Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Dienstag, 10. März 2020
Ronny des Monats - März 2020
Irgendwie kennt man sich ja gar nicht mehr aus. Das Händeschütteln zum Beispiel ist ja angeblich einer der Inbegriffe hiesiger Leitkultur (Thomas De Maizière 2017: "Wir geben uns die Hand."), in Dänemark wird nur noch eingebürgert, wer brav Händchen schüttelt. Und nu? Corona. Hat sich was. Berühren von Figüren mit den Pfoten ist verboten, lautet nunmehr die Devise. Geht nun das Abendland unter? Was soll nur werden ohne Händeschütteln?
Sonntag, 8. März 2020
Schmähkritik des Tages (36)
Heute: Meike Winnemuth über Kinderkönige und »die«
"Das Problem ist die verbreitete Anschauung, dass »die« – wer immer das auch ist, und das ist denen, die »die« sagen, komplett egal – sich schon drum kümmern werden. »Die« werden deine Kartons zerlegen, die du nicht etwa selbst zusammenfaltest, sondern so, wie sie sind, in die öffentliche Altpapiertonne stopfst oder, weil die Tonne ja schon mit anderen unzerlegten Kartons gefüllt ist, der Einfachheit halber danebenstellst. »Die« werden deinen stehen gelassenen Einkaufswagen aus dem Weg schieben und deinen Scheiß-E-Roller auch, »die« werden deine Chipstüte am Strand einsammeln, »die« werden hinter dir herräumen, hinter dir und deinem achtlosen Kinderkönigverhalten.
Freitag, 6. März 2020
Age Of Anxiety
Marketingexperten wissen, die dankbarsten Opfer sind die, die sich für besonders schlau halten. Die glauben, smarter zu sein als die Werbung und der ganze Rest. Die zieht man besonders gründlich über den Leisten. Nicht unähnlich verhält es sich mit Menschen, die Angst haben. Sie selbst würden normalerweise nie zugeben, dass sie Angst haben, sondern bloß behaupten, besonders vorsichtig zu sein. Schlauer als viele, die die Gefahr nicht sehen wollen. Oder sie rationalisieren ihre Angst als von der Natur clever eingerichtetes Frühwarnsystem.
Montag, 2. März 2020
Terror in Sinsheim
Immer wieder faszinierend, was so alles eine Geld- und Klassenfrage ist. Obwohl das natürlich nicht wirklich überrascht. Nehmen wir das Skandälchen vom Wochenende, als in der Prezero-Arena Spruchbänder entrollt wurden mit persönlichen Schmähungen gegen den milliardenschweren TSG-Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp. Der gilt, seit er 2008 darangegangen war, die Sinsheimer Kickercombo TSG 1899 Hoffenheim mit massiven Investitionen in die Bundesliga zu hieven, als Gottseibeiuns aller traditionsbewussten Fans (auch jener, deren Objekte ihrer Liebe längst Kapitalgesellschaften sind), als Symbolfigur für die Kommerzialisierung des Fußballs.
Samstag, 29. Februar 2020
Freitags in Deutschland
Ein Selbstversuch
Was die Frau Klink kann, kann ich schon lange, dachte ich mir so. Rührei, Pellkartoffeln, Rahmspinat, jenes klassischte aller klassischen deutschen Freitagsessen, in Bio-Qualität zu Tisch bringen nämlich. Genügend Exemplare der werten Frau Linda waren noch vorrätig, ebenso ein paar Eier von anständig gehaltenen Hühnern. Fehlte noch der Rahmspinat. Nun muss ich gestehen, schon als Kind durchaus ein Fan dieser undefinierbaren, mit Milchpulver und Bindemitteln angereicherten und in stapelbarer Quaderform gefrosteten grünen Matschepampe gewesen zu sein. Diesmal aber wurde zu Testzwecken zum TK-Bioprodukt gegriffen.
Donnerstag, 27. Februar 2020
Rechts ran, bitte!
Geradezu esoterisch könnte man werden in diesen Tagen! Ist es wirklich bloß Zufall, dass gemeinsam mit Friedrich Merz auch Lars Windhorst wieder aus der Versenkung auftaucht? Jener einstige, mit Augenbrauen Waigelschen Ausmaßes ausgestattete Junginvestor, der schon als fast noch Minderjähriger neben irgendwelchen Wolkenkratzermodellen und Helmut Kohl posierte? Der ihn im Chor mit neoliberaler Journaille artigeifrig als Wunderkind und Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft präsentierte?
Montag, 24. Februar 2020
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (22)
Es gibt ja diverse Exemplare der Gattung Mann, die sich der allfälligen Feminisierung der Gesellschaft mutig entgegenstellen, indem sie nach außen demonstrieren, was für echte Männer sie sind. Nein, MÄNNA. Nee, MÖNNOH. Tragen rasputinhafte geplatzte Seegrasmatratzen am Kinn, die sie regelmäßig in Barbershops (wo nur MÖNNOH Zutritt haben) pflegen lassen und geben sich MÖNNLÖCHEN Hobbys hin. Sich großflächig tätowieren lassen. Barbecue. Essen im Stehen halbroh angebranntes, aus dem Internet heruntergeladenes Edelfleisch vom Grill. Dazu süppeln sie kennerisch Craftbeer aus kleinen Microbreweries. Überhopfte, gallenbittere Gewaltgesöffe, die kein mit durchschnittlichem Geschmackssinn ausgestatteter Mensch ohne Würgereiz durch den Hals kriegt.
Sonntag, 23. Februar 2020
Jenseits der Blogroll - 02/2020
Die Links und Fundstücke des Monats. Dominiert dieses Mal vor allem von den Ereignissen von Erfurt und Hanau. Quasi als Ausgleich gibt es auch viel Kultur.
Politik. Georg Seeßlen über Politik in Zeiten der Postdemokratie.
"In der Postdemokratie gehört der Erfolg offensichtlich nicht mehr jenen Personen und Organisationen, die am meisten moderierte und rationale Zustimmung in der Mitte erzielen, sondern jenen, die das Geschäft der Spaltung mit der größten Skrupellosigkeit betreiben."
Samstag, 22. Februar 2020
Tatäh!
Karneval ist Außenstehenden wie mir mitunter schwer zu vermitteln. Ein ehemaliger Arbeitskollege, der eine Zeitlang für die Colonia-Versicherung in Köln tätig war, erzählte mal, wie er auf eine Veranstaltung in einen öden Gemeindesaal in einem öden Vorort mitgeschleppt worden war. Als irgendwann dieser als Jungfrau verkleidete Mann in Begleitung von fünf dieser Zinnsoldaten reinmarschiert kam, sei der Saal förmlich explodiert. Alles habe sich selig schunkelnd in den Armen gelegen, teils mit Tränen in den Augen. Und er so: Hä? Hab ich was verpasst? Wäre mir vermutlich ähnlich gegangen.
Donnerstag, 20. Februar 2020
Tut nicht so überrascht!
Drecksfaschos. Jetzt hat Tobias Rathjen, einer dieser selbsternannten Abendlandsretter, in Hanau zehn Menschen getötet und sich selbst. Abgesehen davon, den trauernden Hinterbliebenen alles Mitgefühl auszusprechen, fällt einem nicht mehr viel ein, was man noch sagen könnte. Dieses inzwischen so routiniert wirkende Gedenken! Das Überraschtsein! Dabei hatte man das längst kommen sehen können, wenn man denn nur gewollt hätte. Seit dreißig Jahren, als in den neuen Ländern Nazis 'National Befreite Zonen' errichteten. Seit ungefähr zehn Jahren, als Rassismus salonfähig wurde. Seitdem die zunächst zu 'Döner-Morden' verharmloste NSU-Mordserie bekannt wurde. Halle. Lübcke. Warnzeichen gab es, massenhaft. Überraschend war da gar nichts.
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