Beinahe schon tröstlich ist es in Zeiten wie diesen, dass gewisse Dinge sich offenbar nie ändern. Wenn die CDU nicht an der Regierung ist, dann ist jeder Euro Schulden der todsichere, direkte Weg in Sozialismus und Zinsknechtschaft und unsere Kinder werden uns dereinst verfluchen. Kein Cent darf ausgegeben werden, der vom faulen Arbeitnehmerpack nicht zuvor hacht erwichtschaftet wurde. Jaja, die Linken, immer fleißig das Geld anderer ausgeben wollen, so geht's ja nicht hier! Man ist ja nicht bei den Hottentotten. Deswegen brauchten wir auch unbedingt die Schuldenbremse. Damit vaterlandslose Sozis, die nicht mit Geld umgehen können, nicht auf dumme Gedanken kommen.
Anders sieht es aus, wenn die CDU an der Regierung ist: Schulden? Kein Thema! Wat mutt, datt mutt! Staatspolitische Verantwortung halt. War schon bei der deutschen Einheit so. Also bitte, dies sind ein reiches Land, so was zahlen wir doch mal eben aus der Portokasse. Steuererhöhungen? Ach was, nicht nötig, versprochen. Halbes Jahr später dann: fettes Haushaltsloch, fette Neuverschuldung, fette Steuererhöhungen. Dazu Soli, Fond Deutsche Einheit. Wie, Wahlversprechen gebrochen? Unerhört! Wie man so etwas Infames überhaupt denken, geschweige denn in den Mund nehmen kann! Vaterlandslose Gesellen! Es geht schließlich um Deutschland (die Schuld an den Rekorddefiziten und anderem kann man hinterher dann bequem den Sozis in die Schuhe schieben).
Zum besseren Verständnis solcher Vorgänge ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass die CDU so was wie die USA bzw. der FC Bayern München der hiesigen Parteienlandschaft ist. Bei der Union sehen sie sich seit ihrer Gründung als legitime Besitzer dieses Landes und leiten daraus einen quasi natürlichen, mitunter auch gottgegebenen Regierungsanspruch ab. Verbunden mit dem unerschütterlichen, aber nur selten durch Fakten zu untermauernden Bewusstsein, als einzige im Besitz des Wissens darüber zu sein, was gut ist für das Land. Ob dieverse verpeilte Minister:innen dann ganze Branchen in die Tonne treten (Altmaier) oder Milliardenschäden anrichten (Spahn) ist egal: Hauptsache CDU regiert. (Gab welche, die nannten das schon in den Fünfzigern 'Demokratur'.)
1998, bei der Abwahl des großen Bleiernen, sah ich CDU-Anhänger, die allen Ernstes Gebete gen Himmel sandten, da das geliebte Deutschland nunmehr in die Hände von Chaoten und Hallodris gefallen und somit dem sicheren Untergang geweiht sei. Eine mir bekannte straffe CDU-Parteigängerin verstieg sich gar zu dem Aperçu, der Amtseid eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers sei automatisch ein Meineid, da so jemand ja unmöglich zum Wohle des deutschen Volkes zu handeln imstande sei (sie meinte das ernst). Und da ich als katholisch sozialisierter Agnostiker Messdienerhintergrund habe, kann ich bezeugen, es noch selbst erlebt zu haben, dass in Wahlsonntagsmessen von einigen Kanzeln einigermaßen unverklausuliert verkündet wurde, was für einen Christenmenschen wählbar sei und was nicht.
Daher ist eine andere Regierung für viele CDUler nicht etwa eine stinknormale demokratische Sache, sondern eine katastrophale Verirrung der natürlichen Ordnung der Dinge. Ein Deutschland ohne die ordnende Hand der schwarzen Unionisten? Undenkbar. Die Welt würde ins Chaos sinken. Am Ende bekommt noch irgendwo ein arbeitsloser Faulenzer einen Euro zuviel überwiesen und macht sichs gemütlich! Daher muss eine solche Erschütterung der Macht auch schleunigst und mit allen Mitteln wieder korrigiert werden. Wenn's sein muss, auch mit schmutzigen. Springer hilft da gern.
In diesen Tagen wiederholt das alte Spiel sich: Dreieinhalb Jahre lang hat man einer Regierung, die massiv investieren wollte, aus rein ideologischen bzw. parteitaktischen Motiven (merke: Ideologen sind immer nur die anderen) jegliche Zusammenarbeit verweigert, Hetzkampagnen gegen sie gefahren, ihr Stöcke zwischen die Beine geschmissen wo es nur ging und dabei auch ein Schrumpfen der Wirtschaft zumindest billigend in Kauf genommen, wenn nicht vorsätzlich herbeigeführt. Das Märchen verbreitet, paar Kürzungen bei Arbeitslosen, Peruanischen Radwegen und Zuwanderern würden schon reichen. Sobald man dann aber selbst am Ruder ist, tritt eine andere CDU-Maxime aus Adenauers Tagen in Kraft: Wat kümmert misch mein Jeschwätz von jestern?
Und deswegen darf man jetzt auch nicht so furchtbar pingelig sein, wenn Merz exakt das tut, was er noch vor einer Woche kategorisch ausgeschlossen hat. Weil: staatspolitische Verantwortung und so. Wahlversprechen? Also bitte! Es geht schließlich um -- Tusch! -- Deutschland.
Ironie off. Natürlich kann man so einiges dazu sagen. Dass die Ess-Peh-Deh mal wieder bereitwillig in eine hingehaltene Hose sc****t. Dass von der Kohle in erster Linie Waffen angeschafft werden. (Was doof ist, ich auch nicht toll finde, was ich aber angesichts der momentanen Weltlage leider für, sagen wir, überaus alternativarm halte.) Aber, es gibt tatsächlich auch eine gute Nachricht: Die Schwäbische HausfrauTM als Leitstern der Politik, mit der hier wider alle ökonomische Vernunft zwanzig Jahre lang systematisch alles runtergerockt wurde, sodass bei der EM letztes Jahr sogar Besucher:innen von den Britischen Inseln entsetzt bis mitleidig die Köpfe schüttelten, ist hiermit offiziell Geschichte. Ding Dong! Und das ausgerechnet dank Donald Trump. Ironie doch nicht off.
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"Ess-Peh-Deh"
AntwortenLöschen... war ich seit den späten siebzigern 3 x Mitglied und 3 x wieder ausgetreten. Habe sie dann weitere Dekaden lang gewählt — OK — waren ein paarmal "Die Linke".
Seit Februar ist Schluss mit SPD-wählen. Geht beim besten Willen nicht mehr.
So schrub ich sinngemäß .
Dieser Kotau vor dieser CDU seitens der SPD ist aus den oben genannten Gründen nicht mehr zu akzeptieren.
Lest mal meinen Beitrag an dieser Stelle von vor 3 Jahren.
Dort schrub ich sinngemäß, dass die SPD doch ruhig der CDU die Regierungsverantwortung überlassen sollte ( übrigens meinerseits mit den heute angeführten Argumenten ...) und in die Opposition gehen sollte.
Damals war man hier übrigens gegenteiliger Meinung ...
Gruß Jens
... eben noch mitbekommen, dass aktuell James Carville in den USA meine damals hier vertretene These dort nun (unter deren Voraussetzungen) ebenfalls vertritt. Ex vulgo: sollen sie solange Scheisse bauen, bis es auch der der letzte verblödete TikTokker einsieht. Es muss allen richtig weh tun, bevor sich das allgemeine Bewusstsein trotz sozialer Medien-Beeinflussung ändert
AntwortenLöschenGruss Jens
Da scheint man in den USA inzwischen auf einem guten Weg.
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