Dienstag, 6. Oktober 2020

Telefon!

 
Die Achtziger haben angerufen. Sie hätten gern ihre Ästhetik zurück.

Sonntag, 4. Oktober 2020

Humpfeisen


"[Die] einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos sind schlimmer, denn es hätte meines sein können. Ausländer besitze ich keine." (Die Känguru-Chroniken)

Wann immer irgendein rechtes Gelump etwas Braunes abkotet, kann man sicher sein, dass sofort irgendjemand mit der hochgradig hirnrissigen Hufeisentheorie ankommt. Meist geschieht das in Form des Hinweises, dass Extremismus in aller Form abzulehnen bzw. Linksextremismus genau so schlimm sei. Man kann relativ sicher sein, dass es sich um einen Rechten mit Verschleierungs- und/oder Verharmlosungsabsichten handelt. Die Hufeisenschnurre hat Martin Sonneborn zutreffend bezeichnet als "lustiges kleines Theorem, das vermutlich als das erbärmlichste politische Analyseangebot des 21. Jahrhunderts in die Geschichte der Demokratie eingehen wird."

Samstag, 3. Oktober 2020

Ad: Wir sind das Volk!

 
Für den Fall, dass es sich noch nicht herumgesprochen hat: Die berühmte Parole "Wir sind das Volk!" ist keine Erfindung der Demonstranten von 1989, sondern taucht bereits 1835 in Georg Büchners 'Dantons Tod' auf. In einer Szene des ersten Aktes will Robespierre einen wütenden Mob davon abhalten, einen vermeintlichen Aristokraten zu lynchen, weil der ein Schnupftuch dabei hat:

Mittwoch, 30. September 2020

Wettbewerb rocks


Gestern haben sich zwei Männer im Fernsehen angepöbelt, die man zu anderen Zeiten aufgrund ihres Alters gerade noch für geeignet befunden hätte, im Ohrensessel zu sitzen und ihren Enkelkindern Geschichten vorzulesen. Im Kalten Krieg, zumindest in dessen Endphase, war es auf westlicher Seite beliebt, darauf zu verweisen, dass es sich bei der Sowjetunion um eine arge Gerontokratie handele. Das war nicht völlig aus der Luft gegriffen: In der Tat war Staats- und Parteichef Leonid Breschnew in seinen letzten Jahren unübersehbar hinfällig und malad.

Montag, 28. September 2020

Schmähkritik des Tages (41)

 
Heute: Wiglaf Droste und Elfriede Hammerl über Benehmen und Mittelschichtswutbürger

"Höflichkeit macht den Umgang miteinander angenehmer oder zumindest erträglicher. […] Dazu bedarf es nicht eines großbürgerlichen Elternhauses, das ich auch nicht habe, sondern lediglich der Selbstachtung, die man mit anderen teilt. […] Man kann Anstandsregeln gezielt brechen, etwa durch Beleidigungen im Dienst der Aufklärung und des guten Geschmacks. Aber das sollten bewusste Entscheidungen sein. Und nicht das dumme Pöbeltum, das man zum Beispiel in Kreuzberg jeden Tag ertragen muss, dem Stadtteil, in dem ich bis vor Kurzem gelebt habe. Das ist ein Arschgeigentum, das nichts mit Freiheit, aber viel mit Rücksichtslosigkeit zu tun hat. Freiheit bedeutet, sich entscheiden zu können - und nicht sich gehen zu lassen. [...]

Sonntag, 27. September 2020

Alles durchaus ganz normal


Es gehört ja zu den durchaus normalen - also 'normal' im Sinne von: 'kommt halt vor' - Vorgängen im Leben, dass eine nachwachsende Generation, also diejenigen darunter, die sich hör- und sichtbar machen, der jeweils älteren Generation mit jugendlicher Verve, jakobinischer Strenge und Nachdruck mitteilt, bestimmte Dinge hätten jetzt gefälligst anders zu laufen als bisher. Nun ist dummerweise jede ältere Generation neu darin, ältere Generation zu sein. Und so gehört es seit der Antike zu den Klassikern im Establishment, darüber besorgt zu sein, die Jugend könnte mit ihren diversen Schnapsideen und Flausen die Welt in den Untergang stürzen.

Freitag, 25. September 2020

Wahre Worte (2)


Heute: Ronald Pohl über mittelalte Freunde der Compact Disc

"Wir Freunde der silberglänzenden Compact Disc – zumeist ältere, weiße Männer mit Bauchansatz und »Unknown-Pleasures«-T-Shirt – bilden heute eine etwas wunderliche Minorität. Dir, liebe Jugend, sind allerhand Strömungstechniker zu Diensten. Du weißt, wo du suchst, und du findest, was du brauchst. Doch wir Alte, Babyboomer mit häufig abstehenden Segelohren, können nicht mehr anders. Wir sind gelegentlich das Holzofenknistern leid, das unser armes, abgenutztes Vinyl von sich gibt. Wir sind, mit einem Wort, dem Silberrausch verfallen.

Dienstag, 22. September 2020

Jenseits der Blogroll - 09/2020

 
Die Links und Fundstücke des Monats. Beginnen wir mit Corona. Kommt man ja kaum vorbei dran. Da wäre zuallererst Mechthild Mühlsteins großartige siebenteilige Artikelserie über die Verlautbarungen Attila Hildmanns. Nicht nur eine Fleißarbeit, vor der ich großen Respekt habe, sondern auch eine detaillierte, solide Analyse der wirren Äußerungen des wutweganen Bugerbruzzlers.

Samstag, 19. September 2020

FC Monopoly

 
Preisbindungen gelten in Deutschland nur mehr für folgende Güter: Verlags- und Druckerzeugnisse, Tabakwaren, reine Kostenmieten im Sozialen Wohnungsbau, Taxifahrten und rezeptpflichtige Medikamente (die letzteren beiden eingeschränkt). Es gab Zeiten, da waren noch viel mehr Preise reguliert. Darunter die für Drogerieartikel und Fotofilme. 1974 änderte die sozialliberale Regierung das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) derart, dass viele Preisbindungen wegfielen. Betrieben wurde das von der SPD, die FDP protestierte, man vernimmt‘s mit Staunen, vehement. Begründung: das gefährde den freien Wettbewerb, weil kleine Anbieter dadurch zwangsläufig auf der Strecke bleiben müssten. Wann haben Sie sich noch gleich zuletzt dabei ertappt, der FDP recht zu geben?

Mittwoch, 16. September 2020

State Of The Union


"Eine Deutsche als Weltregentin" - "Führerin Europas". So entblödete das ehemalige Intelligenzblatt aus der Hansestadt sich nicht, unter dem Titel 'Kämpferin für das Zeitalter der Vernunft' Ursula von der Leyen zu besabbern. Weil sie eine Rede gehalten hat. Es ist der Phantasie jedes Einzelnen überlassen, wie eine Marion Dönhoff, ein Helmut Schmidt auf derartiges kratzfußerisches Gesülze reagiert hätten. Für den Anfang hätten sie den Schreiberling vermutlich nachdrücklich daran erinnert, dass es vielleicht nicht völlig unproblematisch ist, da es hier und da eventuell einen schalen Beigeschmack hinterlassen könnte, wenn man eine deutsche EU-Kommissionspräsidentin allen Ernstes zur "Führerin" hochplustert, und sei's auch noch so lieb gegendert.