Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Sonntag, 27. Oktober 2019
Keine Kataschtrophe
'Asterix' Band 38 im Test
Eigentlich sah es so aus, als sei das Kapitel 'Asterix' nach dem komplett misslungenen letzten Band der Reihe für mich erledigt. Nur gehöre ich zu denen, die einst mit 'Asterix' groß geworden sind. So was prägt. Außerdem ist die Aufgabe, die Zeichner Didier Conrad und Texter Jean-Yves Ferri zu stemmen haben, keine kleine, beim Teutates. 'Asterix' war nie bloß ein trivialer Comic, der von A nach B geht, sondern ist ungeheuer vielschichtig und anspielungsreich. 'Asterix' ist Abenteuergeschichte, Komödie, Märchen, historische Erzählung, Parodie auf die deutsche Besetzung Frankreichs im zweiten Weltkrieg und die Résistance, Feier der französischen Lebensart, der Liberalität und des Individualismus, Satire und vieles mehr, meist auf einmal. Hohe Literatur. Eine Riesenhypothek.
Donnerstag, 24. Oktober 2019
Bildungsfernsehen (2)
Der Soziologe Andreas Kemper ist sozusagen AfD-Experte der ersten Stunde. Wie es dazu gekommen ist, erklärt er im Interview mit Thilo Jung in der 'Jung & Naiv'-Folge 442. Auch sonst gibt es einiges zu lernen: Über Faschismus im Allgemeinen, Macchiavelli, und die Verbindungen gewisser Leute einer bestimmten, sich selbst als 'bürgerlich' gebenden Partei in die Neonaziszene. Und warum Björn Höcke aller Wahrscheinlichkeit nach derjenige ist, der sich hinter dem Pseudonym 'Landolf Ladig' verbirgt (und warum das wichtig ist). Das Video dauert gut eindreiviertel Stunden. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn es ist hoch informativ und deswegen auch kurzweilig. Wie fast immer, wenn man einem Experten zuhört, der Substanzielles zu sagen hat.
Montag, 21. Oktober 2019
Jenseits der Blogroll - 10/2019
Wie immer, wenn eine 2 die erste Datumsziffer ist, die Fundstücke und Links des Monats:
Politik. Stefan Sasse über den strategischen Totalbankrott, den die USA und 'der Westen' in Syrien angerichtet haben. In einem ebenfalls lesenswerten Beitrag vom letzten Jahr geht es um die Frage, wieso Verhandlungen leider kein diplomatisch-weltpolitisches Wundermittel sind, sofern man keine militärische Drohkulisse im Rücken hat und dass es ein Irrtum ist zu glauben, die Welt würde friedlicher, wenn man komplett auf Militär verzichtet.
Samstag, 19. Oktober 2019
Biederer Brandstifter
Mir ist da jetzt etwas klar geworden, das ich offenbar lange verdrängt hatte. Nicht wahrhaben wollte. Aus Scham. Aus Schmerz vermutlich. Aber einmal muss es mal sein, es hilft nichts Irgendwann muss es ja mal raus. Hochgeschätztes Publikum, bringen Sie bitte Ihre Sitze in eine aufrechte Position und schnallen Sie sich an:
Donnerstag, 17. Oktober 2019
Pizza fratello maggiore
Kennen Sie das auch? Treibt Sie das auch so um? Diese nagende Angst vor dem schludrigen Pizzadienst? So ziemlich jeder bestellt irgendwann mal eine Pizza. Weil kein Bock oder keine Zeit fürs Selbermachen. Weil's manchmal halt muss. Also ganz altmodisch zu dem bunten Flyer mit den bunten Bildern gegriffen, der in der Küche hängt (bei den meisten an der Pinnwand, so vorhanden, oder auf der Kühlschranktür - ich kann hellsehen!) und das Gewünschte per Telefon oder, ganz Digital native, per App geordert.
Sonntag, 13. Oktober 2019
Ronny des Monats - Oktober 2019
Keine Sorge, auch diesen Monat werden wieder einmal die Ronnys vergeben. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. War mir nur wichtig, aus aktuellem Anlass etwas zum Thema Halle a.d. Saale dazwischenzuschieben, weil ich sonst vermutlich durchgedreht wäre. Ursprünglich hatte ich vor, die Gruppe 'Fridays for Hubraum' zu prämieren. Als abschreckendes Beispiel, in was für eine Güllegrube sich ein milde satirisches Nonsens-Projekt, das man so oder so finden kann, sich in kürzester Zeit verwandelt, wenn es in die Fänge potenzieller Ronny-Preisträger gerät.
Freitag, 11. Oktober 2019
Nicht erst seit Mittwoch
Wer diese Kuschelecke im Weltnetz ein wenig kennt, weiß, dass ich eine ausgemachte Aversion hege gegen einfache Lösungen a'la "Grenzen dicht!", "Wegsperren!", "Härtere Strafen!" etc. und jedwede Form hündischer Staatsgläubig- und Autoritätshörigkeit mir hochgradig suspekt ist. Angesichts dessen, was bekannt ist über das, was vorgestern in Halle an der Saale passiert ist, kann man es sich aber ausnahmsweise ganz einfach machen: Zwei bewaffnete Polizeibeamte vor der Synagoge hätten den Anschlag mit einiger Sicherheit verhindert.
Dienstag, 8. Oktober 2019
Schmähkritik des Tages (32)
Heute: Thomas Fischer über Dieter Nuhr
"Herr Nuhr ist 1960 geboren und hält sich daher für einen intimen Kenner der '68er-Generation', deren angeblichen und tatsächlichen Lebensirrtümern er, egal zu welchem Thema, einen Strom höhnischer Verachtung hinterherzunuscheln pflegt.
Der Rest der Nuhr-Kunst befasst sich mit den allzumenschlichen Charakterfehlern des Afrikaners, des Moslems und des jeweils anderen Anderen, also des Anderen in uns allen. Weil er gerne sagt, dass auch Moslems doof sind, gilt er als ungewöhnlich mutiger Humorist. Herr Nuhr verfügt über eine hochentwickelte, wenngleich etwas monothematische Imitationstechnik: Er kann verschiedene Sätze in einem von ihm erfundenen deutschtürkischen Unterschicht-Idiom sagen und dabei ein Gesicht machen, als müsse er dringend in eine betreute Wohngemeinschaft überstellt werden. Das ist sehr lustig. Am Ende jedes seiner Witze auf Kosten von Blöden, Armen, Schwachen sagt Herr Nuhr, dass er selbst theoretisch ähnlich blöd sein könne wie sie. Diese künstlerische Brechung könnte eine gewisse Differenziertheit in die Sache bringen, wenn der Stolz auf sie nicht ganz so penetrant dargeboten würde. [...]
Sonntag, 6. Oktober 2019
Argh!
Nein, werte taz, dass der "Fund einer neuen hominiden Spezies" (Lea Ebeling), der meinetwegen "als eine der wichtigsten Entdeckungen der letzten Jahre" (Ebeling, a.a.O.) gilt, bedeutet noch lange nicht, dass deswegen gleich "die Evolutionsgeschichte in Frage" (Ebeling, a.a.O.) gestellt ist. Unter anderem solcher Sensations-Quatsch führt dazu, dass immer mehr Menschen allen möglichen Mist glauben. Oder Wissenschaft gleich für eine einzige Übung in Beliebigkeit halten.
Freitag, 4. Oktober 2019
Wutbürgerliche Küche
Bin kein Arzt, aber vielleicht sind es ja wirklich die Hormone, wie der letztens hier bereits lobend erwähnte Ulli Hannemann meint. Wenn pubertierende Monster austicken, pflegen kluge, verständige Erwachsene, die sich einen Rest an Langmut bewahrt haben, bevor sie irren Blickes zur Pumpgun greifen zu sagen: Machste nix. Das schwierige Alter. Sie meinen das nicht böse. Die Hormone! Auch bei Frauen, deren Vermehrungsfähigkeit altersbedingt endet, verweist man bei eventuellen klimakterischen Überspanntheiten auf den sich wandelnden Hormonhaushalt. Wieso sollte das bei alternden Männern anders sein? Anders ist allenfalls, dass es über die männlichen Wechseljahre keine laufenden Regalkilometer an Ratgeberliteratur gibt. Die Symptome indes sind unübersehbar:
Mittwoch, 2. Oktober 2019
Letzte Dinge, neue Welt
Oper, das war für mich noch mehr etwas für Scheintote als die sonstige so genannte 'klassische' oder E-Musik. Auch als ich letztere schon dank des großen Lenny Bernstein längst für mich entdeckt hatte. So faszinierend ich es fand, was Orchester trieben, das affektierte, schrille Gesinge konnte mir gestohlen bleiben. In die Oper gingen Menschen, die wichtig tun und repräsentieren wollten. Adabeis. Reiche, juwelenbehangene Witwen in teuren Pelzmänteln, die sich für den Opernabend mitunter, so war zu hören, einen halb so alten schwulen Herrn als Begleitung mieteten. Sah gut aus, konnte geistvoll parlieren übers Gehörte und baggerte nach der Vorstellung garantiert nicht rum.
Montag, 30. September 2019
Yo!
Gesehen auf einer Tür in einer Schule hier in der Gegend (es war früh am Morgen und ich noch nicht ganz auf Ballhöhe, bitte den unschönen Lichtreflex zu entschuldigen). Ich hatte immer gedacht, 'Trainingsraum' (so eine Art moderner Karzer, den man aber nicht mehr so nennen darf, dafür mit pädagogischer Betreuung) wäre nicht mehr zu toppen.
Sonntag, 29. September 2019
Die Deppendekade
Die älteren werden sich erinnern: Vor einiger Zeit habe ich hier davor gewarnt, die Achtzigerjahre unnötig zu glorifizieren. Man sollte eh vorsichtig sein mit Nostalgie. Die ist eine mindestens genau so schlechte Ratgeberin wie Wut oder Angst. Von einem Spielentwickler las ich die Tage das folgende, nicht unkluge Diktum: "Der Satz, dass Videospiele früher besser waren, bedeutet eigentlich: Mein Leben war früher einfacher." Jetzt sind die Neunziger dran. Seit knapp 20 Jahren sind sie vorbei, daher werden sie jetzt wieder ausgebuddelt. Revival! Retro! Vintage! Heititei! Nun ja, wer glaubt, in der Kreativbranche sich schimpfenden Branche ginge es tatsächlich kreativ zu, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Mittwoch, 25. September 2019
In die Lehrermangel genommen
Kann natürlich sein, dass ich mich täusche, aber in Deutschland scheint es mitunter einen Hang zu geben, exakt das Gegenteil von dem zu tun, was rational und vernünftig wäre.
Viele amerikanische Unternehmen haben das seit Urzeiten kapiert und perfektioniert: Der wahre Segen liegt nicht im Verkaufen allein, sondern vor allem auch im Beschwerdemanagement. Klug ist es daher, die besten, talentiertesten Verkäufer nicht nur ins glamoröse Scheinwerferlicht der Verkaufsräume zu stellen, sondern sie, ordentlich geschult und bezahlt, versteht sich, Reklamationen bearbeiten zu lassen. In deutschen Unternehmen dagegen, in 'traditionellen' zumal, scheint Reklamationsabwicklung immer noch eine Strafarbeit für Unbegabte zu sein, die irgendwelchen Mist gebaut haben.
Sonntag, 22. September 2019
Jenseits der Blogroll - 09/2019
Klima und Beleidigungen, das sind offenbar die großen Themen der letzten Tage. Gerade bei letzterem habe mich, unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die streikenden Schulkinder recht haben oder nicht, zunehmend den Eindruck, es mit einem Generationskonflikt zu tun zu haben und fühle mich in die frühen Achtziger versetzt, als die Öko- und Friedensbewegung und damit auch die frisch gegründeten Grünen ihren ersten Höhenflug erlebten. Auch diese jungen Leute durften sich damals die bescheidwisserische Schulmeisterei alter Säcke anhören und sich Spinner nennen lassen. Das Ergebnis erleben wir gerade.
Freitag, 20. September 2019
Schimpf und Schande
Das Urteil des Landgerichts Berlin in Sachen der üblen Beleidigungen gegen Renate Künast dürfe nicht missverstanden werden als ein "Freibrief, jetzt im Internet richtig loszupoltern", wie Udo Vetter warnt. Na ja, im Internet vielleicht, man weiß es nicht, aber in der offline-Welt definitiv. So kann kann man sich schnell mal 20 Tagessätze à 40 Euro einhandeln, wenn man einen AfD-Abgeordneten als "Nazi" bezeichnet. Einer adligen AfD-Torte eine selbige zu verpassen, in Form eines staatsanwaltlichen Strafbefehls ebenfalls. Als eine 23jährige Studentin dagegen Einspruch einlegte, wurde sie vom Amtsgericht Kiel zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Euro verurteilt, da der Tortenwurf eine Beleidigung darstelle. Sie verzichtete darauf und trat stattdessen eine zweiwöchige Haftstrafe an.
Dienstag, 17. September 2019
Bauhaus-TV
Zugleich Fluch und Segen des Bauhauses, dessen Gründung sich heuer zum hundertsten Male jährt, ist der hohe Wiedererkennungswert nicht weniger Objekte. So kann dank des Bauhauses jeder Wichtigmann ohne größere Ahnung von Kunst und Architektur beim Anblick eines viereckigen weiß gestrichenen Kastens mit Flachdach oder von Möbeln, in denen Stahlrohr verbaut ist, sich dicketun mit der kennerhaften Bemerkung: "Ah, Bauhaus - ein absoluter Klassiker!". Und sich damit den Anstrich eines sich halbwegs auf der Höhe der Moderne bewegenden Kunstsinnigen verleihen.
Samstag, 14. September 2019
Kinderspiel
Es hilft nichts, wieder einmal muss über ein Genderthema geredet werden. Jetzt hat der amerikanische Spielemagnat Hasbro als jüngste seiner gefühlt 250.000 Varianten des Klassikers 'Monopoly' eine gegenderte Version herausgebracht. Bei 'Miss Monopoly' erhalten Spielerinnen qua Geschlecht automatisch ein paar Euros mehr, wenn sie über 'Los' gehen. Damit, wie der Hersteller sich erhofft, "die Gender-Pay-Gap-Debatte [...] in die Konversationen beim Spieleabend einfließt." Aha. Das meinen die nicht ernst, oder? Das ist doch ein Spaß! Da hat doch die komplette Marketingabteilung von Hasbro einen durchgezogen, ein paar Linien Nasenata geschnorchelt und einen Wettbewerb veranstaltet, wem wohl die dämlichste Monopoly-Variation einfällt, mit der sich trotzdem noch Geld verdienen lässt. Kann gar nicht anders sein.
Mittwoch, 11. September 2019
Ronny des Monats - September 2019
Es kann kaum überraschen, dass nach einer Sommerpause die Kandidaten für den Ronny des Monats sich förmlich drängeln. Dass einer wie Andreas Kalbitz sich mittlerweile nicht mehr entblödet, das, was er diskutieren nennt, das aber in Wahrheit meist bloß ordinäres, uninformiertes Gepöbel ist, inzwischen völlig schmerzfrei auch in Schulen abspult, geht da schon fast unter. Wie auch Petitessen, dass einer in Ebersberg eine junge Frau in der S-Bahn belästigt und dazu einen Hitlergruß gezeigt hat (bestimmt ein Flüchtling, der hinterhältigerweise perfekt Deutsch gelernt und sich als Nazi getarnt hat). Soll man die wachsweiche Wiebke Binder (mdr) nennen für ihr Ausgeglitsche auf der eigenen bürgerlichen Schleimspur am Wahlabend?
Sonntag, 8. September 2019
Pay Gaps
Hui, provokantes Eingangsstatement: Was haben Rechte und Feministinnen gemeinsam? Sie wissen immer sofort, wer schuld ist an ihrem Elend. Der Missstand, für den nicht Ausländer und/oder die Regierung Merkel bzw. die Männer verantwortlich sind, muss erst noch gebacken werden. Glauben Sie nicht? Zu heftig? Nun ja.
Nehmen wir das berühmte Gender Pay Gap. Das bedeutet, Frauen verdienten im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer. Dass das so pauschal gesagt schlicht Quatsch ist, konnte längst nachgewiesen werden. Das statistisch bereinigte Pay Gap bewegt sich im unteren einstelligen Prozentbereich. Dass Frauen in Spitzenjobs wie DAX-Vorständen tatsächlich sehr unterrepräsentiert sind, spielt dabei kaum eine Rolle, da Topverdiener dieser Liga bloß eine kleine Minderheit der Bevölkerung sind. Frauen sind auch in Berufen der Entsorgungswirtschaft sehr unterrepräsentiert, aber da belassen sie‘s interessanterweise bei Werbekampagnen und einem Women's Day. Kommt aber niemand auf die Idee, eine verpflichtende Quote zu fordern. Wieso?
Freitag, 6. September 2019
Schmähkritik des Tages (31)
Heute: Mely Kiyak über öffentlich-rechtliche Berichterstattung am Abend des 1. September 2019
"Fünfzehn Minuten Wahlabend im ZDF begannen damit, dass Bettina Schausten den Countdown runterzählte […]. Und als wenig später Jörg Meuthen von der AfD an Schaustens Tresen lehnte, sagte sie nicht etwa: »Ein schwarzer Tag für Deutschland, heute hat die Demagogie gesiegt, wie lange, Herr Meuthen wird es meinen Sender hier noch geben, wie lange die Pressefreiheit?« Nein, sie sagte, natürlich seine Sicht der Dinge meinend: »Ein erfolgreicher Abend.« Na, bitte. Hier wird schon antizipierend koreferiert. Dann: »Sind Sie zufrieden?« Ja klar, ist er zufrieden, der Meuthen […].
Mittwoch, 4. September 2019
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (19)
Selten bekommt man so deutlich vor die Nase geklatscht, dass die Zeiten sich unwiderbringlich ändern. Obwohl ich weiß, dass Musik und Fernsehen heute nur mehr gestreamt werden, CDs bloß noch was für Rentner sind und wer noch Bücher kauft, am besten gleich ins Museum ziehen sollte, gehöre ich zu denen, die noch altmodischen Gepflogenheiten anhängen wie Papierbücher und CDs zu besitzen und gelegentlich sogar anzuschaffen. Daran, von Digital Natives darob angeglotzt zu werden wie ein Brontosaurus, der kurz vor dem Aussterben noch genüsslich auf einer halben Tonne Blattwerk herumkaut, habe ich mich längst gewöhnt. Man bekommt halt Übung im Minderheitsein.
Sonntag, 1. September 2019
Lest we forget (2)
"Aus der Geschichte der Völker können wir lernen, dass die Völker aus der Geschichte nichts gelernt haben." (Georg Wilhelm Friedrich Hegel)
Es ist wohl ein Generationsproblem, dass nunmehr, da sich der Beginn des zweiten Weltkrieges (ich halte am Datum 1. September 1939 fest, obwohl man mit Gründen anführen kann, der ganze Orlog habe bereits 1937 mit der Invasion Japans in China begonnen, aber das zu diskutieren, würde hier zu weit führen) zum 80. Male jährt, sich die Menschheit offenbar wieder ein wenig zu sicher fühlt. Die mahnenden Stimmen, die das Elend selbst miterleben mussten, sie werden weniger und leiser. Und werden bald schon ganz verstummen. Immer dreister wird wieder über Krieg fabuliert. Vornehmlich von denen, die ihn nicht ausfechten müssten. So hoffen sie. Aber Atomwaffen machen da keine Unterschiede.
Samstag, 31. August 2019
Nur zu!
Okay, liebe AfD-Wähler in Sachsen und Brandenburg, ihr werdet morgen also AfD wählen. Das System ficken. Es denen da oben mal so richtig zeigen. Ist okay für mich, that‘s democracy. Und wenn eure Partei dann, wie weithin prognostiziert, bei ca. 20 Prozent plusminus irgendwas landen wird, dann werdet ihr weiter wütend sein. Wegen Ausgrenzung. Weil ihr glaubt, einer 20-Prozent-Partei stünde automatisch eine Regierungsbeteiligung zu (tut sie nicht), da es undemokratisch wäre, wenn der Wille von 20 Prozent der Wähler nicht berücksichtigt würde (ist es nicht, Demokratie bedeutet, die Mehrheit regiert und wahrt gleichzeitig die Rechte der Minderheit, weswegen, nebenbei, auch nicht immer das Volk gefragt werden muss). Ist aber auch okay, that‘s Meinungsfreiheit.
Dienstag, 27. August 2019
Die Hacks des Jahres
Sensationelle Nachricht! Astronauten sind doch keine besseren Menschen als der Rest der Menschheit. Auch Astronauten können kriminell sein. Und jetzt müssen wir alle ganz stark sein: Astronautinnen auch. Damit nicht genug: Sogar gleichgeschlechtlich lebende und liebende Astronautinnen können das. Auch wenn sie mindestens zwei durch die Queer Theory definierten Benachteiligungskriterien erfüllen. Die ISS-Austronautin Anne McClain wurde von ihrer Noch- und demnächst Ex-Frau Summer Worden wegen "Identitätsdiebstahls" angezeigt. McClain soll ihre Online-Bankkonten "gehackt" haben, wie es heißt.
Samstag, 24. August 2019
Vor der Haustür
Kinderland ist abgebrannt
Die einen oder anderen werden es mitbekommen haben: In meiner bescheidenen Heimatstadt ist ein Indoor-Spielplatz komplett ausgebrannt. Es wurde niemand verletzt oder ist sonstwie zu Schaden gekommen. In der Südhälfte der Stadt roch es den Tag über ein wenig unangenehm. Dem konnte man aber wirkungsvoll begegnen, indem man die Fenster geschlossen hielt. Und die giftigen Dämpfe? Nun gut, es wird keine Vitaminspritze gewesen sein, aber wir im Ruhrpott haben früher noch ganz anderen Schmodder inhaliert, und zwar permanent. Bei meiner Oma selig hatte man die Wahl, bei Ostwind den Dreck der benachbarten Kokerei abzubekommen, bei Südwind den der Raffinerie in Herne und im Westen lag auch auch noch einiges an Montanindustrie. Nur Nordwind war immer ein bisschen wie Weihnachten.
Mittwoch, 21. August 2019
Jenseits der Blogroll - 08/2019
Na, heute auch schon den Stand der Dinge gecheckt? Wo die 'Malizia II' sich gerade auf dem Atlantik befindet? Waren Sie auch so erleichtert zu erfahren, dass unser Greta auch nach acht Tagen immer noch nicht reihernd über der Reling hängt (oder enttäuscht, je nach Sichtweise)? Warum reden eigentlich alle nur über Greta und nicht darüber, dass Skipper Boris Herrmann, der eine extrem aufwändige und teure Randsportart betreibt und somit weithin unbekannt war, plötzlich bekannter ist als je zuvor? (Er mag ja lautere Absichten haben, aber die PR wird ihm sicher nicht unwillkommen sein.) Oder darüber, dass sich sein Kompagnon und Sponsor Pierre Casiraghi, Sohn von Caroline von Hannover (ehem. von Monaco), hauptberuflich millionenschwerer Bauunternehmer, dazu Hobbyrennfahrer, sich zum Klimaretter stilisieren kann?
Montag, 19. August 2019
From my cold, dead hands
Da lacht des Linken Herz. Bernd Riexinger (Die Linke) will die klassenlose Gesellschaft einführen, so war zu hören. Gut, vorerst nur in Regionalzügen, aber es ist immerhin ein Anfang. Dort soll nach seinen Vorstellungen die erste Klasse in Zukunft entfallen. Die geringere Sitzplatzdichte und Auslastung in der First Class seien in Zeiten überfüllter Pendlerzüge nicht mehr zeitgemäß, findet er. Nun gut, ich bin schon länger nicht mehr Bahn gefahren, aber wenn ich mich recht erinnere, beschränkt die erste Klasse in diesen Doppelstockwagen sich eh bloß auf ein paar Sitzreihen am Ende einiger Waggons. Die abzuschaffen mag im Gegenzug vielleicht ein wenig Platz schaffen, dürfte an den grundlegenden Problemen, die der ÖPNV in Deutschland seit Jahrzehnten vor sich herschiebt, aber wohl nicht viel ändern.
Samstag, 17. August 2019
Saisonauftakt und Rittersleut'
Normalerweise halte ich wenig bis gar nichts von diesen Selbsttests zum ankreuzen, deren schiere Masse mit dem Aufkommen des Internet noch einmal exponentiell gestiegen zu sein scheint. Aber keine Regel ohne Ausnahme und Anlässe wie der Saisonauftakt der Bundesliga wollen begangen werden. So ergab der Test, welcher Bundesligaverein am besten zu mir passt, folgendes:
Freitag, 16. August 2019
Woodstock yourself!
Damals in...
Am sich diese Tage zum fünfzigsten Male jährenden Woodstock-Festival lässt sich studieren, dass auch Menschen, die sich einst selbst genervt die Ohren zuhielten oder den Raum verließen, wenn Vati vom Krieg erzählte, ihrerseits in zunehmendem Alter der Folgegeneration nicht minder mit ihren jugendlichen Heldentaten auf den Nagel gehen. Woodstock, das war mal so was wie der Omaha Beach der Babyboomer-Generation, dabeigewesen zu sein ein Ritterschlag. Auch in Deutschland übrigens. Eine Krankenschwester, die ich im Zivildienst kennengelernt hatte, schwärmte einst verklärten Blickes davon, sich den ganzen Film im Nachtprogramm angeschaut zu haben. Und ein kurzzeitiger Gitarrenlehrer von mir konnte endlos über die Genialität referieren, die Alvin Lee von Ten Years After bei 'I Am Going Home' zeigte.
Mittwoch, 14. August 2019
Reiseimpressionen (10)
Deutschlands Esoterik-Vizehauptstadt
Ich schrieb‘s schon vor einigen Jahren: Der einst mondäne, als 'Meran des Nordens' gehandelte Kurort Bad Reichenhall hat ein wenig zu kämpfen, seit Kuren von den Krankenkassen nur mehr sparsam vergeben werden und die Reichen und Schönen längst andere Destinationen ansteuern zwecks Wellness. Aber man gibt nicht klein bei. So machen sie in aggressivem Salzmarketing. Nehmen Puffpreise als Eintritt für ihre Therme. Verhökern handgebrochenes 'Ur-Salz' für Apothekenpreise. Und es siedeln sich zunehmend Esoteriker und andere Scharlatane in der Stadt an. Mag Murnau am Staffelsee Deutschlands Esoterik-Hauptstadt sein, dann dürfte Reichenhall inzwischen dicht auf Platz zwei folgen.
Montag, 12. August 2019
Reiseimpressionen (9)
Quid pro quo
Kommt man auf Besuch nach Bayern und bleibt ein paar Tage, dann beschleicht einen mitunter das Gefühl, das mit Abstand drängendste Problem im Freistaat seien die traditionell horrenden Münchner Wuchermieten. Hier bei meinen Verwandten an der Grenze zu Salzburg hat vor über zehn Jahren ein Verbrauchermarkt aufgemacht. Die Halle ist so bemessen, dass man sie zwecks Nachnutzung notfalls an Airbus vermieten kann. Zwei 320er dürften sich darin locker generalüberholen lassen. Gleichzeitig. Der Laden, in dem es alles gibt und nichts, darunter als Lockangebot eine ordentliche Leberkassemmel für perverse 1,10 Euro, machte einst allen Ernstes Werbung mit dem Spruch: Wo die Welt noch in Ordnung ist.
Samstag, 10. August 2019
I love Sanifair!
Der Pestarzt, der einzig wahre Wiedergänger, hat gesprochen: Nur in Deutschland sei es möglich, meint er, Menschen fürs Pinkeln 50 Cent abzuknöpfen, ohne dass eine spontane Revolte losbräche. Als jemand, der gerade wieder urlaubsbedingt (Klimaschänder - evil, evil...) längere Zeit auf Autobahnen verbracht hat und dabei die eine oder andere Pinkelpause nötig hatte, kann ich nur sagen: Sanifair mag meinethalben eine mafiöse Ausbeuterorganisation sein (was für Monopolisten immer irgendwie zutrifft), man kann es selbstredend lästig finden, jedes Mal 70 Cent abdrücken zu müssen fürs sich lösen können, trotzdem halte ich den Verein für nichts weniger als einen Segen. Warum? Ganz einfach, ich lege, ganz etepetete, einen gewissen Wert auf gepflegte Toiletten, Und ich kenne die Zeiten vor Sanifair.
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