenblatt herhalten muss? Fragt sich Jörn Kabisch. Zu recht.

Was fehlt? Das Rezept des Monats natürlich. Weil Herbstzeit Pilzzeit ist, schauen wir dieses Mal nach Bayern. Einem verbreiteten Vorurteil zuwider, bietet die dortige Küche durchaus viel Fleischfreies. Ein Klassiker sind Rahmschwammerln mit Semmelknödeln. (Für eventuelle Folgeschäden durch selbst gesammelte Pilze wird keine Haftung übernommen!)





4 Kommentare :

  1. Apropos. (Facebook)

    Firefox weiß nicht, wie diese Adresse geöffnet werden soll, da eines der folgenden (ttps) kein registriertes Protokoll oder in diesem Kontext nicht erlaubt ist.

    Fehlt ja nur das h vorne.
    Aber lohnt sich der Besuch bei Facebook tatsächlich? Hab' bei denen immer Angst vor "Schleppscheisse". ;-)

    Bestgreetz!

    (Hab's mit "Kontakt" probiert, funktionierte nicht.)

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  2. Bin seit 45 Jahren Langstreckenläufer, habe aber aus Einsicht und Rücksicht auf meinen Bewegungsapparat nur einen Marathon gemacht, nicht so wie diese hier, die alle mindestens 100 Marathons gelaufen sein müssen:

    http://www.100marathon-club.de/

    Es gibt auch noch den 3-fach-Ultra-Triathlon: 10 km Schwimmen, 540 km Radfahren und 126 km Laufen. Ohne Urlaub geht das gar nicht.

    Long-Distaz-Runner sind, da ist was dran, oft nur monothematisch unterwegs. Laufen, wann, wo und wie schnell, der nächste Volkslauf, die Bestzeiten Extremwetterbedingungen beim Wettkampf, all dies hauen Dir diese Laufidioten um die Ohren. Hab neulich einem empfohlen, sich einen Hund anzuschaffen, weil der gut zuhören kann, ohne zu antworten.

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  3. Ich finde ja, man sollte mit Bonetti Media kontern: "Herbst: Die sozialen Medien sind voller Pilzfotos."

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    1. Pilsfotos wären mir noch ein wenig lieber.
      @altautonomer: 3-Fach-Ultra-Triathlon ist doch was für Schlaffis. Der Rekord beim Double Deca Ultratriathlon liegt bei 241:26:45 Std.

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