Samstag, 9. November 2019

11-9


Der 9. November 1989 war ein Donnerstag und ich hatte Spätschicht, weil ich da Zivildienst im Krankenhaus machte. In den beiden Viererzimmern der Station herrschte meist gute Stimmung, denn dort waren in der Regel Patienten mit leichteren Gebresten untergebracht. Als ich den Raum betrat, um die Tabletts vom Abendessen wieder einzusammeln und dabei meine abendliche Blutdruck-, Temperatur- und Pulsrunde zu erledigen, sagte einer: "Hey, Stefan, schon gehört? Die Berliner Mauer ist offen." Und ich so: "Ja, Willi, ich komm gleich Fieber messen. Tabletten schon genommen?" Und er so, indem er auf den Fernseher zeigte: "Nee, ehrlich. Guck doch mal." (Patienten, mit denen man sich einfach duzte, waren oft die netteren.)

Mittwoch, 6. November 2019

Provinz.


Woran merkt man eigentlich, dass man in der Provinz lebt? Ich behelfe mir immer so: Provinzstädte sind zuverlässig daran zu erkennen, dass sie um Himmels Willen keine sein wollen. Daher betreiben sie mitunter einigen Aufwand, um krampfhaft als megahippe, coole Metropolen zu erscheinen, in denen Tag und Nacht der Bär aber so was von steppt. Wenn nicht gerade der Papst boxt. Echten Weltstädten hingegen pflegt so was ziemlich egal zu sein. Kein New Yorker/Londoner/Tokioter/Berliner/… muss  eigens daran erinnert werden bzw. muss sich selbst andauernd vergewissern, in einer Weltstadt zu leben. Wer das trotzdem nötig hat, outet sich zuverlässig als Tourist oder als Zugezogener. Schlimmstenfalls aus Schwaben.

Montag, 4. November 2019

Kulturimperialismus


Ganz harmlos fing es vor ein paar Jahren an. Mit einem Oktoberfest. Geh, hab dich doch net so, ist doch alles nur Gaudi. Haben sie gesagt damals. Jetzt kommen sie in Scharen über den Weißwurstäquator angeschissen und fangen an, sich unserer Innenstädte zu bemächtigen. Dabei ist das doch eine ganz andere Kultur! Ist das schon die große Umvolkung? Wann werden sie uns überfremdet haben? Wann werden sie uns zwingen, Lederhosen und Dirndl zu tragen? Schnackseln sie schon unsere Frauen? Wacht!!!!1!Endlich!!1!! AUF!111!1

Samstag, 2. November 2019

Preisfragen


"Das politische Thema des Tages ist in Thüringen* der Wahlerfolg der AfD* und die Frage nach den Gründen für ihn. […] Man muß zunächst übertriebene Auffassungen zurückweisen: der Kern der Wählerschaft hat an der guten demokratischen Tradition des Landes festgehalten; nur ein - allerdings ansehlicher [sic] - Bruchteil ist der [...] Werbung der Rechtspopulisten* widerstandslos erlegen […]. Es sind die Leute der nationalen Romantik, die die Götzendämmerung des Nationalismus noch nicht erkennen [...]. Es sind die Leute mit dem kurzen Gedächtnis, die [...] sich auch absolut nicht mehr daran erinnern, wie es früher* bei uns aussah und wie ungeheure Fortschritte wir, so groß die Not breiter Volksschichten immer noch ist, seither, doch ganz unbestreitbar politisch und wirtschaftlich gemacht haben. Es sind die Leute, die innerlich so durcheinander gebracht sind, daß sie kritiklos auf jede Hetze reagieren und jeden Schwindel glauben, der ihnen von skrupellosen Spektakelmachern vorgesetzt wird. [...]

Mittwoch, 30. Oktober 2019

Erfurter Allerlei


Vorsicht vor dem 'Volk'

Die AfD ist bekanntlich 2013 gegründet worden und steht seither zur Wahl. Seit Sonntag ist in allen fünf neuen Ländern seit 2013 mindestens einmal gewählt worden. Mit folgenden Ergebnissen:

Sonntag, 27. Oktober 2019

Keine Kataschtrophe


'Asterix' Band 38 im Test


Eigentlich sah es so aus, als sei das Kapitel 'Asterix' nach dem komplett misslungenen letzten Band der Reihe für mich erledigt. Nur gehöre ich zu denen, die einst mit 'Asterix' groß geworden sind. So was prägt. Außerdem ist die Aufgabe, die Zeichner Didier Conrad und Texter Jean-Yves Ferri zu stemmen haben, keine kleine, beim Teutates. 'Asterix' war nie bloß ein trivialer Comic, der von A nach B geht, sondern ist ungeheuer vielschichtig und anspielungsreich. 'Asterix' ist Abenteuergeschichte, Komödie, Märchen, historische Erzählung, Parodie auf die deutsche Besetzung Frankreichs im zweiten Weltkrieg und die Résistance, Feier der französischen Lebensart, der Liberalität und des Individualismus, Satire und vieles mehr, meist auf einmal. Hohe Literatur. Eine Riesenhypothek.

Donnerstag, 24. Oktober 2019

Bildungsfernsehen (2)


Der Soziologe Andreas Kemper ist sozusagen AfD-Experte der ersten Stunde. Wie es dazu gekommen ist, erklärt er im Interview mit Thilo Jung in der 'Jung & Naiv'-Folge 442. Auch sonst gibt es einiges zu lernen: Über Faschismus im Allgemeinen, Macchiavelli, und die Verbindungen gewisser Leute einer bestimmten, sich selbst als 'bürgerlich' gebenden Partei in die Neonaziszene. Und warum Björn Höcke aller Wahrscheinlichkeit nach derjenige ist, der sich hinter dem Pseudonym 'Landolf Ladig' verbirgt (und warum das wichtig ist). Das Video dauert gut eindreiviertel Stunden. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn es ist hoch informativ und deswegen auch kurzweilig. Wie fast immer, wenn man einem Experten zuhört, der Substanzielles zu sagen hat.

Montag, 21. Oktober 2019

Jenseits der Blogroll - 10/2019


Wie immer, wenn eine 2 die erste Datumsziffer ist, die Fundstücke und Links des Monats:

Politik. Stefan Sasse über den strategischen Totalbankrott, den die USA und 'der Westen' in Syrien angerichtet haben. In einem ebenfalls lesenswerten Beitrag vom letzten Jahr geht es um die Frage, wieso Verhandlungen leider kein diplomatisch-weltpolitisches Wundermittel sind, sofern man keine militärische Drohkulisse im Rücken hat und dass es ein Irrtum ist zu glauben, die Welt würde friedlicher, wenn man komplett auf Militär verzichtet.

Samstag, 19. Oktober 2019

Biederer Brandstifter


Mir ist da jetzt etwas klar geworden, das ich offenbar lange verdrängt hatte. Nicht wahrhaben wollte. Aus Scham. Aus Schmerz vermutlich. Aber einmal muss es mal sein, es hilft nichts Irgendwann muss es ja mal raus. Hochgeschätztes Publikum, bringen Sie bitte Ihre Sitze in eine aufrechte Position und schnallen Sie sich an:

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Pizza fratello maggiore


Kennen Sie das auch? Treibt Sie das auch so um? Diese nagende Angst vor dem schludrigen Pizzadienst? So ziemlich jeder bestellt irgendwann mal eine Pizza. Weil kein Bock oder keine Zeit fürs Selbermachen. Weil's manchmal halt muss. Also ganz altmodisch zu dem bunten Flyer mit den bunten Bildern gegriffen, der in der Küche hängt (bei den meisten an der Pinnwand, so vorhanden, oder auf der Kühlschranktür - ich kann hellsehen!) und das Gewünschte per Telefon oder, ganz Digital native, per App geordert.