Montag, 17. November 2025

Good news - bad news


Dass es besser ist, sich mit der Tatsache zu arrangieren, dass die Ganzrechten erst einmal nicht mehr verschwinden werden, sondern sich als politische Kraft rechts der Konservativen dauerhaft etabliert haben und es bis auf weiteres nur darum geht, sie von den Schaltstellen der Macht möglichst fernzuhalten, sollte, auch wenn’s widerstreben mag, Konsens sein. Dass es ferner Kokolores ist, die Rechten kontrollieren bzw. kleinhalten zu wollen, indem man ihre Forderungen erfüllt, war hier auch schon Thema, und zwar so oft, dass man das wirklich nicht noch einmal vorbeten muss. Die Umfragewerte sprechen da eine überdeutliche Sprache.

(Und nein, es ist keineswegs undemokratisch, die 'A'fD von der Macht fernhalten zu wollen. So lange diese Partei in Teilen gesichert rechtsextrem ist, sollte man auf deren Gejammer von wegen "undemokratisch" nicht hereinfallen.)

Der größte Fehler aber wäre, jetzt in nonchalante Resignation zu verfallen und zu sagen, man könne doch eh nichts machen, das sei eben so, werde schon nicht so schlimm werden.

Es ist nämlich mitnichten so, dass es nicht auch gute Nachrichten gäbe: Mehrere Beispiele in letzter Zeit, etwa die Wahlen in New York und in Virginia sowie die Parlamentswahlen in den Niederlanden haben gezeigt, dass es sehr wohl möglich ist, Rechte erfolgreich zurückzudrängen. (Erwähnt sei auch die ÖVP/SPÖ/NEOS-Koalition in Österreich, die im zweiten Anlauf einen 'Volkskanzler' Kickl verhinderte und der es durch unaufgeregte Regierungsarbeit seither gelingt, die FPÖ-Krawallos weitgehend aus den Schlagzeilen zu halten.) 

Mit der wichtigste Trick von Rechten ist es, den Menschen das Gefühl zu geben, an all ihrem Elend seien Ausländer, Linke und Grüne schuld, Migration sei das Megathema Nummer eins und die Welt stünde quasi kurz vor dem Kollaps, wenn die Humantätsduselei mit den Menschenrechten jetzt nicht schnellstmöglich über Bord geworfen würde. Dem ist folgendes entgegenzuhalten: 

Erstens: Die Welt steht mitnichten kurz vor dem Untergang. Nicht irre machen lassen.
Zweitens: Migration ist für die meisten Menschen gar nicht das wichtigste Thema.
Drittens: Ja, es gibt Probleme, und die müssen auch benannt werden, aber ohne rassistische/diskriminierende Begleitmusik. 
Viertens: Diese Probleme sind grundsätzlich lösbar, und zwar ohne den Boden der Verfassung zu verlassen.
Fünftens: Sich nicht die Themen von rechts diktieren lassen und versuchen, den Misthaufen zu überstinken, sondern eigene Themen setzen. 

Den meisten Menschen in Deutschland dürfte inzwischen klar sein bzw. sie dürften sich zumindest damit arrangiert haben, dass es in Zukunft ohne Migration nicht gehen wird, wenn wir hier auch nur halbwegs so weiterleben wollen wie bisher, und dass Rechte darauf nicht wirklich eine Antwort haben. Bzw. dass die Antworten, die sie haben, Quatsch sind. So gibt es zum Beispiel 'Vordenker' im Umfeld der 'A'fD, die meinen, natürlich würde ihre Politik die Deutschen grosso modo ärmer machen, aber das sei vielleicht gar nicht so übel, denn die meisten seien durch die ganzen Annehmlichkeiten eh dekadent und träge geworden. Nun ja. 

Die Themen jedenfalls sind auch nicht schwierig zu finden. Der New Yorker Bürgermeister Zohram Mamdani machte 'Affordability' zu seinem zentralen Wahlkampfslogan, was man etwa mit 'Bezahlbarkeit' übersetzen kann (Heidi Reichinnek verwendete bei einer Konferenz den Begriff 'Bread and butter themes'). Das bedeutet, die meisten Menschen erwarten zuvörderst von der Politik, dass sie sich ihr Leben leisten können. Bezahlbarer Wohnraum, günstiger oder kostenloser Nahverkehr, leistbare Lebensmittel, eine Perspektive über das nächste Jahr hinaus und dass am Ende des Monats noch was übrig ist. Dann erledigt sich schon so einiges. 

Es ist also keine Raketenwissenschaft. Mindestens zwei schlechte Nachrichten gibt es allerdings auch: Die Fähigkeit, mittig-linker politischer Kräfte, in jede hingehaltene Hose zu schxxen, ist immer noch ungebrochen, wie die US-Demokraten wieder einmal bewiesen haben. Und wenn man Linke wählt, bekommt man in diesen Zeiten immer öfter mehr oder minder verkappte Antisemiten.


(Die kurze Blogpause war übrigens einem fiesen Infekt geschuldet, der mir letzte Woche die Gehirnwindungen komplett verklebt hat. Für's Protokoll.)







 

10 Kommentare :

  1. Es gibt bereits eine Möglichkeit, die AfD von der Macht fernzuhalten: indem man sie nicht wählt bzw. eine andere Partei. Das ginge ganz leicht und ohne den Boden der Verfassung zu verlassen.
    Man bliebe sogar auf diesem Boden, wenn man das Wählen ganz sein ließe. Was wiederum durchaus eine Alternative wäre, denn die anderen Parteien beinhalten (in Teilen) ja auch allerlei Unangenehmes: Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, verlogenen Opportunismus und schlicht: Dummheit. Bzw. auch sowas wie z.B. den Linnemann (der mir kaum weniger Brechreiz verursacht als der Chrupalla). Was diese Parteien offensichtlich nicht zu Kandidaten für ein Verbot macht. Schade eigentlich ...

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  2. "würde ihre Politik die Deutschen grosso modo ärmer machen"
    "die meisten Menschen erwarten zuvörderst von der Politik, dass sie sich ihr Leben leisten können"
    ... nun ja, da könnte man dagegen halten, dass die CO2-Steuer ja genau so etwas darstellt. Die Energie-intensive europäische Industrie jammert zurecht. Und das Staatsversagen bei den fehlenden Kontrollen, sei es Schwarzarbeit oder Einfuhrzoll auf chinesische Billigwaren, ist inzwischen bekannt.
    Von den damaligen Entscheidungen in Bezug auf Solar- und Windenergie wollen wir gar nicht reden ...
    Seis drum — kann man drüber diskutieren.
    Aber — das macht wahrscheinlich nur einen Teil aus.
    Wirklich ärmer wird die BRD durch falsche Manager-Entscheidungen.
    Bayer Leverkusen — man hatte vor dem Monsantokauf gewarnt.
    Ford Köln — man hatte vor den "Iconic Cars" gewarnt
    VAG — man war sich um die Risiken bei der Software-Entwicklung bewusst.
    Wenn es zukünftig waschstumsmäßig weiter mau aussehen sollte, könnte man über die aktuelle Bildungsmisere reden. Oder über die Frage, wo denn die zukünftige Manager-Elite herkommen soll. Dazu empfehle ich übrigens gerne das Buch von Julia Friedrichs "Gestatten: Elite"
    Gruß Jens

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  3. Hier ist noch ein ermutigendes Beispiel: https://jacobin.de/artikel/irland-wahl-catherine-connolly-praesidentin
    Nicht allein das Faktum, sonder der Weg ist interessant und möglicherweise auch was für hier... (wenn nicht die Bedenkenträger wieder barmen: "Jaaaa, das sind aber ganz andere Verhältnisse dort, das funktioniert bei und nicht." Genau wie ein Tempolimit und anderes.

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  4. Man muss die Rechten nicht mögen, wähle die auch nicht, aber Altersarmut, radikale Verschärfungen beim ehemaligen Bürgergels, fehlende Bürgerbeteiligung, Aufrüstung, dubiose Trennung im ÖD zwischen Beamten und Angestellten usw.Sie Rechten sind bisher an nichts davon schuld gewesen!

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    1. Was? Was ist denn bitte für ein Argument? Warten Sie mal ab, was passiert, wenn die Rechten erstmal an was Schuld sind.

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    2. Weil die, die jetzt als Rechte bezeichnet werden, noch gar nicht existiert haben und die Verantwortlichen sich nicht als "rechts" bezeichnen, auch wenn sie Politik in deren Sinn betrieben haben und betreiben?
      Sollen das Entschuldigungen sein?

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    3. Naja, welche Argumente kommen von Dir? Die AFD ist halt zu stark für Wahlfälschung, aber regieren wird man sie nicht lassen! Bürgergeld bekommt Verschärfungen, Kriminelle nicht abgeschoben, passt ja hier den Usern scheinbar!

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  5. Immer wieder witzig, wie das Personal als Heilsbringer bezeichnet wird.

    Zum "ärmer" werden:
    Wenn man die Daten vergleicht, srellt man fest, dass die "Energiewende" weineswegs ein ökologisches oder soziales Thema ist, sondern ein Baustein der Finanzwirtschaft.
    Das passt auch prima zum derzeitigen Kanzler und seinem Kurs.
    Die "Deindustrialisierung" setzt Kapital frei, dass stattdessen in internationale Finanzprodukte umgelagert werden kann.
    Vergleicht man zum Beispiel die Gewinnsteigerungen der grossen deutschen Banken mit den Insolvenzen der KMU über die letzten Jahre, ergibt sich ein klares Bild.

    Aber da das strategisch ist und die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne reziprok proportional zum Verweil in "sozialen Netzen", verfangen simple Lösungsangebote ohne Fundament zunehmend.

    Deshalb dreht sich die Diskussion so sehr im Kreis.

    Gute Besserung an den Hausherrn ;)

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    1. Danke, nicht nötig, mir geht's gut. Ihnen weiterhin einen angenehmen Aufenthalt im Schwurbelland.

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  6. Zur Opferstilisierung und dem Aufbau von Feindbildern (Absätze "Erstens" bis "Fünftens" sei angemerkt:
    >>Die Erzählung vom Faschismus als Notwehr-Reaktion auf eine drohende Machtübernahme von links ist übrigens das Selbstbild des Faschismus selbst. Er wehrt sich ja nur gegen die jüdisch-bolschewistische Verschwörung und hat es mit übermächtigen Gegnern zu tun. In der Notwehr ist alles erlaubt.<<

    — Natascha Strobl (@nataschastrobl.bsky.social) 28. August 2025 um 09:34

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