Mittwoch, 21. November 2018

Deppen, Medien, Metaebene


"Auch vor dem Internet gab es in jedem Dorf einen Deppen, manchmal auch zwei. Durch das Internet können sich nun die Dorfdeppen untereinander austauschen und organisieren." (Jörg Kachelmann)

Wir lebten in einer Zeit zunehmender Wissenschaftsfeindlichkeit, so ist da und dort zu hören. Man kann da die Frage stellen, ob das in Zeiten der herrschenden Kommunikationsmöglichkeiten nicht auch ein Wahrnehmungsproblem sein könnte. Analog zum o.g. Zitat könnte man sagen: Leute, die Wissenschaft doof finden, hat es früher auch gegeben, aber dank Internet können sich heute alle Wissenschaftsdooffinder dieser Welt vernetzen. Definitiv ein Problem scheint es aber zu geben mit der medialen Aufarbeitung wissenschaftlicher bzw. vermeintlich wissenschaftlicher Erkenntnisse ("Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass..."). Die hat inzwischen Formen von Sensationsjournalismus angenommen, sodass es nicht mehr um Aufklärung geht, sondern offenbar nur noch darum, möglichst viele Säue möglichst klickzahlenträchtig durchs Dorf zu treiben.

Samstag, 17. November 2018

Mittelschicht und Mittelmaß


"Faustregel: Wer mehr als ein Flugzeug besitzt, ist wahrscheinlich nicht Mittelschicht." (Oliver Welke)


Will eigentlich noch irgendjemand Oberschicht sein? Oder sich dazu bekennen, Unterschicht zu sein? Ist übrigens gar nicht so abwegig. Es gab nämlich Zeiten, da war Proletariat schick, da wollte man dazugehören, wenn die Revolution um die Ecke kam. In den Siebzigern auch die Studenten aus gediegenem Hause, die von Mutti immer den Bundeswehrparka gewaschen kriegten, weil sie selbst nicht dazu kamen vor lauter Revolutionmachen (daraus sind später die Grünen entstanden). In den Achtzigern dann konnte es für viele gar nicht Oberschicht genug sein. Die Bürgerkinder begehrten, reiche Säcke zu werden. Kamen mit Aktenköfferchen zur Schule, wählten Wirtschaft-LK, drohten mit Papis Anwalt, gingen BWL studieren und träumten von einem Job als Broker, um alsbald herumzulaufen wie Gordon Gekko.

Donnerstag, 15. November 2018

Sabbaticals sind scheiße


Ha, Aufmerksamkeit generiert! Hab ich Sie drangekriegt. Vielleicht sollte man es differenzierter ausdrücken und sagen: Längere berufliche Auszeiten, allgemein als Sabbaticals bekannt, werden in der Regel maßlos überschätzt und je penetranter sie propagiert werden als Wundermittel gegen ausbeutungsbedingte Abgespanntheit und andere Gebresten, desto verdächtiger wird es.

Da wäre zunächst einmal das Problem, dass man sich so ein Sabbatical überhaupt erst leisten können muss. Will man während einer Auszeit nicht jeden Cent umdrehen, sollte man was gespart haben. Oder man muss, wie bei den bisher üblichen Modellen, einige Jahre auf einen Teil des Gehalts verzichten, um so eine Art Guthaben für das freie Jahr zusammen zu haben. Um auf einen Teil verzichten zu können, muss man allerdings erst einmal genug verdienen. Damit wären diejenigen, die vielleicht am dringendsten eine längere Pause bräuchten, nämlich die, die in krank machenden, mies bezahlten Drecksjobs ohne jegliche Aus-, geschweige denn Aufstiegschance festsitzen, von vornherein ausgeschlossen.

Sonntag, 11. November 2018

Sensation! Weltexklusiv! Irre!


Wir werden investigativ. Aber hallo! Exklusiv aus Uli Höneß' Mantel (der in die Reinigung musste): Der Zettel mit der Einkaufsliste des FC Bayern München für das nächste Transferfenster:

Samstag, 10. November 2018

Ronny des Monats - November 2018


Ist ja wieder so einiges Unerwartete passiert seit letzten Monat. So fand ich es sehr überraschend, herauszufinden, dass AfD-Politiker doch ein Herz haben. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag ist nämlich mit Herzproblemen kollabiert. Das beste: Ausgerechnet ein SPD-Kollege mit türkischem Migrationshintergrund hat ihm erste Hilfe geleistet und ihm damit wohl nicht nur den Arsch gerettet. Hat Hollywood schon ein Angebot für die Filmrechte abgegeben? Oder dass ausgerechnet (Achtung, Weltbild-Einsturzgefahr!) die mutigsten Streiter für die Wahrheit in puncto Fake News selber keine Unschuldslämmer sind. Traurig, wenngleich weniger überraschend fand ich, dass es in Sachsen offenbar kaum mehr möglich ist, sich an dortigen Schulen gegen Rechtsextremismus zu engagieren, weil es auch in den Kollegien inzwischen reichlich bräunlich müffelt.

Freitag, 9. November 2018

Vor 80 Jahren


"Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen." (Primo Levi)

Gedenken am Mahnmal der hiesigen Synagoge zum 80. Jahrestag. (Wegen des heutigen Sabbatabends  schon gestern.) Präsenz zeigen. Etwas mehr los als letztes Jahr. Polizei war heuer auch anwesend, wenngleich dezent und glücklicherweise war Kampfmontur nicht nötig. Die Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hielt eine kurze Ansprache und zitierte Primo Levi. Der Bürgermeister, obwohl politisch nicht mein Lager, hielt wie jedes Jahr eine kurze Ansprache, an der es nichts zu meckern gab. Kein Gendenkpathos, durchaus klare Worte gegen rechts. Aufrechter Demokrat, kein Zweifel. Letztes Jahr hatte der Kantor der Jüdischen Gemeinde das El male Rahamim noch hier am Ort der zerstörten Synagoge unter freiem Himmel rezitiert. Dieses Jahr nicht. Schade.

Dienstag, 6. November 2018

Der Weiter-so-Mann


Der Journalistik-Dozent Scott Maier sagte einst, Menschen würden JournalistInnen, weil sie gerne Geschichten erzählten und Mathe hassten. Das liefert immerhin eine schöne Erklärung dafür, wieso Teilen der Qualitätspresse angesichts des unverhofften Wiederauftauchens des einst weggemerkelten neoliberalen Messias Friedrich Merz der Sabber der Vorfreude aus allen Knopflöchern quillt. Merz ist einer breiten Öffentlichkeit nämlich vor allem durch die Forderung erinnerlich, eine Steuererklärung müsse auf einen Bierdeckel passen. Ich fand es schon als Schüler, als ich gelegentlich mit Spickzetteln arbeitete, immer bloß die entscheidende Frage, wie klein man zu schreiben imstande ist.

Samstag, 3. November 2018

Gefegt und trockengeputzt


Lange in keinem Kurort mehr gewesen. Selber auch nie auf Kur gewesen. Vielleicht kein schlechtes Zeichen. Man hat ja so seine Vorurteile. Morgens Fango, abends Tango. Beige gekleidete Senioren lustwandelnd im Park. Mürbfleischig-welke, krampfadrige Unterschenkel beim Wassertreten. Ein aus unterbezahlten osteuropäischen Hilfskräften zusammengesetztes Kurorchester, das in einer baufälligen Konzertmuschel lustlos süßliche Operettenpotpourris zusammenfiedelt. Stiernackige Masseure und resolute, matronenhafte, sofakissenbrüstige Masseurinnen, unter deren schraubstockartigem Eisengriff noch der verspannteste Kassenpatient schlagartig wieder zum Springinsfeld mutiert.

Mittwoch, 31. Oktober 2018

Schmähkritik des Tages (23)


Passend zu Halloween: Anja Rützel über ein Konzert des 'Volks-Rock‘n-Rollers' Andreas Gabalier in Berlin

"Wenn man mit Andreas Gabaliers Werk nur so weit vertraut ist, wie es sich eben nicht vermeiden lässt, wenn man gelegentlich durch das Samstagabendfernsehprogramm zappt, staunt man an diesem Abend, wie einfach das Einfache dann tatsächlich ist. Ein Refrain über das Daheim-Gefühl geht dann auch schonmal so: »Des is dahoam, des is dahoam / Ja, do nur do bin I dahoam.« Selbst die Kollateralschäden eines ländlichen Lebens nimmt man da gern in Kauf: In »Kleine heile steile Welt« singt Gabalier nonchalant vom »Holzscheitelknien«, einer, nun ja, traditionellen Art, Kinder zu bestrafen, indem man sie lange auf Holzstücke mit harten Kanten knien lässt. Gehört halt dazu, so wie Fummeleien auf dem Heuboden und das Kreuz an der Wand.

Sonntag, 28. Oktober 2018

Heimatschutz am Tresen


Man soll ja die ausgetretenen Pfade verlassen, heißt es immer. Gewohnheiten aufbrechen. Neues wagen. Das erweitere den Horizont, sagen sie. Eröffne neue Perspektiven. Stimmt. Erst kürzlich wieder erlebt. Nach einem ausgiebigen Dinner mit lieben Menschen sollte am späten Samstagabend zum Ausklang desselben noch ein Absacker her. Leider waren sämtliche einschlägigen Etablissements der Innenstadt durch ein Großevent namens Musiknacht geblockt und hätten Eintritt genommen. Also landeten wir in einer Stadtteilkneipe etwas außerhalb. Und gleich am Eingang stand er. Der mit dem T-Shirt. Schwarz. Mit weißer Schrift. Dazu trug er ungelogen eine rote Hose. Kann man sich auch seine Gedanken zu machen, wenn man denn will.