Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Samstag, 23. Juni 2018
Einer von uns
Mesut Özil ist in Gelsenkirchen quasi auf dem Aschenplatz groß geworden. Als wie er im Ruhrgebiet Sozialisierter weiß ich ungefähr, was das heißen kann. Fußball hat hier schon immer und immer noch mehr mit Maloche zu tun als mit Spiel, noch einen Tick mehr mit Eierhaben (Kahn) und Dreck fressen als anderswo. Auf zahlreichen Plätzen beschränkt sich das Standardrepertoire taktischer Anweisungen noch immer auf: "Tu ihn angehön!", "Los, tretn'umm!", "Lass domma datt Fummeln, ey!", "Lauf, du Sack!" und "Getz spieldo'ab, Mann!". In dieser Welt ist der Ruf, ein 'Schönspieler' zu sein, mitunter fatal. Wer ihn anpappen hat, muss doppelt so gut sein wie jeder rustikale Gegnerumhauer. Wem noch das verwandte Etikett, eine 'Schwuchtel' zu sein anhaftet, dreimal so gut. Wenn überhaupt.
Donnerstag, 21. Juni 2018
Nicht ganz dicht
Momentan droht die Regierung ja an der Migrationsfrage zu zerfliegen. Und zwar, das ist wichtig, allein weil es einem bayerischen Provinzfürsten, in dessen Windschatten und in dessen Rektum rechte Nachwuchskräfte an die Fleischtöpfe sich zu glitschen trachten, so gefällt. Noch einmal: Es geht weder um Migranten, noch um das deutsche Vaterland und erst recht nicht um Menschlichkeit. Es geht nur noch darum, Angela Merkel zu stürzen. Das wäre keine Katastrophe und auch nicht der Weltuntergang. Sie ist weiß Gott keine Heilige. Aber man sollte zur Kenntnis nehmen, dass sie momentan eine der letzten ist, die sich, entgegen allen rechten Gegeifers und aller Verleumdungen, noch an geltendem Recht orientieren. Ihr größter Fehler war nicht die imaginierte Grenzöffnung, sondern den Bitchmove Österreichs und Ungarns im Sommer 2015 nicht rechtzeitig durchschaut und nicht erkannt zu haben, wie die Rechten jene imaginierte Grenzöffnung seither zur Dolchstoßlegende 2.0 aufbauen.
Montag, 18. Juni 2018
Apocalypse Now
Formulieren wir höflich und sehen wir das Positive: Elf freundliche Mexikaner sorgten gestern für eine ungestörte Nachtruhe. In der untergangsbesoffenen Journaille aber tut man so, als sei's wieder '45. Na gut. Bisschen dick aufgetragen. Sagen wir 2000. Jene Stunde null, da Der Deutsche FußballTM offiziell am Boden lag.
Donnerstag, 14. Juni 2018
Jetzt geht's lo-hos!
Neun Thesen zur WM bzw. Gründe, sie sich trotz allem anzutun
1. Private Boykotte sind sicher ehrenwert, aber sinnlos. Eine überschätzte symbolische Geste.
In moralischer Hinsicht spricht natürlich nichts dagegen, das Event zu boykottieren. Problem ist, das beeindruckt kaum einen und bringt auch keinem wirklich was. Außer einem selbst die Gewissheit, die richtige Gesinnung Gassi zu führen. Weil es keine nennenswerte politische Resonanz gibt dafür und die Zeit zu kurz, der Anlass zu punktuell ist, dass sich eine breite Graswurzelbewegung bilden kann. Stimmt ja, Putins Russland ist eine Demokratur mit autokratischen Zügen, in der kritische Stimmen sich nicht sicher fühlen können, in der Religion als Herrschaftsinstrument eingesetzt wird und etliches andere mehr. Sportliche Großereignisse zu goutieren, verlangt einem minunter die Fähigkeit zum Ausblenden ab. Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften haben auch nach 1936 in Ländern mit Geschmäckle stattgefunden. Eine Fußball-WM in Südafrika wäre in den 1980ern wegen des Apardheit-Regimes kaum machbar gewesen. Eine in einem von einer Mörderbande in Uniform regierten Argentinien in den 1970ern sehr wohl.
Dienstag, 12. Juni 2018
Schmähkritik des Tages (18)
Heute: Anthony Bourdain über Henry Kissinger
"Once you’ve been to Cambodia, you’ll never stop wanting to beat Henry Kissinger to death with your bare hands. You will never again be able to open a newspaper and read about that treacherous, prevaricating, murderous scumbag sitting down for a nice chat with Charlie Rose or attending some black-tie affair for a new glossy magazine without choking. Witness what Henry did in Cambodia* - the fruits of his genius for statesmanship - and you will never understand why he’s not sitting in the dock at The Hague next to Milošević." (Anthony Bourdain, 2001, zit. in: slate.com, 8.6.2018)
Samstag, 9. Juni 2018
Ronny des Monats - Juni 2018
Möglicherweise war demjenigen, der Alexander
Freitag, 8. Juni 2018
Unser Mann im All
Und, sind Sie auch so im Alexander-Gerst-Fieber? Haben Sie auch so gebannt den Start der Rakete verfolgt und sich die Nägel abgekaut? Haben mitgelitten mit ihm, weil er so lang nicht hat austreten dürfen? Haben Sie sich auch so gefreut für ihn, dass der höchst fliegende Schwabe des bekannten Universums auch dort nicht auf Maultaschen und Käsespätzle wird verzichten müssen? Fragen Sie sich auch in einer Tour, ob es ihm auch sonst an nichts fehlen wird, droben im lebensfeindlichen All? Ob er sein Schnuffeltuch mitbringen durfte? Wo sind die Berichte, ob und wie seine Familie, Freunde und Angehörigen mit der Geschäftsreise emotional klarkommen? Los, Medien, wir, die Bevölkerung, haben ein Recht, das zu erfahren!
Montag, 4. Juni 2018
Horror vacui im Spargelfeld
"Schlechte Zeiten -- der Kaviar wird ooch teurer." (Heinrich Zille)
Schon gemerkt? Eine Katastrophe spielt sich derzeit ab auf Deutschlands Feldern. Denn siehe, das Ende ist nah! Spargel und Erdbeeren verrotten mangels Geerntetwerden. Warum? Weil die osteuropäischen Erntehelfer sich nicht mehr dankbar um die Jobs auf unseren Äckern schlagen. Sie heuern, wie man hört, bei Paketdiensten an, wo sie mehr verdienen. Sie ziehen weiter, dorthin, wo es lukrativer ist. Oder sie bleiben gleich in ihren Heimatländern, wo, so ist zu hören, die Löhne inzwischen so gestiegen sind, dass die strapaziöse Odyssee über die hiesigen Felder nicht mehr lohnt.
Samstag, 2. Juni 2018
Werner zum 13. - ouhauerha!
Als Rötger Feldmanns alias 'Brösels' 'Werner'-Comics in den Achtzigern zuerst erschienen, hatte es so was noch nicht gegeben. Sie wirkten, als habe sie jemand mal eben hingetuscht (was sie nicht waren) und es hab Mut zum Absurden (man sollte bedenken, dass Monty Python zu der Zeit in Deutschland noch weitestgehend unbekannt war). Die Alben waren zusammengebastelt aus längeren Geschichten und Einseitern. Werner, gelernter Installateur und Motorrad-Fan, ging keiner Bierflasche ('Flaschbier') aus dem Weg, und wenn am nächsten Morgen der Kopf drückte, gab es 'Tasskaff'. Zucker fürs Gemüt, wenn er blasierte Popper und deren Vespas - klöter! - mit dem Chopper überfuhr. Zu Hochform lief Brösel auf, wenn er sich Geräusche ausdachte, die Werners alte Horex machte, wie etwa 'farz', 'schigger schigger schigger', 'öttel' oder 'verschleiß'. Oder wenn er sich autobiographisch an seinem ehemaligen Lehrherrn abarbeitete, indem er einen jüngeren Werner auf den Installateurmeister Röhrich losließ.
Donnerstag, 31. Mai 2018
Orwell revisited
1946 erschien im Evening Standard George Orwells berühmter Text über das 'Moon Under Water'. Eine liebevoll geschriebene Phantasiereise durch einen Pub, wie er sein sollte, der aber nicht existiert. Das hat mich schon vor längerer Zeit auf die Idee gebracht, das auf die hiesige Institution der Kneipe zu übertragen. Weil Orwell ein grandioser Erzähler war, habe ich gar nicht erst versucht, seinen Stil zu kopieren. Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Verhältnisse auf den Britischen Inseln nicht unbedingt vergleichbar sind. Britische Pubs sind, wiewohl im Einzelnen verschieden, im Prinzip ziemlich homogen. Dagegen herrschen hierzulande zum Teil erhebliche regionale Unterschiede. Eine hessische Weinschänke, ein bayerisches Wirtshaus, ein rheinländisches Brauhaus, auch eine Ruhrpott-Trinkhalle ist keine Kneipe im engeren Sinne. Das bedeutet nicht, dass es dort nicht auch schön sein kann und dass es keine Schnittmengen gäbe, im Gegenteil, nur ist es eben etwas anderes.
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