Dienstag, 23. August 2022

Lest we forget (7)

 
In diesen Tagen vor dreißig Jahren, zwischen dem 22. und dem 28. August 1992, blies ein mordbereiter Mob aus Rechtsextremen und Neonazis in Rostock-Lichtenhagen zur Menschenjagd auf Asylbewerber und ehemalige 'Vertragsarbeiter' aus Vietnam, allgemein beklatscht, bejubelt und angefeuert von Anwohnern. Die Polizei stand die meiste Zeit hilflos daneben und war zum Zusehen verdammt. Dass in diesem Orlog aus Körperverletzung und Brandstiftung kein Mensch ums Leben gekommen ist, grenzt an ein Wunder. Sicher hatten Neonazis aus dem Westen entscheidenden Anteil, aber hier, kurz nach der und mitten in den Zumutungen der 'Wende' fiel ihre Arbeit endlich auf fruchtbaren Boden.

Samstag, 20. August 2022

Vermischtes und Zeugs (XXIX)


Die Tatsache, dass Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas in Berlin jüngst von "50 Holocausts" faselte, die Israel seiner Meinung nach an den Palästinensern begangen habe, offenbart sehr schön, in welchen Gaga-Dimensionen der Nahost-Diskurs inzwischen angekommen ist. Ist 'Holocaust' inzwischen eine neue SI-Einheit? 1 Holo = sechs Millionen tote Juden (plus Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommunisten u.a.)? Hat Israel demnach 300 Millionen Palästinenser umgebracht, oder wie sollen wir das verstehen?

Mittwoch, 17. August 2022

Unreformierbar?

 
"An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern." (Erich Kästner)

Der Trubel um die frischgebackene Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ist überwiegend armselig und dient vor allem dazu, das System des öffentlich-rechtlichen-Rundfunks weiterhin für seine Profiteure am Laufen zu halten. Aller Wahrscheinlichkeit ist die Dame, wiewohl allzuviel Mitleid mit ihr unangebracht ist, ein Bäuer:innenopfer. Weil die Causa Schlesinger denjenigen hervorragende Argumente liefert, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk drastisch zusammenstreichen oder gleich ganz abschaffen wollen, gerät dessen Geschäftsmodell unter Druck. Da wirft man die lieber die raffgierige Hexe der Öffentlichkeit zum Fraße vor, bevor es einem selbst ans Leder geht.

Sonntag, 14. August 2022

Peter Pan im Saustall

 
Würd ma den Eberhofer Franz amoi charakterisieren wollen, wie die Eierkepf des nenna tuan, denn würd i so sogn: Der mog hoit ned recht erwachsen werdn, der Franz. Lebt in Niederkoidenkiachen bei de Oma und dem Babba aufm Hof im Saustall (ned, weils do herinnen ausschaugt wie in oanem, sondern weils amoi wirkli a Saustall war. De Babba rauchat oiwei des Gras, was er sölbst anbaun tuat, und Leopold, dem Franz sei Bruader, des is a Schleimsau, is des. Essn tuat der Franz am liabsdn des, was die Oma kochen tuat, am zwoatliebsten die Leberkässemmeln vom Metzger Simmerl. Überhaupt, die Oma! Heans, manchemoi, da denk i, die is goa net schwerhörig. Schlau is sie allemal. Die woaß: So a Bua, egal wie oid, muss oiwei was G'scheits essen. Wos hoaßt: Ois unter 3000 Galorien ist ka Mahlzeit, sondern a Imbiss.

Donnerstag, 11. August 2022

Ronny des Monats - August 2022

 
Bevor wir zur Verleihung der Ronnys des Monats schreiten, würde ich gern das hier zur Kenntnis bringen. Ich weiß, sind Aussagen und persönliches Erleben. Ich weiß, Oliver Polak ist nicht unkontrovers. Aber wenn das so war, dann wundert’s mich nicht. Bestätigt das vieles, was ich über diese Band schon lange denke. Ist mir immer suspekt geblieben. Ja, man kann sich seine Fans nicht aussuchen. Ja, die Onkelz sind (längst) keine Nazi-Band (mehr) und ihre Fans nicht automatisch Rechte und Nazis. Doch trotz aller Distanzierung von der Vergangenheit scheint man offenbar immer noch durchaus anschlussfähig in gewissen Milieus. Weniger wegen expliziter Inhalte, Texte oder konkreter Aussagen, sondern mehr wegen gewisser Haltungen. In der Art von: "Eine abgehobene Kulturelite will euch vorschreiben, was ihr gut zu finden habt und was nicht (aber wir verstehen uns – wink wink)". Man gerät da mitunter leicht, wenn auch keineswegs zwingend, in brackiges Fahrwasser.  Und so halte ich es mit Farin Urlaub, der einst sagte: "Ich mag die nicht. Immer noch nicht."

Montag, 8. August 2022

Vermischtes und Zeugs (XXVIII)

 
Inzwischen bin ich mir einigermaßen sicher, dass dieses Internet und vor allem die 'sozialen' Medien auf einer fundamentalen Fehleinschätzung beruhen: Der nämlich, dass Menschen prinzipiell gut seien, und wenn nur genügend Gute und Gutwillige versammelt seien, dann hätten die paar Arschlöcher und Deppen, die es halt immer irgendwo gibt, keine Chance. Schaut man sich diverse Ecken von Twitter an oder Kommentarspalten in diversen Medien, könnte man hingegen glatt auf die Idee kommen, diese Welt sei unrettbar verloren.

Samstag, 6. August 2022

Schmähkritik des Tages (60)

 
Heute Robert Misik über Online-Mobs und Appeasement

"In Österreich wurde eine Ärztin vom rechtsextremen Impfgegner-Mob in den Tod gehetzt. Lisa-Maria Kellermayr hatte sich von Beginn der Covid-19-Pandemie an um Patienten gekümmert, sie hatte ganz praktische Behandlungserfahrungen gesammelt, als Anfangs alle noch im Blindflug unterwegs waren, sie hatte damit auch eine gewisse Prominenz erlangt, war dann den Covid-Leugnern und Impfgegnern ein Dorn im Auge. Sie erhielt Hassmails, Morddrohungen, in denen ihre Todesart in den grellsten Farben und explizit ausgemalt wurde. Die Polizei nahm sie nicht ernst und fraternisierte noch mit dem Mob. [...]

Mittwoch, 3. August 2022

Neun Euro. Der Selbstversuch

 
Wieder einmal stand der alljährliche mehrtägige Besuch bei einem alten Freund an, der in der Nähe von Bremen residiert. Die Alternativen waren: Entweder mindestens eine Tankfüllung verballern, und das zu den momentanen Preisen, dafür komfortabel und unabhängig sein von Fahrplänen und Anschlüssen. Oder sich in vermutlich überfüllte Züge quetschen, sich an Fahrpläne halten, auf Anschlüsse hoffen und Maske tragen. Andererseits würde die Reise auf keinen Fall mehr als neun Euro kosten. Ein No-brainer, wie der Angelsachse da sagt. Zumal ich Urlaub hatte, ein verpasster Anschluss oder eine Verspätung mich nicht aus der Bahn werfen (hihi!) würden.

Montag, 1. August 2022

Da hört sich doch...

 
"Umso bedauerlicher ist daher das Schauspiel, das die Engländerinnen vor allem in den letzten Minuten des Finales aufgeführt haben: Zeitspiel bis zum Äußersten. Sei es beim Ausführen von Ecken, wo die Lage des Balles nur millimeterweise korrigiert wurde, sodass die Linienrichterin drei Mal eingreifen musste. Oder die Torhüterin Mary Earps, die auch nach einfachsten Paraden erst einmal vornüber kippte, um noch mit dem Ball in den Armen liegen zu bleiben: Hauptsache, wieder ein paar Sekunden von der Uhr nehmen. Hinzu kommt Einwechselspielerin Jill Scott, die nach einem Zweikampf mit Sydney Lohmann aufsprang und die Deutsche mit »Fuck off, you fucking prick!« beschimpfte, zu deutsch etwa: »Verpiss Dich, Du Idiotin!« – und dafür in sozialen Medien von England-Fans gefeiert wird." (Thomas Krause)

Sonntag, 31. Juli 2022

Spaltung? Bitte gern!


"Es ist mittlerweile klar, was »Querdenker« und Co. meinen, wenn sie von »Meinungsfreiheit« reden: Alle anderen sollen die Meinung der »Querdenker« als Wahrheit anerkennen. Sie sollen nicht widersprechen und wagen sie es doch, wird der ganze Sturm des Hasses und der Häme losgelassen. Das trifft Leute unterschiedlich hart. Manche müssen sich »nur« dumme Sprüche anhören. Anderen wird mit Mord und Totschlag gedroht. Wohin auch digitale Hetze und Hass führen können, haben wir gesehen." (Frederick Mallon)

Es gibt Tage, da will man nur noch den Liebermann machen. Da wird die österreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr tot in ihrer Wohnung gefunden, nachdem sie viele Monate lang von Impfgegnern auch persönlich in ihrer Praxis bedroht wurde. Die Polizei sah übrigens keinen Grund für Personenschutz und riet ihr, sich lieber nicht so in die Öffentlichkeit zu drängen. Die hämischen, kernverrohten Reaktionen aus der Impfgegner- und Querdenkerszene mag ich nicht weiter kommentieren. Die Versuchung, auf dieses Niveau zu sinken, ist zu groß. Das richtet sich selbst. Hoffentlich.

Freitag, 29. Juli 2022

Reiseimpressionen (12)


Oldenburg

Im Krieg ist hier kaum etwas zu Bruch gegangen. Und nach dem Krieg war das vermutlich strukturschwache Region. Daher hat sich in der Oldenburger Altstadt, trotz vereinzelter ärgerlicher Bausünden und trotz erkennbarer Bemühungen von Stadtplanern, jeglichen Charme zu exorzieren, eine alteuropäische Verwinkeltheit erhalten, wie sie in Städten dieser Größe in Norddeutschland nur noch selten zu finden ist. Stelle ich mir im Herbst und Winter nett vor, wenn alles von innen erleuchtet ist. 

Dienstag, 26. Juli 2022

Was reimt sich eigentlich auf...?


Der notorische Mario Barth führte einst ein bedrucktes Leibchen spazieren, auf dem es hieß: "Nichts reimt sich auf Uschi!". Dass das Wort 'Sushi' sich damals vielleicht noch nicht bis in den letzten Winkel bildungsferner Schichten herumgesprochen hatte, mag man zu seinen Gunsten annehmen. Immerhin wissen wir neuerdings, was sich auf 'Layla' reimt. Ein Frauenname auch das. Der, auf den das heurige Sommerloch hört. Nun wäre mein Leben um keinen Deut ärmer, wenn derlei Gesänge nicht existierten. Not my kind of entertainment. Wenn es mich also auf eine Veranstaltung verschlüge, wo derlei gespielt werden könnte, ich würde demnach nichts vermissen. Es ist mir auch egal, ob zu der eh schon unübersehbaren Kollektion an Fickificki-stumpfa-stumpfa-Partymusik sich ein weiteres Stück hinzugesellt.

Samstag, 23. Juli 2022

Jenseits der Blogroll - 07/2022

 
Bevor wir zu den Links und Fundstücken des Monats kommen, eine kleine Beobachtung: Mit will scheinen, dass  Teile der 'alternativen' Medien zunehmend dazu neigen, die andere Seite zu pathologisieren, mithin etwas tun, das sie anderen selbst gern vorwerfen. Dass Menschen sich aus rationalen Er- und Abwägungen heraus für oder gegen etwas entscheiden, mit dem man dann halt nicht einverstanden ist -- dergleichen aufklärerisches Gedankengut findet man immer seltener. Nein, wenn andere etwas tun, was man falsch findet, dann nur, weil sie irgendeine Neurose haben, ein schweres Kindheitstrauma spazierenführen. Sie tragen weiterhin Maske, weil sie irrationale Ängste haben. Mindestens. Geil darauf sind, sich Autoritäten unterzuordnen. Drunter machen sie’s nicht.

Mittwoch, 20. Juli 2022

Vermischtes und Zeugs (XXVII)


Hitzewelle Spezial

Sagt mal, Großbriten, wie habt ihr das damals eigentlich geschafft, so viele tropische Gegenden der Erde zu beherrschen, wenn ihr jetzt wegen ein paar heißen Tagen schon das große Stöhnen anfangt? Und seit wann kriegen die Gardisten vor Buckingham Palace, St James's Palace und Windsor Castle hitzefrei? Rückzug? Bloß wegen ein bisschen Sonne? Zur Erinnerung: Die Schlacht von Waterloo fand damals auch im Sommer statt. Hat da irgendeiner so: "Blimey, ist das heiß! Mimimi, vor den Franzosen habe ich keine Angst, aber diese dicke Uniformjacke bringt mich noch uuuuum! Hat mal jemand Sonnencreme, boys?" Mann, Mann, Mann, mit solchen Weicheiern und Schattenparkern in Uniform kann das ja nichts werden mit former glory.

Dienstag, 19. Juli 2022

Sommerloch: Sissi mit Handschellen

 
Unter der (vernichtenden) Kritik über den Film 'Fifty Shades Of Grey' im Guardian schrieb eine Kommentatorin, sie sei seit über 15 Jahren in der Fetisch-/BDSM-Szene unterwegs und niemals, nicht ein einziges Mal, sei ihr dort jemand begegnet, der versucht habe, einen Menschen, der nicht von sich aus Zustimmung, Interesse oder zumindest Neugier signalisiert habe, zu solchen Praktiken zu bekehren bzw. dazu zu manipulieren. Wer so etwas täte, betriebe nichts anderes als Missbrauch.

Sonntag, 17. Juli 2022

Sommerloch: Über die Achtziger


"Die Welt von Westeros nämlich ist bereits eine im Zustand der Entzauberung. Die Menschen hängen noch alten Legenden nach, sie träumen von einer besseren Vergangenheit; sie verhalten sich wie die Bewohner einer barbarischen, postheroischen Kultur zu einer heroischen Vergangenheit, in der, vielleicht, die Werte, auf die man sich gelegentlich bezieht, noch wirklich gegolten haben." (Georg Seeßlen) 
 
Es war im letzten Sommer. Ich saß mit Teilen meiner bayerischen Verwandtschaft beim Grillen, als der neben mir sitzende, schweigend trinkende Beinahe-Ehemann meiner Großcousine auch mal was sagte. Im Hintergrund lief irgendeine Achtzigerjahre-Mucke und es wurde gerätselt, von wem sie sei. Da grummelte mein Sitznachbar plötzlich: "Die Achtziger waren eh des Beste, hernach is nur noch Schmarrn kemma." Ich zuckte innerlich zusammen. Sieh an, dachte ich, noch so einer, der die Achtziger für das tollste aller Jahrzehnte hält. Nicht rumdiskutieren, beherrschte ich mich, das bringt eh nix. Aber diese Achtzigerjahre-Nostalgie geht mir dermaßen auf die Eier! Glücklicherweise ließ er's dann auch bei dieser einen Bemerkung bewenden und wandte sich wieder seinen Weißbieren zu.

Freitag, 15. Juli 2022

Bald brennt's

 
Na, Holgi, alter antifaschistischer Widerstandskämpfer, freust du dich schon? Dass das System, das du so abgrundtief hasst, demnächst endlich brennen wird? Das System, das dir, wie und warum auch immer, die letzten Jahrzehnte, trotz aller Zumutungen ein Leben geboten hat, um das größere Teile der Weltbevölkerung dich immer noch beneiden. (Nein, ich finde nicht, wir sollten unserem System 'dankbar' sein oder so, das ist unangebracht. Es hilft aber zuweilen, den Blick mal über Doitschland und Europa auszuweiten. Um gewisse Dinge in Perspektive zu rücken.)

Montag, 11. Juli 2022

Vermischtes und Zeugs (XXVI)


Was für ein Gejammer in den Kommentarspalten! Da kommen einige Menschen nicht damit klar, dass es für geäußerte Meinungen auch Gegenwind geben kann. Leute wie Precht und Wagenknecht konnten sich stundenlang im TV zu Russland präsentieren. Auch in den Printmedien erschienen ihre Meinungen zu dem Thema und jetzt wird darüber rumgeflennt, dass diese Meinungen nahezu kollektiv auf Ablehnung stoßen. So ist das nun einmal im Leben. Shit happens.

Samstag, 9. Juli 2022

Ronny des Monats - Juli 2022

 
Wer glaubt, Sommerzeit sei Urlaubszeit und auch Ronny & Cie. machten daher auch Pause, sieht sich wieder einmal eines Besseren belehrt, wie die unten versammelten Top 5 zeigen werden. Wussten Sie eigentlich schon, dass die Polizei in einigen Bundesländern voll genervt ist von den dauernden Rassismus-Studien? Weil sie immer in so schlechtem Licht dastehen täte, sekundiert der von Rainer Wendt präsidierte Berufsverband. Aha. Ich habe übrigens keinen Bock auf das andauernde "Aber der Linksextremismus ist mindestens genau so schlimm!", wenn wieder irgendwo rechte Gewalt verharmlost werden soll. Und nu? Wussten Sie ferner, dass die russische Duma schon 2015 die deutsche Wiedervereinigung zur völkerrechtswidrigen Annexion erklären wollte? Okay, auch andere hatten ja was geahnt. Und über Sachsen können wir gern verhandeln, wenn's dem Kriegsende dient.

Dienstag, 5. Juli 2022

Die Dienstpflicht ruft - nicht.


Momentan wird wieder "händeringend" nach Arbeitskräften gesucht. Wie eigentlich immer. Nach Arbeitskräften zu suchen, ohne dabei die Hände zu ringen, ist ja seit Jahrzehnten verpönt, quasi kaum mehr denkbar. Ist die Fähigkeit eigentlich angeboren oder kann man das irgendwo lernen, dieses Händeringen? Gibt es da VHS-Kurse oder IHK-Fortbildungen? "Willkommen zu unserem Wochenendseminar 'Erfolgreich Hände ringen für Anfänger'"? Oder kann man da einen Bachelor drin machen, einen Master oben drauf setzen und promovieren? Wenn nicht, dann kann das, gemessen an der Allgegenwärtigkeit dieser Kulturtechnik, nicht mehr allzu lange dauern.

Sonntag, 3. Juli 2022

Schmähkritik des Tages (59)

 
Heute: Slavoj Žižek, kontrast-mittel.org und Wiglaf Droste über das Problem der Linken in Kriegszeiten im Allgemeinen und die Zeitschrift 'Konkret' im Speziellen.

"Ein Linker, der »Verständnis« für Russland zeigt, ist mit jenen Linken vergleichbar, die vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion die deutsche »antiimperialistische« Rhetorik gegen Großbritannien ernst nahmen und sich für Neutralität im Krieg Deutschlands gegen Frankreich und Großbritannien einsetzten. Wenn die Linke hier versagt, ist das Spiel für sie aus." (Der Freitag, 1. Juli 2022)

Donnerstag, 30. Juni 2022

Vermischtes und Zeugs (XXV)


Eines muss man den evangelikalen Eiferern in den USA lassen, die nun mit dem gekippten Roe vs. Wade Urteil und dem daraus folgenden, faktischen Abtreibungsverbot in vielen Bundesstaaten eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht haben: Der Slogan 'Pro life' - für das Leben - ist gut ausgewählt. Vorausgesetzt, man versteht die Pointe, dass mit 'life' ausschließlich ungeborenes Leben gemeint ist. Wenn Schulkinder von einem weggemetzelt werden, der sein Grundrecht auf Waffenbesitz wahrnimmt, stößt das an Grenzen. Mal sehen, ob die drüben jetzt auch so konsequent sind, illegale Abtreibungen in Zukunft mit dem Tod zu bestrafen. Wegen 'Pro life' halt. (Was soll's, von fanatisierten Aktivisten Denken in Zusammenhängen zu erwarten, war schon immer gewagt.)

Montag, 27. Juni 2022

Separatoren-Sauerei

 
Mein längst verstorbener bayerischer Urgroßonkel verdiente seine Semmeln einst als Viehhändler. Einmal nahm er meinen Vater, der gerade zu Besuch war, mit in die Schlachthofkantine. Da gab es für kleines Geld ein Stammessen. Lüngerl mit Knödeln, Bruckfleisch, Herzragout oder saure Nierndl. Mitunter auch Stierbeutel. Oder man bediente sich für ein paar Groschen aus dem riesigen Schlachtkessel, der in der Ecke vor sich hin simmerte. Darin schwammen neben Innereien wie Lebern auch Rüssel, Pfötchen, Schwänzchen und Ohren. Vatern wandte sich mit Grausen, die versammelten Fleischer- und Viecherer-Gesellen lachten sich eins über den Saupreiß', den damischen, und hatten eine klare Meinung: Da hat einer absolut keine Ahnung, was für Leckerbissen so a Schweinderl, a Kaibi, a Kuah oder a Ochs’ so alles bereithält.

Samstag, 25. Juni 2022

Jenseits der Blogroll - 06/2022

 
Die Links und Fundstücke des Monats. Kann man, so die kurrente Gretchenfrage, Pazifist sein und den ukrainischen Widerstand gegen die russische Invasion trotzdem gutheißen, so im Sinne von: Notwendiges Übel? Meine Position ist bekannt. Seit dem 24. Februar ist es ziemlich müßig, stundenlang bis in die fallende Nacht über diverse Versäumnisse und Sauereien 'des Westens' zu diskutieren (wozu ich übrigens gern bereit bin, wenn mit gleicher Offenheit und Akribie über diverse Versäumnisse und Sauereien Russlands debattiert wird). Wer den Frieden will, muss diesen Konflikt beenden wollen. Das aber geht nur aus einer Position der Stärke heraus und, leider, leider, wohl nur mit Gewalt. Auch wenn dadurch eventuell jahrzehntelang gehegte Wertvorstellungen Kratzer bekommen.

Dienstag, 21. Juni 2022

documentata

 
Das Schöne am Antisemitismus ist ja: Es gehört absolut kein Mut dazu. Wenn du nicht gerade eine halbe israelische Olympiamannschaft massakrierst, wird kein Mossad-Kommando ausrücken, dich zu liquidieren und es dann wie einen Unfall aussehen lassen. Es braucht ein bisschen Gratismut Marke "Wird man ja wohl noch sagen dürfen! Wosimmerdennhier?",  sonst nichts. Weil man's ja nicht sagen darf! Humbug. Man kriegt verbal auf die Mütze, sonst nichts. Schlimmstenfalls wird mal ein Bild abgehängt. Doof, ja. Aber sonst? Richtige religiöse Fanatiker offen zu kritisieren, dazu gehört mitunter schon mehr Mut, wie sich immer wieder gezeigt hat.

Samstag, 18. Juni 2022

Ehre, wem Ehre gebührt

 
"Das Titelblatt heißt Titelblatt, weil's Titten hat." (anonym, H. Nannen zugetraut)

Die kriegen ja alles raus. Absolut alles kriegen die raus. Jetzt haben die tatsächlich rausgefunden, dass 'Stern'-Gründer Henri Nannen nicht nur mehr oder minder fröhlich bei den Nazis mitgemacht hat. Nein, er soll sogar, jüngeren Recherchen zufolge, als Mitglied der Waffen-SS für ein übles antisemitisches Propagandapamphlet verantwortlich gewesen sein, das von der SS-Einheit 'Südstern' (wink, wink!) an der Italienfront verteilt wurde. Tja, und jetzt steht man da mit seinem Nannen-Preis und der Henri-Nannen-Journalistenschule. Und benennt erst mal um. Hoppala, hier müffelt's ja! Der Henri-Nannen-Preis soll in diesem Jahr einmalig unter dem Namen 'Stern-Preis' verliehen werden, bis einem was besseres eingefallen sei, so wurde verlautet.

Donnerstag, 16. Juni 2022

Vom Gleichschalten und Treibjagen

 
Den klugen Paul Mason sinngemäß zitierend, könnte man sagen: Die unbestreitbare Tatsache, dass (westliche liberale) Demokratien zweifellos ihre systemimmanenten Fehler, Schwächen und blinden Flecken haben, macht noch lange keine Diktaturen aus ihnen. Diverse 'alternative' Medien bedienen sich zunehmend einer heillos entgrenzten Sprache, um aktuelle, von ihnen missbilligte Erscheinungen als Anzeichen dafür zu framen, dass wir in einer Diktatur leben. Da wird dann eine eher triviale Beobachtung wie die, dass an einen Mainstream gerichtete Medienangebote eben Mainstream-Erwartungen bedienen, zu 'Gleichschaltung' hochgejazzt. Der Unterschied zu Jana aus Kassel ist da nicht mehr besonders groß. Haste Kummer - mach die Opfernummer!

Montag, 13. Juni 2022

Vermischtes und Zeugs (XXIV)


Die Älteren werden sich vielleicht erinnern: In den 1970ern gab es Gruppierungen wie die RAF oder den 'Revolutionären Kampf'. Letztere waren die Leutchen um Matthias Beltz, Daniel Cohn-Bendit, Joschka Fischer et al., die beim Opel in Rüsselsheim anheuerten, um die dortigen Arbeiter zum Revolutionmachen zu bewegen. Die waren alle überzeugt, das herrschende System stünde unmittelbar vor dem Kollaps, ein letzter Schubs würde genügen, um es zum Einsturz zu bringen. Was, fragen sich heute viele mit gewissem Befremden, machte die bloß so sicher?

Samstag, 11. Juni 2022

Teurer Königsweg

 
Der Imperativ, sich bittesehr gesund, ausgewogen, aus frischen Zutaten zu ernähren und, wenn überhaupt mal, dann bitte nur ganz selten mal ganz hochwertiges Fleisch zu essen, mag aus ökologischer und physiologischer Sicht vernünftig sein. Nur haftet dem unter kapitalistischen Rahmenbedingungen auch immer ein unangenehmer Klassenaspekt an. Das empörte Fingerzeigen auf billiges Grillfleisch im Discount erinnert durchaus nicht zufällig an die empörte bildungsbürgerliche Frage, ob denn jetzt wirklich jeder Abitur machen und studieren müsse (will heißen: Die Welt war doch völlig in Ordnung, so lange im wesentlichen nur unsere Kinder diese Privilegien hatten und wir bestimmten, wer aus den niederen Ständen 'es schaffte').

Mittwoch, 8. Juni 2022

Ronny des Monats - Juni 2022

 
Schon wieder ist nicht nur fast das halbe Jahr, sondern auch ein kompletter Monat rum, und das bedeutet: Es ist Ronny-Time. Nachdem der Krieg in der Ukraine nicht mehr komplett die Nachrichten dominiert, kommen auch wieder vermehrt Neuigkeiten aus dem blaubraunen Lager und deren Assoziierten an die Öffentlichkeit. Und natürlich sind auch dieses Mal wieder einige auf der Shortlist gebleiben, ohne es in die Top 5 geschafft zu haben: Etwa dass im Land der unbegrenzten rechten Möglichkeiten der Verfassungsschutz wochenlang einen bekannten NPD-Politiker an der Pforte sitzen hatte. Man denkt dort also das Konzept des V-Manns konsequent zu Ende. Oder Springers 'Welt', die mutig zur Verteidigung deutschen Nachwuxes gegen die Verschwulungsversuche von ARD und ZDF schreitet...

Sonntag, 5. Juni 2022

Was Macht macht

 
So es denn eine gibt, lässt die Moral von der Geschicht', die die hervorragende dänische Serie 'Borgen' anbietet, sich recht kurz zusammenfassen: Macht ist eine Droge. Wer nicht beizeiten lernt, von ihr zu lassen, den wird sie zerstören. Zuverlässig und gnadenlos. Panzern. Hart und brutal machen. Sie zerstört nicht nur die, die sie haben, sondern auch deren Familien und deren Umfeld. Und noch etwas lernen wir: So etwas wie oben ankommen gibt es nicht. Wenn du oben bist, dann wird es erst richtig übel. Dann bist du der Gejagte und die Jäger werden immer jünger und zahlreicher. Daher musst du mindestens so viel Aufwand darauf verwenden, dich an der Macht zu halten wie auf deine eigentliche Arbeit.

Freitag, 3. Juni 2022

Vermischtes und Zeugs (XXIII)

 
Elon Musk will, dass alle Tesla-Mitarbeiter 40 Stunden pro Woche im Büro sind. Wer das nicht täte, so ließ er per Mail verlauten, bei dem werde davon ausgegangen, dass der Betreffende das Unternehmen verlassen hätte. Boah, ist schon ein voll krasser Visionär, der Elon! Herzlich willkommen im hypersupi quietschmodernen Digitalkapitalismus, wo wir genauso doof roboten gehen müssen wie 1960. Dann kann man's auch lassen.

Montag, 30. Mai 2022

Gut konserviert


Konservative und Rechte, die politischen Gegnern vorwerfen, in Traumwelten zu leben, sollten sich zunächst vielleicht mit den Traumwelten befassen, in denen sie selbst leben. Nicht nur in Deutschland natürlich.

Nicht alle, aber auch nicht eben wenige Konservative und viele Rechte werfen anderen gern Spinnerei vor, leben ihrerseits aber erst recht in einer Traumwelt. Ihnen träumt, früher sei so ziemlich alles besser gewesen. Die Leute hätten sich nicht scheiden lassen, junge Menschen nicht zügellos rumgemacht, sonntags seien die Kirchen voll gewesen, die Frauen hätten noch nicht aufgemuckt, und wenn doch, dann durfte der Ehemann auch mal ungestraft Gewalt anwenden. (Überhaupt hat damals eine gesunde Watschen noch keinem geschadet.) Alle waren hetero und wenn mal einer von der Brücke sprang, weil er das dauernde Mobbing (das früher noch nicht so hieß, sondern 'Hänselei' oder so) nicht mehr ertrug, dann war er halt zu weich für diese Welt. Und eh selbst schuld. Musste ja nicht so aus der Reihe tanzen.