Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Montag, 26. November 2018
Wir müssen reden - nicht!
Gibt immer wieder mal so Debatten, die ich nicht verstehe. Bzw. ich begreife nicht, wieso es sich überhaupt um Debatten handelt. Etwa die so heiß diskutierte Frage, ob man denn nun mit Rechten reden müsse oder nicht. Vasteh ick nich. Warum? Ich muss mit niemandem reden. Wie ich auch sonst nichts wirklich muss, außer irgendwann sterben. Ein Wildfremder, der mir in der Öffentlichkeit ein Gespräch über, sagen wir, Reichsflugscheiben aufzwingen will und meine Aufmerksamkeit zu erpressen trachtet mit dem Nichtargument, ich hätte sein wirres Gefasel gefälligst zu erdulden, da wir ja Meinungsfreiheit hätten, müsste je nach Tagesform mit kompletter Ignoranz oder einer deutlichen Abfuhr meinerseits rechnen.
Samstag, 24. November 2018
Jenseits der Blogroll - 11/2018
Die letzte Woche des Monats bricht an. Zeit für die monatliche Linksammlung.
Politik. Sind Sie auch so erleichert, dass Horst Seehofer sich nicht mehr jeden Tag zu Wort meldet? Puh, den sind wir erst mal los. Leicht verwirrter Opa mit Sprechdurchfall, wirkte immer ein wenig wie der peinliche Onkel, damals auf den Familienfeiern. Erzählte immer die gleichen abgestandenen Zoten. Keiner mochte ihn wirklich, aber niemand traute sich, ihn nicht einzuladen. Hätte auch nix genützt, er wäre trotzdem aufgekreuzt. Doch Obacht, meint Onkel Maike, auch schlechte Politiker haben eindeutig ihre Vorzüge.
Mittwoch, 21. November 2018
Deppen, Medien, Metaebene
"Auch vor dem Internet gab es in jedem Dorf einen Deppen, manchmal auch zwei. Durch das Internet können sich nun die Dorfdeppen untereinander austauschen und organisieren." (Jörg Kachelmann)
Wir lebten in einer Zeit zunehmender Wissenschaftsfeindlichkeit, so ist da und dort zu hören. Man kann da die Frage stellen, ob das in Zeiten der herrschenden Kommunikationsmöglichkeiten nicht auch ein Wahrnehmungsproblem sein könnte. Analog zum o.g. Zitat könnte man sagen: Leute, die Wissenschaft doof finden, hat es früher auch gegeben, aber dank Internet können sich heute alle Wissenschaftsdooffinder dieser Welt vernetzen. Definitiv ein Problem scheint es aber zu geben mit der medialen Aufarbeitung wissenschaftlicher bzw. vermeintlich wissenschaftlicher Erkenntnisse ("Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass..."). Die hat inzwischen Formen von Sensationsjournalismus angenommen, sodass es nicht mehr um Aufklärung geht, sondern offenbar nur noch darum, möglichst viele Säue möglichst klickzahlenträchtig durchs Dorf zu treiben.
Samstag, 17. November 2018
Mittelschicht und Mittelmaß
"Faustregel: Wer mehr als ein Flugzeug besitzt, ist wahrscheinlich nicht Mittelschicht." (Oliver Welke)
Will eigentlich noch irgendjemand Oberschicht sein? Oder sich dazu bekennen, Unterschicht zu sein? Ist übrigens gar nicht so abwegig. Es gab nämlich Zeiten, da war Proletariat schick, da wollte man dazugehören, wenn die Revolution um die Ecke kam. In den Siebzigern auch die Studenten aus gediegenem Hause, die von Mutti immer den Bundeswehrparka gewaschen kriegten, weil sie selbst nicht dazu kamen vor lauter Revolutionmachen (daraus sind später die Grünen entstanden). In den Achtzigern dann konnte es für viele gar nicht Oberschicht genug sein. Die Bürgerkinder begehrten, reiche Säcke zu werden. Kamen mit Aktenköfferchen zur Schule, wählten Wirtschaft-LK, drohten mit Papis Anwalt, gingen BWL studieren und träumten von einem Job als Broker, um alsbald herumzulaufen wie Gordon Gekko.
Donnerstag, 15. November 2018
Sabbaticals sind scheiße
Ha, Aufmerksamkeit generiert! Hab ich Sie drangekriegt. Vielleicht sollte man es differenzierter ausdrücken und sagen: Längere berufliche Auszeiten, allgemein als Sabbaticals bekannt, werden in der Regel maßlos überschätzt und je penetranter sie propagiert werden als Wundermittel gegen ausbeutungsbedingte Abgespanntheit und andere Gebresten, desto verdächtiger wird es.
Da wäre zunächst einmal das Problem, dass man sich so ein Sabbatical überhaupt erst leisten können muss. Will man während einer Auszeit nicht jeden Cent umdrehen, sollte man was gespart haben. Oder man muss, wie bei den bisher üblichen Modellen, einige Jahre auf einen Teil des Gehalts verzichten, um so eine Art Guthaben für das freie Jahr zusammen zu haben. Um auf einen Teil verzichten zu können, muss man allerdings erst einmal genug verdienen. Damit wären diejenigen, die vielleicht am dringendsten eine längere Pause bräuchten, nämlich die, die in krank machenden, mies bezahlten Drecksjobs ohne jegliche Aus-, geschweige denn Aufstiegschance festsitzen, von vornherein ausgeschlossen.
Sonntag, 11. November 2018
Sensation! Weltexklusiv! Irre!
Wir werden investigativ. Aber hallo! Exklusiv aus Uli Höneß' Mantel (der in die Reinigung musste): Der Zettel mit der Einkaufsliste des FC Bayern München für das nächste Transferfenster:
Samstag, 10. November 2018
Ronny des Monats - November 2018
Ist ja wieder so einiges Unerwartete passiert seit letzten Monat. So fand ich es sehr überraschend, herauszufinden, dass AfD-Politiker doch ein Herz haben. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag ist nämlich mit Herzproblemen kollabiert. Das beste: Ausgerechnet ein SPD-Kollege mit türkischem Migrationshintergrund hat ihm erste Hilfe geleistet und ihm damit wohl nicht nur den Arsch gerettet. Hat Hollywood schon ein Angebot für die Filmrechte abgegeben? Oder dass ausgerechnet (Achtung, Weltbild-Einsturzgefahr!) die mutigsten Streiter für die Wahrheit in puncto Fake News selber keine Unschuldslämmer sind. Traurig, wenngleich weniger überraschend fand ich, dass es in Sachsen offenbar kaum mehr möglich ist, sich an dortigen Schulen gegen Rechtsextremismus zu engagieren, weil es auch in den Kollegien inzwischen reichlich bräunlich müffelt.
Freitag, 9. November 2018
Vor 80 Jahren
"Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen." (Primo Levi)
Gedenken am Mahnmal der hiesigen Synagoge zum 80. Jahrestag. (Wegen des heutigen Sabbatabends schon gestern.) Präsenz zeigen. Etwas mehr los als letztes Jahr. Polizei war heuer auch anwesend, wenngleich dezent und glücklicherweise war Kampfmontur nicht nötig. Die Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hielt eine kurze Ansprache und zitierte Primo Levi. Der Bürgermeister, obwohl politisch nicht mein Lager, hielt wie jedes Jahr eine kurze Ansprache, an der es nichts zu meckern gab. Kein Gendenkpathos, durchaus klare Worte gegen rechts. Aufrechter Demokrat, kein Zweifel. Letztes Jahr hatte der Kantor der Jüdischen Gemeinde das El male Rahamim noch hier am Ort der zerstörten Synagoge unter freiem Himmel rezitiert. Dieses Jahr nicht. Schade.
Dienstag, 6. November 2018
Der Weiter-so-Mann
Der Journalistik-Dozent Scott Maier sagte einst, Menschen würden JournalistInnen, weil sie gerne Geschichten erzählten und Mathe hassten. Das liefert immerhin eine schöne Erklärung dafür, wieso Teilen der Qualitätspresse angesichts des unverhofften Wiederauftauchens des einst weggemerkelten neoliberalen Messias Friedrich Merz der Sabber der Vorfreude aus allen Knopflöchern quillt. Merz ist einer breiten Öffentlichkeit nämlich vor allem durch die Forderung erinnerlich, eine Steuererklärung müsse auf einen Bierdeckel passen. Ich fand es schon als Schüler, als ich gelegentlich mit Spickzetteln arbeitete, immer bloß die entscheidende Frage, wie klein man zu schreiben imstande ist.
Samstag, 3. November 2018
Gefegt und trockengeputzt
Lange in keinem Kurort mehr gewesen. Selber auch nie auf Kur gewesen. Vielleicht kein schlechtes Zeichen. Man hat ja so seine Vorurteile. Morgens Fango, abends Tango. Beige gekleidete Senioren lustwandelnd im Park. Mürbfleischig-welke, krampfadrige Unterschenkel beim Wassertreten. Ein aus unterbezahlten osteuropäischen Hilfskräften zusammengesetztes Kurorchester, das in einer baufälligen Konzertmuschel lustlos süßliche Operettenpotpourris zusammenfiedelt. Stiernackige Masseure und resolute, matronenhafte, sofakissenbrüstige Masseurinnen, unter deren schraubstockartigem Eisengriff noch der verspannteste Kassenpatient schlagartig wieder zum Springinsfeld mutiert.
Mittwoch, 31. Oktober 2018
Schmähkritik des Tages (23)
Passend zu Halloween: Anja Rützel über ein Konzert des 'Volks-Rock‘n-Rollers' Andreas Gabalier in Berlin
"Wenn man mit Andreas Gabaliers Werk nur so weit vertraut ist, wie es sich eben nicht vermeiden lässt, wenn man gelegentlich durch das Samstagabendfernsehprogramm zappt, staunt man an diesem Abend, wie einfach das Einfache dann tatsächlich ist. Ein Refrain über das Daheim-Gefühl geht dann auch schonmal so: »Des is dahoam, des is dahoam / Ja, do nur do bin I dahoam.« Selbst die Kollateralschäden eines ländlichen Lebens nimmt man da gern in Kauf: In »Kleine heile steile Welt« singt Gabalier nonchalant vom »Holzscheitelknien«, einer, nun ja, traditionellen Art, Kinder zu bestrafen, indem man sie lange auf Holzstücke mit harten Kanten knien lässt. Gehört halt dazu, so wie Fummeleien auf dem Heuboden und das Kreuz an der Wand.
Sonntag, 28. Oktober 2018
Heimatschutz am Tresen
Man soll ja die ausgetretenen Pfade verlassen, heißt es immer. Gewohnheiten aufbrechen. Neues wagen. Das erweitere den Horizont, sagen sie. Eröffne neue Perspektiven. Stimmt. Erst kürzlich wieder erlebt. Nach einem ausgiebigen Dinner mit lieben Menschen sollte am späten Samstagabend zum Ausklang desselben noch ein Absacker her. Leider waren sämtliche einschlägigen Etablissements der Innenstadt durch ein Großevent namens Musiknacht geblockt und hätten Eintritt genommen. Also landeten wir in einer Stadtteilkneipe etwas außerhalb. Und gleich am Eingang stand er. Der mit dem T-Shirt. Schwarz. Mit weißer Schrift. Dazu trug er ungelogen eine rote Hose. Kann man sich auch seine Gedanken zu machen, wenn man denn will.
Donnerstag, 25. Oktober 2018
Jenseits der Blogroll - 10/2018
Wie immer in der letzten Woche des Monats, die Links und Fundstücke der letzten Wochen. Solange das neue Urheberrecht einen noch lässt.
Politik. Vor 10 Jahren starb Jörg Haider eines unnatürlichen alkoholinduzierten Todes. Im 'profil' erinnern sie mit einem wieder aufgelegten Artikel von Herbert Lackner aus dem Jahr 2009, wie Haider 1989 die Anti-Ausländer-Politik erfand. Nur so viel sei vorweggenommen: Dass das im Jahr 1989 geschah, ist alles andere als ein Zufall.
Montag, 22. Oktober 2018
Sozialneid von rechts
Erwähnte ich schon, dass ich eine goldene Taschenuhr besitze? 585er Gold, Baujahr 1901, gebaut in Genf. (Bevor hier jemand auf originelle Ideen kommt: Das Messgerät befindet sich an einem sicheren Ort, auf den ich keinen direkten Zugriff habe. Mich mit Gewalt zu irgendetwas zwingen zu wollen, wäre also zwecklos.) Und, sind Sie schon rechtschaffen neidisch auf mich rumprotzendes Kapitalistenarschloch? Wie kommt so einer bloß an so viel Kohle? Darf der so was überhaupt haben? Ja geht das denn? Antwort: Wieso nicht? So eine Uhr zu kaufen, könnte ich mir natürlich nicht leisten, selbst wenn ich meine drei Deutsche-Bank-Aktien versetzen würde, die ich einst zur Firmung bekommen habe.
Samstag, 20. Oktober 2018
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (16)
In der Warteschlange an der Discounterkasse vermögen sich mitunter Welten aufzutun. So sprang mich heute die dort ausliegende Meistverkaufte der Nation mit der Headline an, Bestsellerautorin Charlotte Link gönge auf Merkel los. Hui, dachte ich, gedenken da am Ende zwei nicht mehr ganz juvenile Damen sich im Schlammcatchen zu üben? Nein, erfuhr ich näheren Blickes, die Unterhaltungsliteraturschreiberin, hieß es dort, sei der Meinung, es habe 2015 einen immensen Kontrollverlust gegeben, will heißen: Sie findet Merkels Flüchtlingspolitik eher nicht so gut. Nähere Recherchen meinerseits haben ergeben, dass die Lady am Vorabend zu Gast beim servilen Markus Lanz war und dortselbst die hoch originelle Einsicht zum Besten gab, wer nicht 100 Prozent auf Merkels Willkommenstrip sei, gölte als rechts außen.
Freitag, 19. Oktober 2018
Keep the Kreishaus!
Bitte die inferioren Handyfotos zu entschuldigen, ich hatte schlechtes Licht und die Linse nicht geputzt vorm Knipsen. Das Kreishaus, das Sie hier sehen, verehrte Leser*innen, ist Baujahr 1979 und liegt ein wenig versteckt in der Peripherie der Innenstadt. Vielleicht ist es bloß Nostalgie, aber ich mag diese Art öffentlicher Architektur sehr. Natürlich ist die Hütte kein großer Wurf und kein Schmuckstück. Es ist jene vielgeschmähte 'Sparkassenarchitektur', in der auch das ungeliebte Bundeskanzleramt in Bonn ausgeführt ist. Aber gerade die unmonumentale Unauffälligkeit und geschäftsmäßige Nüchternheit macht den Charme aus, finde ich. Da wird nicht geprotzt, da drängt sich nichts auf, es soll niemand beeindruckt oder eingeschüchtert und auch nicht groß repräsentiert werden. Betritt man das Gebäude, läuft man weiter auf Kopfsteinpflaster. Ein öffentliches Forum.
Dienstag, 16. Oktober 2018
Finis Bavariae
(wie wir es kennen)
Jo sog amal, wo leben wir eigentlich? Da geht eine Landtagswahl ungefähr so aus wie von Demoskopen seit Wochen und Monaten prognostiziert, in Bayern muss die CSU sich zum zweiten Mal in ihrer Geschichte in eine Koalitionsregierung bequemen (und wird das wohl auch in Zukunft tun müssen) und dann übertrifft man sich medial mit Katastrophen-Superlativen. Ein politisches Erdbeben! Ein Fiasko! Casca il mondo! Was soll nur werden? (Fürs Protokoll: Dass Mehrheiten sich ändern, gilt außerhalb Bayerns als ziemlich normaler demokratischer Vorgang.) Was werden soll, weiß natürlich keiner, weil man nicht in die Zukunft sehen kann.
Samstag, 13. Oktober 2018
Die Unreifeprüfung
Aufgabe: Interpretieren Sie den Songtext 'Aussa mit die Depf' der österreichischen Sängerin Hannah. Achten Sie dabei besonders auf die korrekte Verwendung geeigneter Fachausdrücke.
Der Text zum in alpenbairischer Mundart verfassten Song 'Aussa mit die Depf' ist in einfacher Strophen-Refrain-Form gearbeitetet. Nach einem kurzen Prolog ("He Weiberleit, was koch' ma heit?"), der die Grundstimmung des Kommenden vorgibt, folgt der Refrain, der allein aus dem Vers "He Weiber! Aussa mit de Depf - heut gibt‘s Nudeln!" besteht. Die Strophen sind jeweils aus vier Versen mit Endreim nach dem Schema aabb aufgebaut. Die Wahl dieser höchst konventionellen Form könnte darin begründet sein, dass eine möglichst breite Massenwirkung dieses eminent politischen Textes angestrebt wird.
Mittwoch, 10. Oktober 2018
Ronny des Monats - Oktober 2018
Bei allem Üblen, was so vor sich geht, sollte man das Positive nie vergessen. Möge man mich deswegen für einen unverbesserlichen Optimisten halten - bitte sehr, da kann ich mit leben. Aber ich brauch das nun mal, um nicht durchzudrehen. So fand ich es sehr erfreulich, dass Ronny und seine Spießgesellen ein paar Mal tüchtig ins Klo gegriffen und auch mal Gegenwind bekommen haben. Etwa, dass diverse rechte Musikveranstaltungen in Thüringen krachend gescheitert sind, weil die zuständigen Staatsgewalten ihren Job ernst genommen haben. (Moral: Geht alles, wenn nur der politische Wille da ist). Oder dass die AfD in Hamburg mit ihrer dämlichen Lehrerdenunziations-Hotline mit massenhaft Nonsens-Meldungen getrollt wird.
Sonntag, 7. Oktober 2018
Lob des Krempels
Ballast abwerfen ist ja das Gebot der Stunde. Radikal entrümpeln. Besitz belastet nur. Jeder dessen Hausrat nicht in zwei Kartons passt, ist ein krankhafter Messie und soll mal aufräumen, so geht die Fama. "Simplify your life!", predigt uns der frühere evangelische Pfarrer, spätere Zeichner frommer Witzbildchen und jetzige Oberentrümpler Werner Tiki Küstenmacher seit Jahren (und dürfte damit ironischerweise einiges an Mammon angehäuft haben, der ihn irgendwie so gar nicht zu belasten scheint). Erst wenn dein Heim aussieht wie eine leerstehende Wartehalle, dann wirst du erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben, heißt es. Mag sein, aber ich mag nicht. Was, wenn ich es gerade faszinierend finde, dass das Leben eben nicht simpel ist, sondern komplex, kompliziert und manchmal eben unauflösbar schwierig?
Donnerstag, 4. Oktober 2018
Einigkeit und Recht und Freizeit
Gestern war ja wieder dieser Einheitsgedenktag, an dem immer frei ist. Den gedachte ich unter anderem dafür zu nutzen, im hübschen Bad der Nachbarstadt eine Runde zu schwimmen und hernach im herrlich temperierten Solebecken noch ein wenig zu entspannen. Da ich zudem für meine Verhältnisse recht früh auf den Beinen war, dachte ich: Mach dich zeitig auf den Weg, dann hast du eine Chance, halbwegs ungestört ein paar Bahnen zu ziehen. Guter Plan. Hatte ich mir so gedacht. In der Theorie. Als ich auf den Parkplatz einbog, sah ich nur noch Volksmassen in allen Farben, Formen, Größen und Altersgruppen strömen. Und zwar dummerweise fast ausschließlich hinein. Also Plan gecancelt. Dumm gelaufen. Zuerst geärgert, dann aber dachte ich: Dass so viele Menschen an diesem Tag offenbar wichtigeres und Schöneres zu tun zu haben, als daheim vor der Glotze dieser 'Deutschen Einheit' zu gedenken, kann kein ganz schlechtes Zeichen sein. Und ward wieder ein wenig versöhnt mit dem Tag.
Dienstag, 2. Oktober 2018
Vermisches vom 2.10.2018
Was ich an der Causa Kavanaugh so interessant finde: Ich kann autoritäres Schulhofrowdy-Gehabe auf den Tod nicht ausstehen und es verursacht mir fast körperliche Beschwerden, wenn Leute immer wieder mit so was durchkommen. Es mag meinetwegen höchst unreif sein, aber es verschafft mir eine gewisse Befriedigung zu sehen, wie so ein Rumbrüller, Einschüchterer, Empörter, Aufdentischhauer und Backenaufbläser auch mal vor die Wand läuft mit seinem Rumbrüllen, Einschüchtern, Empören, Aufdentischhauen und Backenaufblasen, wie er vor laufenden Kameras und vor den Augen der Welt Gegenwind bekommt und es gar nicht fassen kann. Ob er den Job am SCOTUS am Ende bekommt oder nicht (man wird schon einen Weg finden) - egal, allein das war es wert.
Sonntag, 30. September 2018
Warum, ach sag', warum
Michael Spreng, seines Zeichens ehemaliger Chefredakteur des meistverkauften Presseerzeugnisses der Nation, muss sich doch sehr wundern. Wieso ist sein früherer Arbeitgeber in letzter Zeit bloß so komisch? Die Gazette "[...] zersetzt [...] systematisch den Respekt vor den Institutionen und Repräsentanten des Staates und delegitimiert die liberale deutsche Demokratie. Die Zeitung macht sich damit freiwillig oder unfreiwillig zur Vorfeldorganisation der AfD." Der nicht mehr gar so neue Schriftleiter "[…] Julian Reichelt hat offenbar eine Truppe von selbsternannten Kriegern um sich geschart, die glauben, sie lägen im Schützengraben und müssten nicht nur die Kanzlerin, sondern auch den liberalen Rechtsstaat sturmreif schießen.“ Büschen viel Weltkriegsmethaphorik. Egal.
Freitag, 28. September 2018
Patriarchat, fortgeschrieben
Sicher, es sind die USA und die sind - Platitüde - in vielem anders. Einigen wir uns vielleicht darauf: Richter, egal wo und welcher Instanz, sollten zunächst einmal über den nötigen Sachverstand verfügen, ihren Job ordentlich zu erledigen. Weiterhin steht nirgendwo geschrieben, dass Richter moralisch zu 100 Prozent integer sein müssen. Und nein, Richter müssen auch keine Heiligen sein, es wäre weltfremd, geradezu kindisch, das zu erwarten. Ein Bewusstsein aber, eine Art Kompass für das, was richtig und falsch ist, muss man schon erwarten von einem Richter. Ferner eine Fähigkeit zur Reflexion, sich in die andere Seite hineinversetzen zu können. Ich mit meinem laienhaften Verständnis von Rechtsprechung wüsste jedenfalls nicht, wie man sonst Recht sprechen könnte.
Montag, 24. September 2018
Jenseits der Blogroll - 09/2018
Preisfrage: Woran erkennt man, dass es wieder Herbst wird? An den sinkenden Temperaturen? Den bunt sich färbenden Blättern? Iwo, der sicherste Indikator ist die alljährlich anhebende Berichterstattung über das Oktoberfest. Dieselben Preßfritzen, die uns sonst streng ermahnen, dass schon das kleinste Feierabendbierchen pures Gift sei und es im Prinzip keine vertretbaren Alkoholmengen gäbe, schalten im September kollektiv auf Partymodus. Und so werden wir auch dieses Jahr wieder zugeballert mit allerlei Details über das größte Massenbesäufnis der Welt. Über Bierpreise, Alkoholleichen, betrügerisches Einschenken, wie ein Dirndl korrekt zu tragen ist, welcher Promi mit welchen anderen unwichtigen Menschen in welcher Feierbutze gesehen wurde, die Wonnen vormittäglicher Druckbetankung im Festzelt und dass es überhaupt nichts Geileres gibt als sich in alberner Gewandung systematisch die Birne rauszuschrauben. Sexuelle Übergriffe hingegen werden normalerweise eher diskret behandelt. Wegen christlich-abendländische Kultur vermutlich.
Sonntag, 23. September 2018
Jesses!
Mag man auch inhaltlich nicht immer mit allem einverstanden sein, was dort geschrieben steht (etwa wenn der Autor Harald Martenstein heißt), ist der berlinische Tagesspiegel für das eine oder andere unbedingt zu loben. Er ist mit einigen anderen Ausnahmen (taz, Frankfurter Rundschau) eines der wenigen größeren Presseorgane, das nicht ganz oder teilweise hinter Bezahlschranken verschwunden ist, kein Bezahlmodell praktiziert und einen auch nicht andauernd auffordert, den doofen Adblocker auszumachen. Ferner muss man hervorheben, dass man dort bereit und in der Lage ist, es zu thematisieren, wenn man Mist gebaut hat und dann auch bereit ist, das entsprechend zu korrigieren.
Freitag, 21. September 2018
Schmähkritik des Tages (22)
Heute: Micky Beisenherz über die Personalie Maaßen
"Annette Schavan und Karl Theo Guttenberg wiegen gerade in Embryonalstellung unter der Dusche, während Christian Wulff traurig seine Kreise auf dem Bobbycar in der Einfahrt dreht. Binnen weniger Stunden ist »Maaßen« vom Substantiv zum Verb mutiert:
Maaßen- größtmögliche Karriereschritte machen bei erwiesener Inkompetenz.
Dienstag, 18. September 2018
Opa erzählt vom Kalten Krieg
An der bei RTL gefloppten Serie 'Deutschland 83' gibt es erfreulich wenig auszusetzen.
Mit den seit einigen Jahren so angesagten Fernsehserien ist das bei mir ja so eine Sache. Gucke ich meist erst dann, wenn sie schon ein paar Jahre alt sind. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht weil mir 'Hypes' aller Art so gegen den Strich gehen. Ferner halte ich auch in Zeiten des Streamings eisern am guten alten Datenträger fest. Man sollte den Datensammlern dieser Welt ihr Geschäft so schwer wie möglich machen, wenn man es ihnen schon nicht komplett verunmöglichen kann. Ich finde immer noch, es geht außer mir und von mir ausgewählten Personen niemanden etwas an, wann ich wie lange was genau anschaue.
Samstag, 15. September 2018
Stei! Polizop!
Wie die Prioritäten liegen
3.500 bis 4.000 Polizeibeamte mit schwerem Gerät bietet das Land Nordrhein-Westfalen nach Medienangaben auf, um 200 Hektar rheinischen Restwald roden zu können. Dazu war es nötig, amtlich festzustellen (vermutlich nachdem man neueste Supercomputer angeschafft und die brightesten US-Hochschulabsolventen rekrutiert hatte), dass die 50, zum Teil seit Jahren existieren Baumhäuser den Bestimmungen des Brandschutzes nicht genüge tun (ein Glück, dass die Waldbrandsaison...). Gut, spätestens seit dem Berliner Flughafen weiß jedes Kind, dass in Deutschland Gebäude, die die Auflagen des Brandschutzes nicht erfüllen, qua ministerieller Verfügung unverzüglich durch die Polizei per Bulldozer abzuräumen sind. Bei Gefahr im Verzuge darf Der RechtsstaatTM kein Pardon kennen, es geht schließlich um unser aller Sicherheit.
Donnerstag, 13. September 2018
Steinerne Schlussstriche
Vorweg ein Bekenntnis: Ich habe durchaus etwas über und ein Faible für alte Gemäuer und so genannte 'geschichtsträchtige' Orte. Stehe ich im Oktogon des Aachener Doms, vor dem Speyerer Dom, in der Hagia Sophia, der Kathedrale von Saint-Denis, am Londoner Tower, auf dem Forum Romanum, der Nürnberger Kaiserburg oder an ähnlichen Orten - you name it - und lasse die Gedanken schweifen, dann geht mir das Herz auf. Als Kind und Heranwachsender fand ich den alten Kram erst totenöde, da komplett uninteressant, dann war er mir egal. Als ich begann, mich für Geschichte zu interessieren, wurde das anders. Wer mit mir in den Kölner Dom geht, muss sich auf einen längeren Aufenthalt gefasst machen, denn ich finde immer was Spannendes zu entdecken. In Stratford-upon-Avon hätte ich einmal fast meinen Zug verpasst, weil ich mit einem freundlichen und hochkompetenten Mitarbeiter der Shakespeare-Gedenkstätte ins Fachsimpeln geraten war.
Montag, 10. September 2018
Ronny des Monats - September 2018
"Meine Zweifel an der Lernfähigkeit der Gesellschaft wachsen." (Bettina Gaus)
Schaut man sich die Masse der Bewerber an, dann könnte man nach den Ereignissen der letzten Wochen glatt den Eindruck bekommen, nicht wenige Leute hielten den Ronny des Monats für einen echten Preis. Die Auswahl war riesig dieses Mal, die Shortlist lang. So haben Wissenschaftler jetzt herausgefunden, dass es eine Korrelation gibt zwischen gehäuft auftretender Hate Speech in sozialen Netzwerken und realer rassistischer Gewalt. Wow! Was finden die als nächstes heraus? Dass Kaffee ohne Zucker weniger süß schmeckt? Wer hat die Studie verfasst? Captain Obvious?
Samstag, 8. September 2018
Über die Maaßen klebrige Stühle
"Das sind meine Prinzipien. Wenn die Ihnen nicht gefallen, habe ich noch andere." (Groucho Marx)
Vieles war und ist mit Recht zu hören und zu lesen vom Verrat, den die moderne Sozialdemokratie an ihrer proletarischen Kernklientel begangen habe. Wenngleich leicht in Vergessenheit gerät, dass der Arbeiterverrat bei den Sozialdemokraten, beginnend mit 1914, eine über 100jährige Tradition hat und nicht erst mit Gerhard Schröder angefangen hat. Über all dem darf aber nicht der permanente Verrat vergessen werden, den moderne Konservative seit Jahrzehnten begehen. Den an ihren Idealen nämlich. Ja, richtig gelesen. Konservative, zumindest einige unter ihnen, hatten mal Ideale. Etwa das unerschütterbare Bekenntnis zu Europa eines Helmut Kohl. Man sollte das natürlich nicht überbewerten. Konservative Ideale waren meist eher Feigenblätter, ein Hauch von nichts, maximal dehnbar. Oder von solch rührender Unterkomplexität wie der plumpe Antikommunismus eines Franz Josef Strauß.
Dienstag, 4. September 2018
Vom Starkmachen der Rechten
"Die deutschen Konservativen und ihre Führungsriege sind unfähig, sich von rechts wirklich bedroht zu fühlen. Für sie steht der eigentliche Feind immer noch links. Rechts - das sind irgendwie ungezogene Verwandte."
Fällt das nur mir auf? Egal, was man tut oder nicht tut, man macht damit die Rechten stark. Ignoriert man sie, macht sie das stark, weil sie glauben, niemand wehre sich und die Straße gehöre ihnen. Protestiert man, macht sie das stark, weil sie sich dann als diskriminierte Opfer fühlen. Diskutiert man mit ihnen, macht sie das stark, weil es sie aufwertet, verweigert man jegliche Diskussion, macht sie das ebenfalls stark, weil das ihre Wahrnehmung vom arroganten Mainstream nur bestätigt. Andere wieder behaupten, man mache die Rechten stark, wenn man sie so nenne, denn schließlich seien sie nach eigenem Bekunden ja gar keine, aber... Man fragt sich ernsthaft, ob es eigentlich noch irgendwas gibt, was man tun oder lassen kann, das die Rechten nicht stark macht.
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