Montag, 19. August 2024

Sommerloch: Parfum und Pahfühm


Es gibt zwei Arten von Duftwässerchen, beziehungsweise zwei Arten, welches zu tragen: Einmal Parfum, vornehm französisch ausgesprochen, und dann noch die breitdeutsch gesprochene Variante, das Pahfühm. Obwohl ich mir selbst nicht viel daraus mache, weiß ich ein gutes, im richtigen Maße appliziertes Parfum zu schätzen. Auch gegen ein dezent riechendes After Shave ist nichts zu sagen. Die Betonung aber liegt auf: Dezent. Eine Pest ist es nämlich, wenn vor allem Männer sich Pahfühm draufklatschen wie nicht gescheit. Wo immer so ein Stinkmorchel aufkreuzt, wird im Umkreis von zehn Metern Nasenschleimhaut zu Hornhaut, trüben sich die Linsen im Auge und die Milch wird sauer. Schwer geschlagen, wem ein ungnädiges Schicksal einen reservierten Platz im vollbesetzten Zug oder Flugzeug neben so einer Gasgranate beschert. Ein verstorbener Verwandter von mir, der sein Berufsleben im Bergbau zugebracht hatte, pflegte immer zu sagen: "Weißte Junge, der Gestank iss ja nich dat Schlimme. Dat Schlimme iss dat Brennen inne Augen."

Samstag, 17. August 2024

Auf Reisen (14)


Corvey

Die 840 gegründete Abtei Corvey bei Höxter war eine der reichsten Abteien im Heiligen Römischen Reich und der Abt gehörte zu den Reichsfürsten. Das karolingische Westwerk der Abteikirche hat die Zeiten weitgehend im Originalzustand von 870 überdauert. Der Innenraum und die Kaiserkirche im Obergeschoss wirken nicht besonders spektakulär, aber man sollte sich vorstellen, dass im 9. Jahrhundert die allerwenigsten Menschen in dieser frisch zwangschristianisierten Gegend, in der es, anders als hinter dem ehemaligen Limes, keinerlei römische Bauwerke gab, jemals in ihrem Leben einen Steinbau gesehen haben, erst recht keinen mehrgeschossigen. Denen muss diese Kirche wie das achte Weltwunder vorgekommen sein.

Mittwoch, 14. August 2024

Ronny des Monats - August 2024


So, entgegen eventueller Befürchtungen war die Jury auch diesen Monat nicht untätig und hat wieder fünf plus eine:n Preisträgeri:innen zusammenbekommen. (Ich gendere, um Rechte zu ärgern.)

Samstag, 10. August 2024

Vermischtes und Zeugs (LXXXVII)


Sobald auch nur vorsichtig diskutiert wird, eine Strafe zu lockern, sehen nicht wenige Konservative die totale Anarchie gekommen. Wenn jetzt geplant wird, schwarzfahren zu entkriminalisieren, dann heißt das nicht, dass man einfach schwarz fahren kann, ohne irgendwas befürchten zu müssen. Man würde halt nicht mehr in den Knast kommen, was meist eh nur nach vielen Jahren und vielen Wiederholungstaten passiert. Zumal Haft bei Bagatelldelikten fast ausschließlich Arme trifft, die sich die Tagessätze einer Geldstrafe nicht leisten können. (Merke: Menschen mit ausreichend finanziellen Mitteln können sich’s meist nett machen.)

Freitag, 9. August 2024

Gedrechselt ungehobelt


Man kann ohne Übertreibung sagen, dass der jetzt mit 88 Jahren verstorbene Rainer Brandt einen ebensolchen Einfluss auf die deutsche Alltagssprache hatte wie die geniale Disney-Übersetzerin Erika Fuchs. Brandt war in den 1960ern Autor bei der Berliner Synchron KG und sehr angeödet von Lippensychronitzität und philologisch exakten Übersetzungen. Er begann, Filme und Serien in 'Schnodderdeutsch' zu synchronisieren. Dazu verband er den 'hardboiled'-Slang eines Philip Marlowe mit hoher Sprachkunst und dem, was er um 1968 in Westberliner Kneipen, Diskotheken ("Opa, was ist eine 'Diskothek'?"), Haschlöchern, Bars und Rockertreffs so aufschnappte.

Mittwoch, 7. August 2024

Wahre Worte (76)


Heute: Heike Holdinghausen über Dressurreiten bei den Olympischen Spielen

"Wenn ZDF-Kommentator Hermann Valkyser den häufig propellerartig drehenden, häufig schief gehaltenen Schweif der Stute Gold-Stute Dalera bei der Qualifikation am Freitag nicht für ein problematisches Zeichen für Stress und Verspannung hielt, oder ihr zum Teil offenes Maul, mit dem sie sich gegen Paraden (also der Einwirkung der Reiterin mit Zügeln, Schenkeln und Gesäß) wehrte -- dann hätte er wenigstens erklären müssen, warum nicht. [...]

Samstag, 3. August 2024

Sommerloch: Werte Wespen!

 
Wir müssen reden. Ich verstehe euch ja in vieler Hinsicht. Etwa, dass ihr dauernd auf Nahrungssuche seid. Alles roger, sind wir alle, irgendwie. Weil ihr aber im Gegensatz zu unsereins keinen Supermarkt habt, müsst ihr, wie die meisten Tierarten, halt gucken, wo es gerade was zu spachteln gibt. So weit, so schön. Wir wollen alle leben. Ich sollte auch erwähnen, dass ich im Gegensatz zu anderen meiner Artgenossen keine Panikattacken kriege, wenn ich eine von euch bloß von weitem sehe, weder gegen eure doofe Stecherei allergisch bin noch sonst irgendwie Angst habe vor euch. Erst recht nicht vor eurem anorektischen 'Biene Maja in böse'-Look. Wir könnten also wunderbar nebeneinander her existieren auf diesem Planeten. Wenn, ja wenn ihr euch nicht so steindumm anstelltet.

Mittwoch, 31. Juli 2024

Sommerloch: Narratives


Eric Hobsbawm (1917-2012) prägte den Begriff der 'erfundenen Tradition'. Sein wichtigstes Beispiel: Schottische Clan Tartans. Diese Karomuster, so hieß es immer, seien viele Jahrhunderte alt und jedem Schotten wohlbekannt. So habe ich es auch noch im Englischunterricht gelernt. Hobsbawm entlarvte das als Humbug. Die Tartans waren eine Erfindung des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Ähnliches lässt sich über die deutschen Regionaltrachten sagen. Auch deren Tradition reicht nur bis ins 19. Jahrhundert und nicht bis in unvordenkliche Zeiten. Zwar gab es im Mittelalter Amts- und Standestrachten, aber die Idee, eine bestimmte uniforme Kleidung zu tragen, weil man irgendwo herkommt, war unbekannt.

Montag, 29. Juli 2024

Jenseits der Blogroll - 07/2024


Mann, Mann, Mann, da wäre vor lauter Gesportel und Sommerloch doch glatt der monatliche Streifzug durchs Netz unter die Räder geraten. Obwohl, so viel Sommerloch ist heuer gar nicht. Ist auch ohne EM und Olympische Spiele weiß Gott genug los auf der Welt. Also, auf den letzten Metern des Monats, die Links und Fundstücke:

Freitag, 26. Juli 2024

Sommerloch: Halbkritisches zu Olympia (3)


Meine früheste olympische Erinnerung datiert von 1972. Ich war als knapp Dreijähriger mit meinen Eltern und einer befreundeten Familie im Urlaub auf Texel. Mein Vater hatte extra den familieneigenen transportablen Telefunken-Schwarzweißfernseher mitgeschleppt. Also theoretisch war das Gerät transportabel. Das heißt, es hatte einen Griff. Aber man brauchte viel Kraft. Nachdem die Apparatur einige Minuten vorgeglüht hatte (nicht ausgeschlossen, dass die verbaute Bildröhre bereits zum Aufspüren feindlicher Bomberverbände gedient hatte), sah ich, wenn auch verschwommen, folgendes: Unter Trompetengeschmetter trugen junge Frauen in knielangen Dirndln Kissen mit Medaillen zu einem Siegerpodest. Die Medaillen wurden dann welchen für was umgehängt. Wenn ich fragte, hieß es: "Pscht!"