Samstag, 10. November 2018

Ronny des Monats - November 2018


Ist ja wieder so einiges Unerwartete passiert seit letzten Monat. So fand ich es sehr überraschend, herauszufinden, dass AfD-Politiker doch ein Herz haben. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag ist nämlich mit Herzproblemen kollabiert. Das beste: Ausgerechnet ein SPD-Kollege mit türkischem Migrationshintergrund hat ihm erste Hilfe geleistet und ihm damit wohl nicht nur den Arsch gerettet. Hat Hollywood schon ein Angebot für die Filmrechte abgegeben? Oder dass ausgerechnet (Achtung, Weltbild-Einsturzgefahr!) die mutigsten Streiter für die Wahrheit in puncto Fake News selber keine Unschuldslämmer sind. Traurig, wenngleich weniger überraschend fand ich, dass es in Sachsen offenbar kaum mehr möglich ist, sich an dortigen Schulen gegen Rechtsextremismus zu engagieren, weil es auch in den Kollegien inzwischen reichlich bräunlich müffelt.

Freitag, 9. November 2018

Vor 80 Jahren


"Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen." (Primo Levi)

Gedenken am Mahnmal der hiesigen Synagoge zum 80. Jahrestag. (Wegen des heutigen Sabbatabends  schon gestern.) Präsenz zeigen. Etwas mehr los als letztes Jahr. Polizei war heuer auch anwesend, wenngleich dezent und glücklicherweise war Kampfmontur nicht nötig. Die Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hielt eine kurze Ansprache und zitierte Primo Levi. Der Bürgermeister, obwohl politisch nicht mein Lager, hielt wie jedes Jahr eine kurze Ansprache, an der es nichts zu meckern gab. Kein Gendenkpathos, durchaus klare Worte gegen rechts. Aufrechter Demokrat, kein Zweifel. Letztes Jahr hatte der Kantor der Jüdischen Gemeinde das El male Rahamim noch hier am Ort der zerstörten Synagoge unter freiem Himmel rezitiert. Dieses Jahr nicht. Schade.

Dienstag, 6. November 2018

Der Weiter-so-Mann


Der Journalistik-Dozent Scott Maier sagte einst, Menschen würden JournalistInnen, weil sie gerne Geschichten erzählten und Mathe hassten. Das liefert immerhin eine schöne Erklärung dafür, wieso Teilen der Qualitätspresse angesichts des unverhofften Wiederauftauchens des einst weggemerkelten neoliberalen Messias Friedrich Merz der Sabber der Vorfreude aus allen Knopflöchern quillt. Merz ist einer breiten Öffentlichkeit nämlich vor allem durch die Forderung erinnerlich, eine Steuererklärung müsse auf einen Bierdeckel passen. Ich fand es schon als Schüler, als ich gelegentlich mit Spickzetteln arbeitete, immer bloß die entscheidende Frage, wie klein man zu schreiben imstande ist.

Samstag, 3. November 2018

Gefegt und trockengeputzt


Lange in keinem Kurort mehr gewesen. Selber auch nie auf Kur gewesen. Vielleicht kein schlechtes Zeichen. Man hat ja so seine Vorurteile. Morgens Fango, abends Tango. Beige gekleidete Senioren lustwandelnd im Park. Mürbfleischig-welke, krampfadrige Unterschenkel beim Wassertreten. Ein aus unterbezahlten osteuropäischen Hilfskräften zusammengesetztes Kurorchester, das in einer baufälligen Konzertmuschel lustlos süßliche Operettenpotpourris zusammenfiedelt. Stiernackige Masseure und resolute, matronenhafte, sofakissenbrüstige Masseurinnen, unter deren schraubstockartigem Eisengriff noch der verspannteste Kassenpatient schlagartig wieder zum Springinsfeld mutiert.

Mittwoch, 31. Oktober 2018

Schmähkritik des Tages (23)


Passend zu Halloween: Anja Rützel über ein Konzert des 'Volks-Rock‘n-Rollers' Andreas Gabalier in Berlin

"Wenn man mit Andreas Gabaliers Werk nur so weit vertraut ist, wie es sich eben nicht vermeiden lässt, wenn man gelegentlich durch das Samstagabendfernsehprogramm zappt, staunt man an diesem Abend, wie einfach das Einfache dann tatsächlich ist. Ein Refrain über das Daheim-Gefühl geht dann auch schonmal so: »Des is dahoam, des is dahoam / Ja, do nur do bin I dahoam.« Selbst die Kollateralschäden eines ländlichen Lebens nimmt man da gern in Kauf: In »Kleine heile steile Welt« singt Gabalier nonchalant vom »Holzscheitelknien«, einer, nun ja, traditionellen Art, Kinder zu bestrafen, indem man sie lange auf Holzstücke mit harten Kanten knien lässt. Gehört halt dazu, so wie Fummeleien auf dem Heuboden und das Kreuz an der Wand.

Sonntag, 28. Oktober 2018

Heimatschutz am Tresen


Man soll ja die ausgetretenen Pfade verlassen, heißt es immer. Gewohnheiten aufbrechen. Neues wagen. Das erweitere den Horizont, sagen sie. Eröffne neue Perspektiven. Stimmt. Erst kürzlich wieder erlebt. Nach einem ausgiebigen Dinner mit lieben Menschen sollte am späten Samstagabend zum Ausklang desselben noch ein Absacker her. Leider waren sämtliche einschlägigen Etablissements der Innenstadt durch ein Großevent namens Musiknacht geblockt und hätten Eintritt genommen. Also landeten wir in einer Stadtteilkneipe etwas außerhalb. Und gleich am Eingang stand er. Der mit dem T-Shirt. Schwarz. Mit weißer Schrift. Dazu trug er ungelogen eine rote Hose. Kann man sich auch seine Gedanken zu machen, wenn man denn will.

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Jenseits der Blogroll - 10/2018


Wie immer in der letzten Woche des Monats, die Links und Fundstücke der letzten Wochen. Solange das neue Urheberrecht einen noch lässt.

Politik. Vor 10 Jahren starb Jörg Haider eines unnatürlichen alkoholinduzierten Todes. Im 'profil' erinnern sie mit einem wieder aufgelegten Artikel von Herbert Lackner aus dem Jahr 2009, wie Haider 1989 die Anti-Ausländer-Politik erfand. Nur so viel sei vorweggenommen: Dass das im Jahr 1989 geschah, ist alles andere als ein Zufall.

Montag, 22. Oktober 2018

Sozialneid von rechts


Erwähnte ich schon, dass ich eine goldene Taschenuhr besitze? 585er Gold, Baujahr 1901, gebaut in Genf. (Bevor hier jemand auf originelle Ideen kommt: Das Messgerät befindet sich an einem sicheren Ort, auf den ich keinen direkten Zugriff habe. Mich mit Gewalt zu irgendetwas zwingen zu wollen, wäre also zwecklos.) Und, sind Sie schon rechtschaffen neidisch auf mich rumprotzendes Kapitalistenarschloch? Wie kommt so einer bloß an so viel Kohle? Darf der so was überhaupt haben? Ja geht das denn? Antwort: Wieso nicht? So eine Uhr zu kaufen, könnte ich mir natürlich nicht leisten, selbst wenn ich meine drei Deutsche-Bank-Aktien versetzen würde, die ich einst zur Firmung bekommen habe.

Samstag, 20. Oktober 2018

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (16)


In der Warteschlange an der Discounterkasse vermögen sich mitunter Welten aufzutun. So sprang mich heute die dort ausliegende Meistverkaufte der Nation mit der Headline an, Bestsellerautorin Charlotte Link gönge auf Merkel los. Hui, dachte ich, gedenken da am Ende zwei nicht mehr ganz juvenile Damen sich im Schlammcatchen zu üben? Nein, erfuhr ich näheren Blickes, die Unterhaltungsliteraturschreiberin, hieß es dort, sei der Meinung, es habe 2015 einen immensen Kontrollverlust gegeben, will heißen: Sie findet Merkels Flüchtlingspolitik eher nicht so gut. Nähere Recherchen meinerseits haben ergeben, dass die Lady am Vorabend zu Gast beim servilen Markus Lanz war und dortselbst die hoch originelle Einsicht zum Besten gab, wer nicht 100 Prozent auf Merkels Willkommenstrip sei, gölte als rechts außen.

Freitag, 19. Oktober 2018

Keep the Kreishaus!


Bitte die inferioren Handyfotos zu entschuldigen, ich hatte schlechtes Licht und die Linse nicht geputzt vorm Knipsen. Das Kreishaus, das Sie hier sehen, verehrte Leser*innen, ist Baujahr 1979 und liegt ein wenig versteckt in der Peripherie der Innenstadt. Vielleicht ist es bloß Nostalgie, aber ich mag diese Art öffentlicher Architektur sehr. Natürlich ist die Hütte kein großer Wurf und kein Schmuckstück. Es ist jene vielgeschmähte 'Sparkassenarchitektur', in der auch das ungeliebte Bundeskanzleramt in Bonn ausgeführt ist. Aber gerade die unmonumentale Unauffälligkeit und geschäftsmäßige Nüchternheit macht den Charme aus, finde ich. Da wird nicht geprotzt, da drängt sich nichts auf, es soll niemand beeindruckt oder eingeschüchtert und auch nicht groß repräsentiert werden. Betritt man das Gebäude, läuft man weiter auf Kopfsteinpflaster. Ein öffentliches Forum.