Freitag, 31. Mai 2019

Durchhalten, Annegret!


Groß war die Aufregung über Annegret Krampf-Knarrenbauer. Denn die wollte "alle umbringen, die nicht konservativ und aus dem Saarland sind". Nein, natürlich nicht, sie fand lediglich, man müsse über gewisse Regeln des Online-Diskurses nachdenken, weil ein so ungezogener u30er ohne Respekt vor dem Alter, der offenbar so wenig ausgelastet ist, dass er noch Gelegenheit hatte, ein Video zu drehen, mit der CDU eher wenig freundlich umgesprungen ist und - das ist die wahre Katastrophe für alle, die ticken wie AKK - auch noch großen Erfolg hatte damit. Und da ist natürlich zappenduster beim Social Media-Durchschnittsdödel. Wer der Meinung ist, das Internet müsse irgendwie reguliert werden, so viel steht fest, will die Meinungsfreiheit abschaffen. Mindestens.

Dienstag, 28. Mai 2019

Drachenfutter im Pott


Was eine simple Schokoladentafel über gesellschaftliche Verhältnisse aussagen kann

Interessant, wer oder was hier im heimischen Ruhrpott so alles von der Montanindustrie abhing. Letztens zum Beispiel geriet mir ein altes Bild einer Tafel Novesia Goldnuss in den Blick. Und schon kam die Kindheit wieder hoch. Die 'Goldnuss' war eine für die damalige Zeit sehr edel in grün-goldener Pappe verpackte Schokolade. Besonderer Clou war ein Sichtfenster aus Zellophan, das den Blick auf ein Stück der Tafel und die darin enthaltenen ganzen Nüsse freigab. Hier wird nicht geschummelt, sollte das wohl bedeuten. Auf jeden Fall aber: Das ist was besonderes, was anderes als die sandige Blockschokolade, die man mit dem Hammer essen muss. Eine Zeitlang gab es sogar die 'Garantie 27'. Wer weniger als 27 ganze Nüsse in der Tafel vorfand, konnte sie zurückschicken und bekam Ersatz plus Porto in Naturalien.

Samstag, 25. Mai 2019

Endlich!


Ehrlich, ich bin Menschen wie Greta Thunberg und Rezo unendlich dankbar. Ich bin ein Alter Sack und habe live und in Farbe miterlebt, wie es damals in meinem bürgerlichen Umfeld für gymnasiale Jugendliche schon mit u18 schick wurde, sich anzupassen, der JU beizutreten, Helmut Kohl cool zu finden und auf Geburtstagen, bei denen 'reingefeiert' wurde, zu Ehren des Jubilars die Nationalhymne anzustimmen. Ich bin gottfroh für jedes kleinste Anzeichen dafür, dass es wieder cool werden könnte, uns Alten Säcken mal wieder ein wenig Feuer unterm Dach zu machen. Wir, damit meine ich mich mit, haben es nämlich verdient. Gar nicht mal mangels guten Willens, sondern wegen unserer Ignoranz und Trägheit.

Dienstag, 21. Mai 2019

Jenseits der Blogroll - 05/2019


Die Fundstücke und Leseempfehlungen des Monats: Politik. Als das Ereignis mindestens der Woche kann das unfreiwillige Filmdebut von zwei ehemaligen Teilen der FPÖ-Führungsriege gelten. (Meine Güte. Erst HC Strache als Depp enttarnt und nun auch noch Niki Lauda verstorben! Was muss dieses schwerst geprüfte Nachbarland noch alles ertragen? Und wie geht es eigentlich Dietrich Mateschitz?) Diverse getroffene Hunde jedenfalls jaulten sofort so herum, wie es zu erwarten war: Whataboutism, Täter-Opfer-Umkehr, relativieren, Rachephantasien, wirre Geheimdienst-Spinnereien und natürlich das unerlässliche, klebrige Selbstmitleid. Eine der besten Analysen der Methode Strache kommt von Nils Minkmar, schöne Polemiken von Bernhard Torsch und Robert Misik.

Samstag, 18. Mai 2019

Not. Gonna. Happen.


Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin entzückt und freue mich wie ein Schnitzel, dass der inzwischen zurückgetretene österreichische Vizekanzler Heinz 'Bumsti' Christian 'Dreibier' Strache und sein mindestens genauso doofer Schoßhund und Leibfux Johann 'Wotan' Gudenus nunmehr ziemlich ohne Hosen dastehen. Weil sie sich in diesem Oligarchenvilla-Video im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte exakt als die quasimafiösen Hackbraten erweisen, für die sie von ihren politischen Gegnern schon immer gehalten wurden. Unter anderem ließen die Herren sich zu dem Angebot hinreißen, die privatwirtschaftliche, mehrheitlich im Besitz der Funke Medien Gruppe befindliche 'Kronen Zeitung' in russische Hände zu überführen.

Freitag, 17. Mai 2019

Wiglaf Droste (1961-2019)


Der Moment, in dem ich vom Tod meines Lieblingsautors Wiglaf Droste hörte, war einer der Momente, in denen ich als Agnostiker gern gläubig wäre. Wie tröstlich muss die Gewissheit sein, dass da einer zwar aus diesem Leben gehen musste, jetzt aber irgendwo drüben ist. Wo das, was nicht begraben wird von ihm, es sich in einer Tour gut gehen lässt, keine Schmerzen und keine Angst mehr kennt, vielleicht gar von seiner Wolke kopfschüttelnd oder milde belustigt auf das Treiben derer blickt, die er zurückgelassen hat, derweil er sich auf ewig mit Harry Rowohlt genüsslich einen verkasematuckelt. Sie halten sich raus, Dawkins!

Mittwoch, 15. Mai 2019

Schmähkritik des Tages (28)


Heute René Hamann über die Schunkel-Shanty-Band 'Santiano'

"Es gibt Abgründe in dieser Welt, von denen man gar keine Ahnung hat, dachte ich, während ein ice-cold weißer Hybrid-SUV von BMW an uns vorbeischaukelte, fast geräuschlos. Von hinten hörten wir: eine Fiedel, ein paar Flöten, einen Schunkelrhythmus, eine reibeisenharte Männerstimme. Eine Mischung aus Seefahrerliedern und Mittelalterrock mit stark irischer Anmutung. Waren das die Pogues? Nein, dafür war die Musik zu schlecht. Die Levellers oder Poems for Laila? Nein, die Musik war deutscher, auf keinen Fall studentisch oder links. Sie war erwachsener, spießiger. [...]

Montag, 13. Mai 2019

Sonntagsbummel: Geisterstraße


Sie sehen hier, Mesdames et Messieurs, was von einer der wichtigsten Einkaufsstraßen meiner bescheidenen Heimatstadt im Jahr 2019 noch übrig ist. Beste Innenstadtlage übrigens. Im unteren Teil werden zur Zeit sechs von ca. 30 Ladenlokalen genutzt. Ein gut gehender Friseursalon, zwei Fotogeschäfte, ein Stoff- und Gardinengeschäft, ein öffentlich geförderter Second-Hand-Laden für Kinderbekleidung und ein Juwelier. Im ersten Stock noch ein Bildungsträger und einmal Thai-Massage. Zuletzt haben ein türkischer Kiosk mit Spätverkauf, ein Spielwarenladen, eine Stehpizzeria und eine SB-Aufbackfiliale die Segel gestrichen (lassen Sie sich durch das 'Kino'-Schild nicht täuschen, das ist nach der Schließung vor knapp 20 Jahren einfach drangeblieben).

Samstag, 11. Mai 2019

Ronny des Monats - Mai 2019


Das Fiese an den Zeiten, in denen wir zu leben haben, ist ja, dass man sich nicht so recht entscheiden kann. War das, was seit einiger Zeit überall an die Oberfläche schwappt, wirklich vorher in diesem Ausmaß nicht da oder traut das Pack sich inzwischen einfach nur mehr? Das ist nicht einfach zu beantworten, ich würde sagen, sowohl als auch. Vermutlich hat es was damit zu tun, dass man sich heute - Kachelmann lässt grüßen - besser vernetzten kann und noch für die abgefahrensten Minderheitenmeinungen Bestätigung findet. Leute, die glauben, Impfen sei tödlich, die Erde flach oder die Bundesrepublik kein souveräner Staat, wären vor, sagen wir, 20 Jahren ziemliche Außenseiter gewesen und haben sich bedeckt gehalten. Soziale Netzwerke und die unter deren Haube tickenden Algorithmen sorgen dafür, dass man sich als Teil einer ernst zu nehmenden Bewegung begreifen kann. Was dann auch Zulauf generiert.

Mittwoch, 8. Mai 2019

In Edekas Neandertal


Warum es zu kurz greift, den umstrittenen Edeka-Muttertagsspot nur für männerfeindlich zu halten.

Männer, Familienväter zumal, in allen häuslichen Belangen als in jeder Hinsicht überforderte, imbezile Totalausfälle darzustellen, gehört in der wunderbaren Welt der Reklame seit Jahrzehnten zur Standardfolklore. Die vermutlich angepeilte Kernzielgruppe - jene Frauen, die, Marktforschungen zufolge, im durchschnittlichen Privathaushalt inzwischen 80 Prozent aller Konsumentscheidungen treffen - mag das erheitern. Meinetwegen, so's einen denn weiterbringt (nicht mein Menschenbild, nicht meine Peergroup). Männer fühlen sich durch so was jedenfalls zunehmend angepisst und reagieren genervt, in sozialen Netzwerken zumal.