"Die Satire wird von der »Realität«, wenn man die überhaupt noch so nennen kann, der bösen Politclowns nun immer schon rechts überholt, bevor man eine Idee überhaupt notiert hat. Verzweifelt versucht dann der Witzemacher jeweils noch eine Schippe draufzulegen -- das Florett hat ausgedient, stattdessen ficht er im Akkord mit dem Vorschlaghammer und ersinnt nur noch völlig hanebüchene Szenarios. [...] Während Putin Schwerkriminelle aus dem Knast holt und in den Krieg schickt, um dort die geballte Sachkompetenz im Morden, Plündern und Vergewaltigen zu erhöhen, engagiert Trump Verbrecher, um sie direkt in Berater- und Ministerposten zu hieven." (Ulli Hannemann)
Letztens kam hier in den Kommentaren der Gedanke auf, dass Friedrich Merz vielleicht nicht so dumm sei wie er scheine. Weil hinter seinem teils unverständlich erscheinendem Verhalten eventuell ganz ausgefuxte spieltheoretische Konzepte stecken. Das mag sein. Kann ich nicht beurteilen. Ich würde eh dringend davor warnen, Menschen, die Dinge sagen und tun, die einem dumm erscheinen, auch für dumm zu halten. Donald Trump mag ungebildet und unkultiviert sein und einen Fcik auf Konventionen geben, aber das bedeutet nicht, dass er auch dumm ist. Dazu ist er, leider, zu erfolgreich bei dem, was er tut.
Auch Merz ist natürlich nicht dumm. Er mag vielleicht provinziell sein und geistig in den 1990ern stehen geblieben, aber dumm ist er eben genau nicht. Sonst wäre er, ob es einem passt oder nicht, nicht dort, wo er ist. Unabhängig davon meine ich bei seinem öffentlichen Auftreten und in seinen Äußerungen eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu erkennen. Und ich frage mich, ob er wirklich in der Lage ist, sein Verhalten (selbst-)kritisch zu reflektieren. Nur ist er damit nicht allein. Man fragt sich: Sind Politik und Medien am Ende vielleicht gar keine Antipoden, wie immer behauptet, sondern kommunizierende Röhren? Ok, rhetorische Frage.
Gerade am medialen Umgang mit der AfD, vor allem mit Ex-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, hat sich in letzter Zeit exemplarisch gezeigt, welch geistige Enge in Teilen des deutschen Medienlandschaft herrscht. Die Tante hat sich ein ums andere Mal in von eifrigen Journalistenschulstrebern geschliffen geführten Interviews blamiert, aber das schien ihr egal zu sein. Für AfD-Fans war jede dieser Veranstaltungen eh nichts anders als bloß ein weiterer Beweis dafür, dass der linksgrüne ÖRR-Regierungsfunk schnellstens abgeschaltet und abgewickelt gehört. Weidel selbst hat das locker an sich abperlen gelassen und im Stillen gedacht haben: "Warte Freundchen, das arrogante Lachen wird dir noch vergehen!".
Man kann ihr noch so oft ihre, hihi, diversen Widersprüche unter die Nase reiben, von wegen, wie sie als im Ausland lebende und privat in der alternativen Künstlerszene sich bewegende lesbische Frau, zumal mit migrantischer Partnerin, denn in solch einer Partei... Wo doch schon die Nazis... Haha, erwischt! Das hat nichts gebracht, bringt nichts und wird nichts bringen. Aus zwei Gründen:
Erstens ist Weidel als Libertärer der 'patriotische' und der Faschokram in Teilen ihrer Partei vermutlich piepegal und trifft sie daher auch nicht. Die Frau ist reine Karrierepolitikerin und natürlich nicht so dumm, dass sie nicht wüsste, was mit Ernst Röhm einst passiert ist. Sollte es je eine parteiinterne Fronde geben gegen sie -- womit momentan aber nicht zu rechnen ist, weil sie zu nützlich ist -- , packte sie die Koffer, verschwönde zu Frau und Kindern in die Schweiz, wo sie praktischerweise einen Wohnsitz hat, heuerte bei irgendeinem rechten Think Tank an und schriebe fortan brisante Enthüllungsbücher.
Zweitens gehen Journalisten, die sie damit demaskieren, entlarven, grillen wollen etc., ihrer eigenen identitätspolitischen Denke auf den Leim. Sie gehen offenbar davon aus, dass ein 'richtiges' Leben nur eines sein kann, in dem öffentliche und private Person eins sind und ein bestimmtes Attribut -- hier: Homosexualität -- zwingend mit einem ganz bestimmten Lebensstil und Mindset einher zu gehen hat. Nur dürften, abgesehen von ein paar Bekloppten, inzwischen auch stramme AfDler kein echtes Problem mehr mit Schwulen und Lesben haben. Solange diese, ganz wichtig, ihre Orientierung privat und diskret ausleben und die Öffentlichkeit nicht mit ihren CSD-Paraden o.ä. behelligen (und einen so auch nicht mit eventuellen dunklen Ecken des eigenen Begehrens konfrontieren).
Zumal es auch hochgradig geschichtsvergessen ist, Weidel mit ihrer sexuellen Orientierung packen zu wollen. Im Gegensatz zu schwulen Männern wurden lesbische Frauen vom NS-Regime gar nicht systematisch verfolgt (auch der schandbarerweise bis 1994 geltende § 175 StGB beschränkte sich auf sexuelle Handlungen unter Männern). Die durch das Buch und den Film 'Aimée und Jaguar' bekannt gewordene Journalistin Felice Schragenheim (1922-1945) etwa wurde nicht verhaftet und in Auschwitz ermordet, weil sie Frauen liebte, sondern weil sie Jüdin und in einer Untergrundorganisation aktiv war. Ihrer Freundin Lily Wust (1913-2006), einer NS-Vorzeigeehefrau und -mutter, krümmte das Mordregime hingegen kein Haar. Auch die dauernden Nazi-Anwürfe konnte Weidel daher ganz easy abtropfen lassen.
Also, wieso wurde sie jenseits von Proporz ('Duelle', 'Quadrelle', aua!) andauernd eingeladen zu Talkshows und warum wurde ihr jede Menge Sendezeit gegeben (wohlgemerkt noch vor der Wahl)? Ich kann natürlich keine Gedanken lesen, halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass die, die sie da -- in bester demokratischer Absicht, versteht sich -- öffentlich zu besiegen trachteten, immer wieder Weidels Intelligenz unterschätzt und ihre eigenen Möglichkeiten überschätzt haben. Nicht zu begreifen schienen, wie die Zeiten sich geändert haben. Alle diese Versuche erwiesen sich als nutzlos. Weil die AfD sich weigert, nach ihren Regeln zu spielen und wie die Taube auf dem Schachbrett einfach behauptet, der Mond sei aus Käse und ihr alle noch so ausgefeilten Gegenargumente egal sind und ihre Anhänger sie genau dafür feiern.
Und dann glauben sie, es Weidel gezeigt zu haben und am nächsten Tag steigen die Umfragewerte der AfD weiter und dann kommt die nächste Einladung: Weil, hey, laden wir sie auch mal ein, wir kriegen die schon klein. Harrharr, wir! Und so fort. Sollte das so gewesen sein: War wohl nicht so erfolgreich.
Mehr noch: Die AfD hat es im Bundestagswahlkampf hinbekommen, allen Parteien, mit Ausnahme der Linken plus den Jusos und der Grünen Jugend vielleicht, ihr seit 2015 sorgsam gepflegtes Megathema Migration aufs Auge zu drücken, sodass am Ende alle, CDU/CSU, SPD, FDP BSW und sogar die Grünen, geredet haben wie eine AfD light. Obwohl Umfragen konstant ergeben haben, dass Migration für die Deutschen zwar ein wichtiges, aber eben nicht das allerwichtigste ist und die Menschen sich mindestens so sehr um Krieg, Jobs, Mieten und ihre Rente sorgen, plapperten sie alle das AfD-Narrativ nach, wenn wir das mit der Migration in den Griff kriegten, dann werde alles gut. Es mag einem ja nicht passen, aber wer so was schafft, ist definitiv nicht dumm.
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