Montag, 2. August 2021

Sommerloch: Glück durch Arbeit


2., durchgesehene Auflage

Über die Maßen nervig ist diese kreuzdämliche Leier vom Glück durch Erwerbsarbeit. Dieser von Karriereberatern bzw. -coaches gern gepredigte Humbug, mit ein bisschen gutem Willen und ein wenig (kostenpflichtigem) Coaching sei es quasi jedem möglich, eine erfüllende, den eigenen Neigungen und Stärken entsprechende Arbeit zu finden. Die Ratgeberliteratur ist voll von inspirierenden Geschichten über glückliche Strahlefressen, die öden Job gekickt haben, ihrem Herzen gefolgt sind und nunmehr als kernzufriedene Spaßbacken ihr Restdasein verbringen. Und der Restwelt damit nicht selten gehörig auf die Eier gehen. Das Problem ist ja nicht, dass es solche Menschen gibt, sondern dass suggeriert wird, jeder, bei dem das nicht so sei, mache gewaltig etwas falsch.

Samstag, 31. Juli 2021

Reiseimpressionen (11)


Schau an, es gibt ihn also noch. Jan Cux, jenen semmelblonden Mützenmann und Maskottchen der Gemeinde Cuxhaven, nebst seiner Gespielin Cuxi. Die beiden zierten damals, als Autoaufkleber noch nicht weitgehend verpönt und nicht so dezent waren wie heute meist, die Hecks so einiger Autos. Das war nicht nur Souvenir, sondern auch Statement: Wir sind bodenständig. Wir brauchen keine Pauschalreisen, wir bleiben im Land. Wir schippern auch nicht per Fähre auf eine der Nordseeinseln mit Mondpreisen im Laden. Nein, wir machen drei Wochen Deich. Den rauf- und runterradeln. Hafengucken. Krabbenkutterfahren. Wattwandern. Strandkorb sitzen. Kugelbake kucken. Tagesausflug nach Helgoland machen (früher gern auch wegen der günstigen Zigaretten und der billigen Butter). Dann wieder Strandkorb. Bei gutem Wetter. Sonst Ölzeug.

Donnerstag, 29. Juli 2021

Sommerloch: Mittags. Pause am Rande des Ruhrpotts

 
Mein Problem mit Kantinen (Wdh.)

Ein Mittagesser bin ich schon lange nicht mehr. Zwar esse ich gern gut, aber dummerweise pflege ich nach einer ordentlichen Mahlzeit für längere Zeit in eine Art Fresskoma zu fallen. Muss ich nicht haben. Kann daran liegen, dass mein Organismus eher auf Nachteule gepolt ist. Wenn es im Sommer heiß ist, käme ich erst recht nicht auf die Idee, mir in der Mittagshitze noch etwas Warmes einzupfeifen. Normalerweise frühstücke ich solide, esse abends in aller Ruhe warm und rette mich mittags mit etwas Mitgebrachtem über den Tag. Mögen Ernährungsexperten meinetwegen rummoppern, aber so funktioniert's für mich nun einmal am besten.

Dienstag, 27. Juli 2021

Vermischtes und Zeugs (III)


Ob diese Welt eine bessere wird, wenn gar niemandem mehr irgendwo ein böses Wort entfleucht, wage ich zwar zu bezweifeln, aber schön, nehmen wir’s einfach mal an. Hypothetisch. Wenn dem so wäre, dann erscheint das absurde Theater, das momentan um Annalena Baerbocks 'N-Wort'-Oopsie veranstaltet wird, noch ein Stück absurder. Ich bin absolut kein Fan der Grünen und auch nicht von Baerbock, so viel vorweg. Aber ich verstehe das nicht. Als antirassistischer Aktivist müsste ich doch sehen, dass außer Teilen der Linken es gerade die Grünen sind, die, Boris Palmer hin oder her, von allen Parteien mit Perspektive auf Mitreden beim Regieren noch die klarste antirassistische Agenda auf dem Zettel haben. Die Kandidatin exakt dieser Partei nun wegen eines ärgerlichen Versprechers wegzumobben, der allenfalls eine gewisse Nachlässigkeit offenbart, aber bestimmt nicht tiefsitzenden Rassismus, zeugt von Unreife und genereller Politikunfähigkeit.

Sonntag, 25. Juli 2021

Jenseits der Blogroll - 07/2021

 
Die Links, Fundstücke und Leseempfehlungen des Monats:

Politik. Stefan Sasse mit einem Essay über die Weimarer Verfassung. Die ging nicht, wie oft in Geschichtsbüchern zu lesen, an inhärenten Konstruktionsfehlern zugrunde, sondern funktionierte auch dann noch sehr gut, als ein erklärter Antidemokrat wie Hindenburg Reichspräsident wurde. Der amtierte immerhin fünf Jahre lang, ohne die Verfassung irgendwie zu beschädigen. Sie scheiterte, weil Konservative und Liberale beschlossen, "die Demokratie zugunsten eines autoritären Systems abzuschaffen." (Sasse, a.a.O.) Die nachkriegsdeutsche Gewissheit, unser Grundgesetz, das die inhärenten Konstruktionsfehler der Weimarer Verfassung nicht mehr enthält, werde uns im Zweifel schon retten, ist daher unangebracht.

Freitag, 23. Juli 2021

Sommerloch: Der Wikinger an der Ecke

 
Wie bei uns in der Provinz doch einmal etwas Weltbewegendes passierte und niemand es bemerkte (Wdh.).

Bekanntlich komme ich aus und lebe in der Provinz. In der Provinz ist das so: Die was reißen wollen im Leben, sind schon als Kinder quasi permanent auf dem Sprung und hauen bei erster Gelegenheit ab in die große Welt. Die fängt bei uns in Münster oder Bochum an, je nach Richtung. Die, die bleiben, verinnerlichen schnell, dass im heimatlichen Kaff, allen Träumen und Ambitionen zum Trotze, höchstwahrscheinlich niemals etwas passieren wird, das irgendjemanden interessiert außer örtlichen Honoratioren und dem Redakteur des Lokalblättchens, der jeden Tag ein paar Seiten vollkriegen muss, und erwarten daher nicht viel. Und groß fragen tut man da auch nicht. Normalerweise ist das eine einigermaßen gesunde Einstellung, manchmal aber ist es ein Fehler.

Mittwoch, 21. Juli 2021

Schmähkritik des Tages (50)

 
Heute: Matthias Eberling über Mansplaining

"Das ungefragte Erteilen guter Ratschläge ist in Deutschland zum Volkssport geworden. Es wird gerne unter dem Begriff Mansplaining abgebucht, aber ich finde, die Frauen sind genauso unerträglich. Themen wie Gesundheit und Ernährung spreche ich in ihrem Beisein erst gar nicht an, weil ich mir die dummbräsigen, selbstgerechten Stehgreifreferate ersparen möchte." (Kiezschreiber, 21. Juli 2021)

Samstag, 17. Juli 2021

Ruhe, die erste Bürgerpflicht

 
Naaa, sind Sie alle auch so beruhigt wie ich? Weil es schon immer Regen und Überschwemmungen gegeben hat, dieser Klimawandel bloß eine Schnapsidee hysterischer schwedischer Gören, verwöhnter Schulschwänzer*innen und skrupelloser Wissenschaftler ist, die sich mit ihrer Panikmache doch nur ihre millionenschweren Gehälter sichern wollen? Sind Sie auch so erleichtert? Dass WirdeutscheTM damit so gar nichts zu tun haben? Weil die Chinesen doch viel schlimmer das Klima verpesten als wir, also viel,viel, viel, viel doller zu dem Klimawandel beitragen, den es gar nicht gibt und der nur ein linksgrünversifftes Hirngespinst ist? Finden Sie nicht auch, dass man diese schlimmen Ereignisse jetzt keinesfalls instrumentalisieren darf für eine parteipolitische Agenda, um eine grünsozialistische Ökodiktatur zu errichten? Dem Poschardt den Porsche zu nehmen?

Mittwoch, 14. Juli 2021

Lest we forget (5)

 
Heute vor 88 Jahren, am 14. Juli 1933, brannten auch in meiner Heimatstadt die Bücher. Auf dem Neumarkt, den man kurz zuvor nach dem von den Nazis zum Märtyrer aufgeblasenen Terroristen in Albert-Leo-Schlageter-Platz umbenannt hatte. Allgemein gilt der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund als maßgeblicher Akteur der Bücherverbrennungen. Da Recklinghausen damals keine Hochschule besaß, hatte hier die SA das Kommando übernommen. Die Aktion war also kein inszeniertes Bekenntnis der akademischen Jugend, sondern vor allem eine Machtdemonstration an die Arbeiter.

Montag, 12. Juli 2021

The Day after

 
Meinethalben können in Zukunft alle Fußballwelt- und Europameisterschaften so ablaufen wie diese EM. Erinnerte an früher, als so was eine weitgehend privat oder in der Kneipe konsumierte Nettigkeit des Lebens war, die es nicht rechtfertigte, die Innenstädte mit sich vollzumachen und Mitmenschen zu behelligen. Zumal ich die fußballerischen Bemühungen Der MannschaftTM in den letzten Jahren mit stetig abnehmender Anteilnahme verfolgt habe, während die meist geräuschvollen Begleiterscheinungen diverser Turniere mir parallel dazu mehr und mehr auf die Eier gingen. Auch die türkische Mannschaft, deren Anhänger immer gut sind für einen ordentlichen Radau, hat sich freundlicherweise einigermaßen zeitig aus dem Geschehen verabschiedet.